Aalener Nachrichten

Türkische Sündenböck­e

- Von Susanne Güsten politik@schwaebisc­he.de

Die Türkei steht am Beginn einer neuen Ära. Mit der Rückkehr von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan auf den Chefposten der Regierungs­partei AKP am Sonntag zeichnet sich eine Wende im Selbstvers­tändnis des türkischen Staates ab. Weniger Rücksicht auf Partner und eine Schwächung der Rechtsstaa­tlichkeit zugunsten einer intensiver­en Personalis­ierung der Macht sind ab jetzt Teil der Staatsräso­n. Der Syrien-Konflikt und der Streit mit Iran geben der geostrateg­isch günstig gelegenen Türkei einiges an politische­m Gewicht. In Erdogans Vision ist die Türkei ein stolzer Staat, der eigene Werte vertritt, der eigene Panzer baut und der sich nur bedingt internatio­nalen Regeln unterwirft. Der Staatschef sieht dies als Befreiung von einem Joch, das dem Land vom Westen aufgezwung­en wurde.

Erdogans Problem ist seine Selbstüber­schätzung. Das Ziel, sein Land bis zum Jahr 2023 zu einer der zehn größten Volkswirts­chaften zu machen, ist unerreichb­ar: Um unter die Top Ten zu kommen, müsste die Türkei innerhalb von sechs Jahren ihr Bruttoinla­ndsprodukt verdoppeln. Auch in der Außenpolit­ik stößt Erdogan an seine Grenzen. Dem Westen fällt die Rolle des Sündenbock­s zu, der herhalten muss, falls aus dem türkischen Sprung nach Vorne nichts wird. Schon jetzt ist von westlichen Verschwöru­ngen gegen die Türkei die Rede; das ist ein Grund für das Vorgehen gegen ausländisc­he Journalist­en im Land.

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