Merkels Quälgeister ganz zahm
Die neuen Minister Horst Seehofer und Jens Spahn geben ihre Regierungserklärungen ab
BERLIN - Der eine ist ein altbekanntes Gesicht – Horst Seehofer. Der andere ist zum ersten Mal in einem Kabinett: Jens Spahn. Und beide eint, dass sie öfters mit markigen Sprüchen und als Kanzlerinnen-Kritiker in Erscheinung treten.
Seehofer hat über Monate und Jahre die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage angetrieben. Als Innenminister ist dies sein Thema. Forsch tritt er ans Rednerpult im Bundestag und sagt zwei Schlüsselsätze auf: Er wolle den sozialen Zusammenhalt stärken und die Ängste der Menschen ernst nehmen. Er kündigt eine „Null-Toleranz“-Politik an, wo Gesetze gebrochen werden. Aber auch gegen Hassparolen und Gewalt gegenüber Andersdenkenden. „Herr Seehofer, Sie wollen den Hardliner mimen“, sagt später der Linke Andre Hahn. Und der AfD-Politiker Gottfried Curio wirft ihm gar vor, ein bisschen die AfD zu kopieren, wenn er betone, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre.
Das hat er gerade in einem Interview noch einmal gesagt, und damit auf Merkels Zurechtweisung reagiert. Im Bundestag aber ist die alte Fehde für ihn kein Thema. Hier kündigt er an, Tempo zu machen. Denn es gebe Ängste, aus denen Spaltung und Ideologisierung entstünden, das seien „ideologische Teilchenbeschleuniger“. „Ein weiter so“will er nicht, er will Gesetzentwürfe schon in den kommenden Wochen vorlegen. Dazu gehört, die Sicherheitsmaßnahmen zu optimieren durch bessere Videoüberwachungen.
Maßgeschneidert
Horst Seehofer ist kein neues Gesicht, weder in der Regierung noch im Parlament. Als Landwirtschaftsminister hat er 2005 in der ersten Großen Koalition in den hinteren Reihen gesessen, bis er als Ministerpräsident nach München ging. Jetzt sitzt er wieder in der ersten Reihe, ein paar Plätze neben Bundeskanzlerin Angela Merkel – in München aus seinem Amt vertrieben vom jungen Nachfolger Markus Söder. Aber offensichtlich entschlossen, noch einmal das ganz große Rad zu drehen. Das Ministerium ist für ihn maßgeschneidert: Innen, Bau und Heimat. „Mit Bau kann man Heimat über den philosophischen Aspekt hinaus mit Leben füllen“, hat Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gesagt. Genau das kündigt Horst Seehofer als neuer Heimatminister an. 1,5 Millionen Wohnungen sollen ein Schwerpunkt sein, denn „die Entwicklung der Mieten sind das soziale Problem für heute und die Zukunft“.
Früher, als Seehofer 1992 noch Gesundheitsminister war, hat er sich profiliert mit seinem Kampf für die kleinen Einkommen. Und auch jetzt betont er diesen Anspruch. Er sei glücklich über „den Koalitionsvertrag für die kleinen Leute“. Er wolle Politik „auch mit dem Herzen machen“und verspricht: „Die Koalition wird liefern.“
Liefern will auch Jens Spahn. Drei Projekte stellt der Gesundheitsminister am Freitag vor, die er sofort angehen wolle. 8000 neue Pflegestellen will er schaffen. Dass das nicht reicht und trotzdem schwierig wird, ist Spahn bewusst. „Ich bin schon froh, wenn wir diese Stellen dann auch besetzen können“, sagt er. Dazu soll der Beruf unter anderem in Sachen Bezahlung attraktiver werden.
Auch die Versorgung im ambulanten Bereich will der Minister ausbauen – zum Beispiel mit der Erweiterung der Sprechstunden von 20 auf 25 Stunden in der gesetzlichen Versorgung. Und finanzielle Anreize für „Ärzte, die sich schnell um Patienten kümmern“, stellt Spahn in Aussicht. „Sodass man zumindest nicht bestraft wird, wenn man viele Patienten aufnimmt.“Hinzu kommt die gleichwertige Aufteilung der Kassenbeiträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. All das will er bis zur Sommerpause umsetzen.
Vorwurf: Haudrauf-Rhetorik
Es handele sich um erste Schritte, sagt der Gesundheitsminister am Freitag im Bundestag. Bei seiner Rede im Bundestag wirkt Spahn, der in den vergangenen Tagen mit Aussagen zu Hartz-IV-Empfängern oder zu Abtreibungen Schlagzeilen produziert hatte, vergleichsweise zurückhaltend. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat ihn am Mittwoch darauf hingewiesen, dass das Thema Pflege „die volle Aufmerksamkeit des zuständigen Ministers“erfordere.
Auch von der Opposition war Spahn in den vergangenen Tagen massiv kritisiert worden. „Ich habe sehr starke Zweifel, dass er für die Aufgabe geeignet ist”, sagt etwa Katja Dörner (Grüne). Und zwar nicht aus fachlicher Sicht, sondern weil Spahn die nötige Empathie fehle. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) bezeichnet Spahns Äußerungen zur Abtreibung als „Haudrauf-Rhetorik” und „völlig unnötig und an der Sache vorbei“.