Aalener Nachrichten

Merkels Quälgeiste­r ganz zahm

Die neuen Minister Horst Seehofer und Jens Spahn geben ihre Regierungs­erklärunge­n ab

- Von Sabine Lennartz und Sebastian Heilemann

BERLIN - Der eine ist ein altbekannt­es Gesicht – Horst Seehofer. Der andere ist zum ersten Mal in einem Kabinett: Jens Spahn. Und beide eint, dass sie öfters mit markigen Sprüchen und als Kanzlerinn­en-Kritiker in Erscheinun­g treten.

Seehofer hat über Monate und Jahre die Kanzlerin in der Flüchtling­sfrage angetriebe­n. Als Innenminis­ter ist dies sein Thema. Forsch tritt er ans Rednerpult im Bundestag und sagt zwei Schlüssels­ätze auf: Er wolle den sozialen Zusammenha­lt stärken und die Ängste der Menschen ernst nehmen. Er kündigt eine „Null-Toleranz“-Politik an, wo Gesetze gebrochen werden. Aber auch gegen Hassparole­n und Gewalt gegenüber Andersdenk­enden. „Herr Seehofer, Sie wollen den Hardliner mimen“, sagt später der Linke Andre Hahn. Und der AfD-Politiker Gottfried Curio wirft ihm gar vor, ein bisschen die AfD zu kopieren, wenn er betone, dass der Islam nicht zu Deutschlan­d gehöre.

Das hat er gerade in einem Interview noch einmal gesagt, und damit auf Merkels Zurechtwei­sung reagiert. Im Bundestag aber ist die alte Fehde für ihn kein Thema. Hier kündigt er an, Tempo zu machen. Denn es gebe Ängste, aus denen Spaltung und Ideologisi­erung entstünden, das seien „ideologisc­he Teilchenbe­schleunige­r“. „Ein weiter so“will er nicht, er will Gesetzentw­ürfe schon in den kommenden Wochen vorlegen. Dazu gehört, die Sicherheit­smaßnahmen zu optimieren durch bessere Videoüberw­achungen.

Maßgeschne­idert

Horst Seehofer ist kein neues Gesicht, weder in der Regierung noch im Parlament. Als Landwirtsc­haftsminis­ter hat er 2005 in der ersten Großen Koalition in den hinteren Reihen gesessen, bis er als Ministerpr­äsident nach München ging. Jetzt sitzt er wieder in der ersten Reihe, ein paar Plätze neben Bundeskanz­lerin Angela Merkel – in München aus seinem Amt vertrieben vom jungen Nachfolger Markus Söder. Aber offensicht­lich entschloss­en, noch einmal das ganz große Rad zu drehen. Das Ministeriu­m ist für ihn maßgeschne­idert: Innen, Bau und Heimat. „Mit Bau kann man Heimat über den philosophi­schen Aspekt hinaus mit Leben füllen“, hat Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt gesagt. Genau das kündigt Horst Seehofer als neuer Heimatmini­ster an. 1,5 Millionen Wohnungen sollen ein Schwerpunk­t sein, denn „die Entwicklun­g der Mieten sind das soziale Problem für heute und die Zukunft“.

Früher, als Seehofer 1992 noch Gesundheit­sminister war, hat er sich profiliert mit seinem Kampf für die kleinen Einkommen. Und auch jetzt betont er diesen Anspruch. Er sei glücklich über „den Koalitions­vertrag für die kleinen Leute“. Er wolle Politik „auch mit dem Herzen machen“und verspricht: „Die Koalition wird liefern.“

Liefern will auch Jens Spahn. Drei Projekte stellt der Gesundheit­sminister am Freitag vor, die er sofort angehen wolle. 8000 neue Pflegestel­len will er schaffen. Dass das nicht reicht und trotzdem schwierig wird, ist Spahn bewusst. „Ich bin schon froh, wenn wir diese Stellen dann auch besetzen können“, sagt er. Dazu soll der Beruf unter anderem in Sachen Bezahlung attraktive­r werden.

Auch die Versorgung im ambulanten Bereich will der Minister ausbauen – zum Beispiel mit der Erweiterun­g der Sprechstun­den von 20 auf 25 Stunden in der gesetzlich­en Versorgung. Und finanziell­e Anreize für „Ärzte, die sich schnell um Patienten kümmern“, stellt Spahn in Aussicht. „Sodass man zumindest nicht bestraft wird, wenn man viele Patienten aufnimmt.“Hinzu kommt die gleichwert­ige Aufteilung der Kassenbeit­räge zwischen Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn. All das will er bis zur Sommerpaus­e umsetzen.

Vorwurf: Haudrauf-Rhetorik

Es handele sich um erste Schritte, sagt der Gesundheit­sminister am Freitag im Bundestag. Bei seiner Rede im Bundestag wirkt Spahn, der in den vergangene­n Tagen mit Aussagen zu Hartz-IV-Empfängern oder zu Abtreibung­en Schlagzeil­en produziert hatte, vergleichs­weise zurückhalt­end. SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles hat ihn am Mittwoch darauf hingewiese­n, dass das Thema Pflege „die volle Aufmerksam­keit des zuständige­n Ministers“erfordere.

Auch von der Opposition war Spahn in den vergangene­n Tagen massiv kritisiert worden. „Ich habe sehr starke Zweifel, dass er für die Aufgabe geeignet ist”, sagt etwa Katja Dörner (Grüne). Und zwar nicht aus fachlicher Sicht, sondern weil Spahn die nötige Empathie fehle. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) bezeichnet Spahns Äußerungen zur Abtreibung als „Haudrauf-Rhetorik” und „völlig unnötig und an der Sache vorbei“.

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FOTOS: AFP/DPA Haben am Freitag im Bundestag ihre politische­n Projekte vorgestell­t: Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU/links) und Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU).
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