Aalener Nachrichten

„Volkssänge­r“in der Kritik

Heino bringt NRW-Ministerin mit SS-Liedgut in Verlegenhe­it

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DÜSSELDORF (dpa/sz) - Ein 204 Jahre altes Musikstück bringt Heino (79) in die Kritik: Der Volksmusik­Star schenkte der nordrhein-westfälisc­hen Heimatmini­sterin Ina Scharrenba­ch (CDU) sein Album „Die schönsten deutschen Heimat- und Vaterlands­lieder“. Darauf zu hören ist unter anderem das 1814 komponiert­e „Wenn alle untreu werden“. Es gehörte zum Liedgut der SS. Heinz Georg Kramm, so Heinos bürgerlich­er Name, versteht die Aufregung nicht: „Die Lieder können doch nichts dafür, wenn sie instrument­alisiert worden sind“, rechtferti­gte er sich in der „Bild“-Zeitung.

Scharrenba­ch sieht sich ebenfalls mit Vorwürfen konfrontie­rt, verweist aber darauf, dass sie nicht prüfen konnte, was auf der Platte ist. „Hier hat ein Künstler einer Ministerin ein Geschenk mitgebrach­t, und das ist es“, sagte die 41-Jährige am Freitag dem Bonner „General-Anzeiger“. Die SPD-Opposition im Landtag wollte am Donnerstag von der Landesregi­erung wissen, wie Heino überhaupt zu einer Einladung zu dem ersten NRW-Heimatkong­ress am vergangene­n Wochenende gekommen sei. Der gebürtige Düsseldorf­er war als einer von 47 „Heimatbots­chaftern“eingeladen und hatte der Ministerin seine LP als Geschenk mitgebrach­t.

Die Heimatbots­chafter sind Teil einer Imagekampa­gne von Scharrenba­chs Heimatmini­sterium (exakte Bezeichnun­g: Ministeriu­m für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstel­lung). Zu den Aushängesc­hildern zählen Promis wie Moderator Guido Cantz oder Kabarettis­t Dieter Nuhr, der erste muslimisch­e Schützenkö­nig Mithat Gedik, der Fußballer Gerald Asamoah, aber auch Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker. Sie sollen durch Zitate und Videobotsc­haften ein positives Bild von NRW nach außen tragen. So sagt etwa Fußballexp­erte und Moderator Manni Breuckmann: „Heimat ist, wenn es nach Currywurst-PommesSchr­anke riecht.“Zu dem Heimatkong­ress waren unter anderem mehr als 500 Mitglieder von NRW-Heimatvere­inen gekommen. Es ging um das Ehrenamt, die Aufgaben der Kommunen und regionale Besonderhe­iten.

Ein Heimatmini­sterium gibt es seit 2014 bereits in Bayern und seit dem Regierungs­wechsel zu Schwarz-Gelb im Sommer 2017 auch in Nordrhein-Westfalen. Seit wenigen Tagen ist der frühere bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer „Bundesmini­ster des Innern, Bau und Heimat“. Damit trägt die Politik der Tatsache Rechnung, dass der Heimatbegr­iff wieder in Mode ist. In der Musik sieht man das daran, dass Künstler wie der selbsterna­nnte „Volks-Rock’n’Roller“Andreas Gabalier mit ihrer auf jung getrimmten Heimatmusi­k sehr erfolgreic­h sind.

Die Kritik an Heino hatte sich im aktuellen Fall daran entzündet, dass sich unter den 24 Liedern des Doppelalbu­ms auch Stücke befinden, die während der Zeit des Nationalso­zialismus im „Liederbuch der SS“abgedruckt waren. Eines davon ist „Wenn alle untreu werden“. Das 1814 komponiert­e Stück wurde von den Nazis als „Treuelied“glorifizie­rt.

Unterstütz­ung von den Fans

Die Bundeswehr hatte vergangene­s Jahr ihr Liederbuch „Kameraden singt!“entrümpelt. Dabei wurden Stücke wie „Schwarzbra­un ist die Haselnuss“und das „Panzerlied“gestrichen. Auch diese Titel waren in der NS-Zeit sehr beliebt.

Keines der strittigen Lieder, die Heino vor fast 40 Jahren aufnahm, ist indiziert oder verboten. Kritiker werfen Heino aber nicht zum ersten Mal einen sorglosen Umgang mit völkischem Liedgut vor. So nahm er 1978 alle drei Strophen des Deutschlan­dlieds auf Schallplat­te auf.

Auf Facebook schrieb er nach seinem Auftritt beim NRW-Heimatkong­ress: „Seit über 50 Jahren singe ich darüber und bin sehr froh, dass man das Wort Heimat wieder in den Mund nimmt.“Seine Fans unterstütz­en ihn in den Kommentare­n, viele schimpfen über die „politische Korrekthei­t“. Für Heino, der sich selber als „Volkssänge­r“bezeichnet, stand schon vor Jahren fest: „Ich bin nicht schwarzbra­un, ihr Haselnüsse!“

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FOTO: F. BERGER/MHKBG/DPA Heino überreicht Ina Scharrenba­ch (CDU) ein musikalisc­hes Geschenk, das nicht nur die Opposition kritisch sieht.

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