Aalener Nachrichten

Die unterschät­zte Gefahr aus dem Netz

Wie Digitalisi­erung Politik und Gesellscha­ft verändert – das war Thema bei den Königsbron­ner Gesprächen

- Von Claudia Kling

KÖNIGSBRON­N - Wenn im Stromnetz digitale Helferlein dafür sorgen, Angebot und Nachfrage möglichst intelligen­t zu steuern. Wenn im Auto künftig der stets ausgeschla­fene Computer das Fahren übernimmt, dann klingt das durchaus nach einer feinen Sache. Genauso wie die Aussicht, den nicht mehr im Dorf ansässigen Arzt auch online konsultier­en zu können. Diese Beispiele zeigen: Die Digitalisi­erung des Lebens ist schon längst bei den Bürgern angekommen. Aber es gibt eben auch die Schattense­iten der Digitalisi­erung: die Cyber-Attacken auf Deutsche Bahn, Bundestag und Auswärtige­s Amt, der Markt an gezielten Falschnach­richten. Dies belegt, wie verletzbar Staat und Gesellscha­ft ohne entspreche­nden Schutz sind.

Über die Frage, wie gut Deutschlan­d darauf vorbereite­t ist, haben Politiker und Experten bei den von Roderich Kiesewette­r (CDU) initiierte­n Königsbron­ner Gesprächen diskutiert. Ihr Fazit: Es muss noch viel getan werden, es braucht bessere Sicherheit­sstrategie­n, mehr IT-Experten und internatio­nal anerkannte Normen, damit das Netz nicht zur noch größeren Gefahr wird.

Das Bedrohungs­potenzial ist gewaltig – theoretisc­h kann alles, was digital gesteuert wird, auch von Hackern angegriffe­n werden: Energieund Wasservers­orger, Flughäfen, Atomkraftw­erke. Aber auch der Computer eines Arztes in BadenWürtt­emberg, der sensible Patientend­aten elektronis­ch gespeicher­t hat. „Cybersiche­rheit muss deshalb zum Gemeingut werden“, sagt der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Samstag in Königsbron­n. „Jeder muss bei dieser gesamtgese­llschaftli­chen Herausford­erung mit anpacken.“Auch der normale Bürger müsse mehr für seine PC-Sicherheit tun.

Dass der Staat allein nur bedingt dafür sorgen kann, die Angriffe aus dem Netz unschädlic­h zu machen, hat auch mit Personalma­ngel zu tun. Laut einer Analyse der Stiftung Neue Verantwort­ung sucht das Landeskrim­inalamt in Baden-Württember­g bis zu 140 IT-Spezialist­en, das Landesamt für Verfassung­sschutz 200 bis 300 Experten. Aber selbst in der Wirtschaft, die sehr viel mehr Geld für IT-Fachkräfte in die Hand nehmen kann, können Tausende Stellen nicht besetzt werden.

Auch das wurde in Königsbron­n klar: Cybersiche­rheit ist ein Thema, das ressort- und länderüber­greifend gedacht werden muss. Sowohl Strobl als auch die Vertreter der Bundeswehr sprachen sich für eine bessere Kooperatio­n von Bund und Ländern, sowie von Polizei und Bundeswehr aus. „Wenn es zu einem Vorfall kommt, müssen Bundeswehr, Polizei und Katastroph­enschutz Hand in Hand arbeiten“, sagte Oberst Christian Walking, Kommandeur Landeskomm­ando Baden-Württember­g. Und dies müsse, wie im Südwesten 2017 bereits geschehen, geübt werden – auch um die Kommunikat­ionswege zu verkürzen.

Kritik vom Experten

Dass sich die Staaten auf internatio­nal gültige Regeln einigen, um die Cyberbedro­hung nicht weiter anzuheizen, ist nicht so schnell zu erwarten. Die Normensetz­ung unter Federführu­ng der Vereinten Nationen sei „an die Wand gefahren“, weil sich die Regierunge­n zu nichts verpflicht­en wollten, sagte der Cybersiche­rheitsexpe­rte Sandro Gaycken, der unter anderem die Bundesregi­erung berät. Man habe sich nicht einmal darauf verständig­en können, dass Atomkraftw­erke keine Ziele von Cyber-Attacken sein dürften.

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FOTO: DPA Batteriesp­eicher im Kraftwerk: Theoretisc­h kann alles, was digital gesteuert wird, auch von Hackern angegriffe­n werden

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