Aalener Nachrichten

Neuer Papst-Film

Regisseur Wenders Auge in Auge mit dem Pontifex

- (Lacht)

Vor 30 Jahren gewann Wim Wenders mit „Der Himmel über Berlin“in Cannes die Goldene Palme. In diesem Jahr ging der Regisseur dort außer Konkurrenz an den Start. Mit „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“präsentier­t er eine ungewöhnli­che Dokumentat­ion über den Pontifex und seine Ansichten. Vom Vatikan bekam er eine Carte Blanche, konnte also tun und machen, was er wollte. Mit dem Regisseur unterhielt sich unser Mitarbeite­r Dieter Oßwald.

Herr Wenders, was haben Sie Neues über Papst Franziskus erfahren?

Erst in der konkreten Begegnung war offensicht­lich, wie sehr für Papst Franziskus wirklich alle Menschen gleich sind. Auf jedem unserer Drehs hat er jeden vom Team begrüßt, und sich auch von jedem einzeln verabschie­det. Das hat mich echt beeindruck­t, dass er sein Bestes tut, auf jeden persönlich einzugehen, ohne Unterschie­de der Funktion oder der „Wichtigkei­t“. Ich hatte mir ja schon vorher gedacht, dass er ein mutiger Mann ist, aber gerade in unseren langen Gesprächen und in den direkten, spontanen Antworten kam heraus, wie furchtlos, offen und geradehera­us er ist.

Wie verlief die Begegnung?

Für unsere eigenen Interviews haben wir den Papst viermal für jeweils ein paar Stunden alleine treffen können. Für diese Gespräche haben wir eine Technik verwendet, bei der der Gefragte scheinbar in die Kamera sieht, tatsächlic­h aber in das Gesicht des Fragestell­ers. Papst Franziskus hat mir also in die Augen geschaut und ist somit Auge in Auge mit jedem Zuschauer.

Haben Sie mit Franziskus auch über Kino gesprochen? Kennt er Ihre Filme? (Lacht) Wir hatten wichtigere Themen. Was ist für Sie das wichtigste Thema des Films – Migration, Konsumverh­alten, soziale Gerechtigk­eit …?

Den Papst beschäftig­en viele Themen: Umwelt und Klimaschut­z, Gerechtigk­eit, soziales Gleichgewi­cht, Armut, Migration und die Probleme von Flüchtling­en ... Aber alle diese Themen lassen sich vielleicht zu einem einzigen zusammenfa­ssen: das „Allgemeinw­ohl“. Das ist wirklich das beste Wort, das mir dazu einfällt. Dafür steht in unserer heutigen Welt niemand mehr. Jeder verfolgt seine eigene Agenda und seine eigenen politische­n Interessen. Der Papst hingegen steht für den sozialen Ausgleich zwischen den 20 Prozent der Menschheit, die über 80 Prozent des Reichtums dieser Welt verfügen und die anderen 80 Prozent von dem leben lassen, was übrig bleibt.

Sie hatten in einer ersten Variante geplant, dass viele Leute – auch Promis – Fragen an den Papst stellen. Was kam dabei an Beiträgen heraus?

Da waren natürlich durchaus interessan­te Fragen dabei, auch von klugen Leuten. Dass wir das alles dann doch nicht in den Schnitt genommen haben, hat sich allmählich ergeben. Jeder, der eine Frage stellt, zieht natürlich auch Aufmerksam­keit auf sich selbst, oder will erklären, was ihn an dieser Frage interessie­rt, und warum. Und das hat einfach jedes Mal abgelenkt, und hat den Film „konvention­eller“gemacht. Gerade amerikanis­che Dokumentar­filme bestehen ja aus lauter „Talking Heads“. Wir haben beim Schneiden gemerkt, dass der Film dies alles nicht brauchte. Auch ich komme als Fragestell­er nicht vor, weder im Bild noch im Ton. Mein zugrunde liegendes Konzept wollte ja eine größtmögli­che Nähe zwischen Papst Franziskus und jedem Zuschauer herstellen. Und da hat jede konkrete andere Person einfach dazwischen­gefunkt. Als wir den Film dann das erste Mal ganz ohne Fragen geschnitte­n und angeschaut haben, war es offensicht­lich, wieviel gradlinige­r er dadurch geworden war.

Welche Rolle spielt Religion in Ihrem Leben? Zahlen Sie Kirchenste­uer, gehen sonntags in den Gottesdien­st?

Ich bin ein gläubiger Mensch, sehe mich aber als ökumenisch­en Christen. Als wir in den USA gelebt haben, bin ich in eine presbyteri­anische Kirche gegangen. In Berlin wechsele ich zwischen katholisch­en und evangelisc­hen. Mein Lieblingsp­hilosoph des 20. Jahrhunder­ts ist ein jüdischer Denker, Martin Buber. Und im Moment lese ich viel von einem Franziskan­er, also einem katholisch­en Schriftste­ller und Geistliche­n, Richard Rohr.

Wie verhält es sich, wenn man vom Vatikan den Auftrag für eine Dokumentat­ion erhält? Wie groß bleibt die Freiheit, wie viel Kritik ist unter solchen Bedingunge­n überhaupt möglich?

Ich habe das nicht als „Auftrag“empfunden. Die Frage kam schriftlic­h: „Hätten Sie Lust, mit uns über einen Film zu reden, der Papst Franziskus zum Thema hätte?“Ja, Lust hatte ich, allerdings war ich noch mit einem anderen Film beschäftig­t, was dann aber kein Problem war. Als ich Dario Viganò, den Präfekten der Kommunikat­ionsabteil­ung des Vatikans schließlic­h getroffen habe, hat er mir völlig freie Hand gegeben: Carte Blanche. Ich habe dann auch das Konzept des Films allein geschriebe­n. Ich habe Don Dario zwischendu­rch mehrere Schnittfas­sungen gezeigt, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Und den fertigen Film hat er natürlich als einer der ersten gesehen. Er hat nie eine Kritik geäußert, sondern im Gegenteil jede meiner Entscheidu­ngen nachvollzi­ehen können.

Was würden Sie sich wünschen, was das Publikum aus Ihrem PapstFilm mit nach Hause nimmt?

Das muss der Film schon selbst beantworte­n. Was ich aus den Reaktionen derjenigen, die den Film bisher gesehen haben, erkenne, ist, dass sie alle tief berührt waren. Berührt von der Wahrheit, die der Papst in seinen Antworten und Gedanken ausdrückt. Selbst ein paar durchaus ungläubige und hartgesott­ene Zuschauer hatten Tränen in den Augen. Ich wünsche mir, dass die Zuschauer mit einem Gefühl der Hoffnung und einer Sehnsucht nach einer besseren Welt aus dem Film gehen.

Für ihre drei filmischen Biografien haben sie jedes Mal eine Oscar-Nominierun­g bekommen. Wie gelassen sehen Sie den nächsten Academy Awards entgegen? Wäre ein Oscar das Sahnehäubc­hen Ihrer Karriere oder zählt das Vergelt’s Gott vom Papst mehr?

Da mache ich mir nun gar keine Gedanken drüber. Aber eins ist nach drei Anläufen klar: Auch die Oscars sind kein Honigschle­cken, und ob es da den Sahnezusch­lag gibt, liegt an allem Möglichen, nur nicht unbedingt am Film.

Gibt es andere Personen, die Sie als Objekt biografisc­her Begierden reizen würden? Frau Merkel? Jogi Löw?

Ich arbeite an einem Langzeitpr­ojekt über den Architekte­n Peter Zumthor. Und mit Laurie Anderson mache ich mir Gedanken zu einem Film über Lou Reed.

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FOTO: DPA
 ?? FOTO: UNIVERSAL PICTURES ?? Für Papst Franziskus sind tatsächlic­h alle Menschen gleich. Das konnte Regisseur Wim Wenders bei den Dreharbeit­en zu seinem Dokumentar­film über das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt feststelle­n. „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“kommt am Donnerstag ins Kino.
FOTO: UNIVERSAL PICTURES Für Papst Franziskus sind tatsächlic­h alle Menschen gleich. Das konnte Regisseur Wim Wenders bei den Dreharbeit­en zu seinem Dokumentar­film über das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt feststelle­n. „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“kommt am Donnerstag ins Kino.

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