Aichacher Nachrichten

Er beseitigt oft die Spuren des Sterbens

Wenn Polizei und Bestatter fertig sind, fängt die Arbeit von Tatortrein­igern an. Der Beruf hat durch eine TV-Serie viel Aufmerksam­keit erhalten. Ein Augsburger berichtet von seinem Alltag

- VON JAN KANDZORA

Als Jörg Naumann noch neu war im Geschäft, wurde er einmal in eine Wohnung gerufen, in der eine verstorben­e Frau mehrere Wochen gelegen hatte. Er sollte etwas gegen die Fliegen dort unternehme­n. Und musste mit einer Gasmaske rein, so intensiv empfand er den Geruch. 1998 war das; Naumann hatte gerade angefangen, als Schädlings­bekämpfer zu arbeiten.

Heute bräuchte er in so einem Fall wohl keine Gasmaske mehr. Er hat vieles gesehen und erlebt, so schnell schockt ihn nichts. Naumann ist 56 und seit 2006 selbststän­dig. Er ist Tatortrein­iger. Sein Job ist es, Wohnungen so herzuricht­en, dass man nicht mehr merkt, dass vor Kurzem noch Tote in ihnen lagen. Er beseitigt die Spuren des Sterbens. Eigentlich ist es eine Berufsgrup­pe, die eher im Verborgene­n agiert, in der Diskretion eine große Rolle spielt. Zuletzt erfuhr sie durch die TV-Serie „Der Tatortrein­iger“allerdings ungeahnte Öffentlich­keit.

Naumann kann viele brutale Geschichte­n erzählen, wenn man ihn danach fragt. Da ist etwa der Fall eines Mannes, der seiner Freundin die Kehle durchgesch­nitten hatte, Blutspritz­er überall. Ein Suizid mit einer Böllerkano­ne. Mord und Totschlag. Dass Naumann in Wohnungen kommt, in denen Gewaltverb­rechen verübt wurden, ist freilich eher die Ausnahme. So viel Mord und Totschlag gibt es in der Region dann glückliche­rweise doch nicht, als dass es einen Tatortrein­iger mit Sitz in Augsburg voll auslasten würde.

Naumanns Hauptjob ist die Schädlings­bekämpfung, er kümmert sich um die Gebäude von etwa 40 Hausverwal­tungen, wie er berichtet. Oft geht es um weniger spektakulä­re Angelegenh­eiten: zum Beispiel. Taubenabwe­hr. Auch um verwahrlos­te Wohnungen, die er entrümpelt und aufräumt.

Da kann Naumann auch abseits der Tatortrein­igung viel erzählen. Ein Unternehme­n, dem durch Mäuse ein Schaden von 10000 Euro entstand. Messie-Wohnungen, verdreckt bis oben hin. Häuser von Menschen, die viele Tiere horten, ohne sich wirklich um sie zu kümmern, ohne sie mit ausreichen­d Nahrung zu versorgen oder ihre Hygiene zu gewährleis­ten.

Es sind oftmals auch Geschichte­n von gescheiter­ten Existenzen, von Menschen mit psychische­n Erkrankung­en, von Leuten, die am Rande der Gesellscha­ft stehen. Neulich zum Beispiel kam er in eine Wohnung, in der Jahre lang so gut wie nicht geputzt worden war, vielleicht Jahrzehnte lang nicht. Die Wände waren von Schimmel befallen, es roch übel. Solche Arbeit, sagt Naumann, decke sich durchaus mit der Tatortrein­igung. Es gehe um Biomasse, die verwest.

Das klingt distanzier­ter, als er es meint, denn die menschlich­en Schicksale hinter seinen Einsatzort­en beschäftig­en ihn schon, die Vereinsamu­ng vieler Menschen etwa. Ihre soziale Isolation, die dazu führt, dass man sie nach ihrem Tod erst nach Wochen findet. Naumann spricht zugleich sachlich und reflektier­t über seinen Beruf, den er ohne eine profession­elle Einstellun­g kaum ausüben könnte. Es ist nicht der erste, den Naumann erlernt hat. Er stammt aus der DDR, wo er KfzMechani­ker und später Berufssold­at war. Nach der Wende zog es ihn nach Bayern, er ließ sich zum Verund Entsorger ausbilden. 1998 sah er, dass eine Stelle bei einer Firma für Schädlings­bekämpfung frei war, so kam er in die Branche. 2002 beWespenne­ster endete er seine Ausbildung. Seine Aufgabe ist es nicht nur, sichtbare Spuren wie Blut oder Ungeziefer zu beseitigen, sondern auch den Geruch, der sich hartnäckig halten kann. Oft reicht es da nicht, Oberfläche­n mit Spezialrei­niger und Desinfekti­onsmittel zu behandeln. Einmal, erinnert er sich, musste er mehrere Quadratmet­er Estrich rausfräsen, es ging nicht anders.

Die TV-Serie „Der Tatortrein­iger“, die dem Beruf viel Aufmerksam­keit beschert hat, handelt von Schotty, gespielt von Bjarne Mädel, und seinen manchmal skurrilen, manchmal traurigen Begegnunge­n an Tatorten. Sie ist durchaus unterhalts­am, witzig und hintersinn­ig. Naumann kennt die Serie zwar, aber er verfolgt sie nicht. In eine Folge habe er mal reingescha­ut, sagt er. Mehr aber auch nicht. Was er dort gesehen habe, wirke auch nicht sehr realistisc­h.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Tatortrein­iger Jörg Naumann ist Spezialist für profession­elle Schädlings­bekämpfung. Er kümmert sich aber auch um Spezialrei­nigungen an Tatorten und entrümpelt verwahrlos­te Messie Wohnungen. Seit 2006 übt er den Beruf aus und hat seither hier in der...
Foto: Silvio Wyszengrad Tatortrein­iger Jörg Naumann ist Spezialist für profession­elle Schädlings­bekämpfung. Er kümmert sich aber auch um Spezialrei­nigungen an Tatorten und entrümpelt verwahrlos­te Messie Wohnungen. Seit 2006 übt er den Beruf aus und hat seither hier in der...

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