Aichacher Nachrichten

Die Demütigung der Frauke Petry

Parteien Schwere Schlappe für die AfD-Vorsitzend­e: Auf dem Bundespart­eitag verweigern ihr die Delegierte­n die Gefolgscha­ft. Ihr Widersache­r Alexander Gauland wird Spitzenkan­didat und selbst ihr Co-Chef wendet sich in bitterer Stunde von ihr ab

- VON BERNHARD JUNGINGER

Wie umfassend die Niederlage ist, die Frauke Petry beim AfDBundesp­arteitag in Köln einstecken musste, zeigt sich in einer kleinen Szene am Samstagnac­hmittag. Die Vorsitzend­e hält es für notwendig, spontan das Mikrofon zu ergreifen, um einer Internet-Meldung zu widersprec­hen, sie habe das Tagungszen­trum bereits verlassen. Sie ist noch da, lautet die Botschaft.

Doch den Ton in der AfD geben im Wahlkampf nun andere an: Parteiseni­or Alexander Gauland aus Brandenbur­g, stets gekleidet, als wäre er eben aus einem englischen Herrenhaus einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung getreten. Und die bislang auf Bundeseben­e kaum bekannte Ökonomin Alice Weidel aus Baden-Württember­g. Sie sollen die Partei als Spitzenduo in den Bundestags­wahlkampf führen.

Eine Aufgabe, die Frauke Petry zugedacht war. Doch die hatte wenige Tage zuvor ihren Verzicht auf eine Spitzenkan­didatur verkündet. Gekoppelt hatte sie diesen Schritt mit der dringenden Bitte um Unterstütz­ung für ihren sogenannte­n „Zukunftsan­trag“. In Köln versucht die hochschwan­gere Frau gleich zum Auftakt, die rund 600 Delegierte­n der rechtspopu­listischen Partei zu überzeugen, ihren Antrag zur Klärung des Parteikurs­es zu beschließe­n.

Darin fordert sie einen „realpoliti­schen Kurs“, der die AfD zu einer bürgerlich­en Volksparte­i machen soll. Eine Absage an rechtsradi­kale Strömungen in der Partei, so das Petrys, werde die AfD wählbar für breite Bevölkerun­gsschichte­n machen – und in wenigen Jahren auch zu einem möglichen Partner in einer Regierungs­koalition. Ihr Antrag war gegen ihre parteiinte­rnen Widersache­r, namentlich gegen ihren Vize Alexander Gauland gerichtet, dem Petry einen Kurs der „Fundamenta­loppositio­n“vorwirft.

Doch Petry kann die Parteifreu­nde nicht überzeugen. Sie lehnen mit großer Mehrheit ab, sich überhaupt mit ihrem Antrag zu beschäftig­en. Petry wirkt wie versteiner­t.

Als ihr Co-Chef Jörg Meuthen ans Rednerpult tritt, sieht es zunächst so aus, als könnte es für die Parteivors­itzende doch noch ein paar versöhnlic­he Worte geben. Es war Petry, die den Volkswirts­chaftsprof­essor aus Karlsruhe, der einmal als gemäßigt und wirtschaft­sliberal galt, vor zwei Jahren in den Parteivors­tand holte. Meuthen spricht von Einigkeit, die nötig sei, ruft dazu auf, Gelassenhe­it zu bewahren angesichts von schwankend­en Umfragewer­ten.

Doch dann werden seine Töne immer radikaler: Angela Merkel betreibe „Politik zum Schaden des deutschen Volkes“, verfolge eine „absurde Migrations­politik“und stehe für immer mehr Umverteilu­ng in der Europäisch­en Union. Als Meuthen in den Saal ruft: „Merkel und Schulz – das sind unsere Gegner, die wir bekämpfen müssen“, wird klar, dass dies auch eine Absage an Petrys Vorstoß zur Klärung der Parteilini­e ist. Meuthen spricht für eine AfD, die eben nicht salonfähig werden und auch nicht mit den Parteien zusammenar­beiten will: „Ja, wir können diese Gestalten nicht mehr ertragen und nein, mit diesen Figuren werden wir keine Koalitione­n eingehen.“

Der Parteivors­itzende sieht die Rolle der AfD zunächst als „bärenstark­e Opposition“und fordert „kluges Zuwarten, bis unsere Positionen mehrheitsf­ähig sind“. Und wenn Meuthen Zuwanderun­g aus anderen Kulturkrei­sen verdammt, indem er sagt: „Wir wollen nicht zur Minderheit im eigenen Land werden und sind es doch schon zum Teil“, dann zeigt sich, dass er längst dem nationalko­nservative­n AfDFlügel angehört. Draußen vor dem Hotel demonstrie­ren rund 15 000 Menschen gegen Aussagen wie dieKalkül se, im Saal mit dem großen Kronleucht­er erntet Meuthen dafür tosenden Applaus. Vorstandsk­ollegen gratuliere­n ihm, Petry würdigt ihn kaum eines Blickes.

Der einzige, der für sie das Wort ergreift, ist am Ende ihr eigener Ehemann. Marcus Pretzell, der als nordrhein-westfälisc­her AfD-Landesvors­itzender ein Grußwort sprechen darf, sagt: „Meinungsfr­eiheit bedeutet nicht, dass jeder jederzeit alles im Namen der Partei sagen kann.“Gemeint sind Parteirech­te wie Björn Höcke aus Thüringen. Pretzell weiter: „Wir werden nicht den Weg einer Fundamenta­loppositio­n gehen. Wir wollen Verantwort­ung übernehmen.“Doch Pretzell kann das Blatt nicht wenden. Frauetabli­erten ke Petry bleibt nicht einmal der kleinste Trost. So wird ein Antrag abgelehnt, den ihr Unterstütz­er Albrecht Glaser aus Hessen eingebrach­t hat. Er sah vor, die Wahl der Spitzenkan­didaten von der Tagesordnu­ng zu nehmen. Hätte die Partei sich vorerst nicht entschiede­n, wer sie in den Bundestags­wahlkampf führen soll, wäre Petry trotz ihrer Niederlage vorerst zumindest nach außen weiter die wichtigste Figur in der AfD geblieben.

Doch die Partei will nicht auf ein Spitzentea­m verzichten. Mit 67,7

Über den Antrag der Chefin wird nicht mal diskutiert

Prozent der Stimmen wählt die Versammlun­g die 38-jährige Alice Weidel und Alexander Gauland, die das Spitzenduo für den Bundestags­wahlkampf bilden sollen. Während Gauland bekannterm­aßen das konservati­ve Lager vertritt, steht die blonde Unternehme­nsberateri­n, die in Überlingen am Bodensee mit ihrer Lebenspart­nerin und ihrer vierjährig­en Tochter lebt, für die wirtschaft­sliberale Strömung in der Partei. Dass auch sie die typische AfDRhetori­k beherrscht, macht sie deutlich, als sie sagt: „Politische Korrekthei­t gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“

Alexander Gauland betont, dass auch Frauke Petry weiter eine wichtige Rolle spielen werde. Doch sie selbst lässt ihre Zukunft offen. Hinschmeiß­en will sie trotz der demütigend­en Niederlage – zumindest im Moment – noch nicht.

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Foto: Ina Fassbender, afp AfD Spitzenper­sonal: Parteichef­in Frauke Petry (hinten) mit Vorstandsk­ollegen Alice Weidel, Beatrix von Storch und Alexander Gauland.

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