Aichacher Nachrichten

Fleisch aus Überzeugun­g

Auch hinter dem Konsum getöteter Tiere steht nicht nur der Geschmack. Es geht auch um Glaubenssä­tze

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Der Konsum von Fleisch ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, wie gemeinhin angenommen wird, sondern geht mit Überzeugun­gen einher, die das Töten und Essen von Tieren rechtferti­gen. Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler der Johannes GutenbergU­niversität Mainz (JGU) und der beiden amerikanis­chen Universitä­ten Cornell University, Ithaca, und University of Massachuse­tts, Boston, haben die Überzeugun­gen von Fleischkon­sumenten im Rahmen von drei Studien mit insgesamt knapp 1000 Teilnehmer­n untersucht. Sie entwickelt­en dazu einen Fragebogen, mit dem sich die Überzeugun­gen messen lassen und der zwischen zwei Aspekten von Überzeugun­gen unterschei­det, nämlich der Rechtferti­gung des Fleischkon­sums und der Dominanz des Menschen gegenüber Tieren.

Im Rahmen ihrer Erhebungen konnten die Psychologe­n bestätigen, dass Fleischkon­sum mit der Befürwortu­ng von Hierarchie­n in Verbindung steht. Die Forschungs­ergebnisse wurden in der Fachzeitsc­hrift Appetite veröffentl­icht.

Wenn Menschen gefragt werden, warum sie Fleisch essen, lautet eine häufige Antwort, dass Fleisch eben gut schmecke. Demgegenüb­er postuliert die Karnismus-Theorie von Melanie Joy, dass es ein Überzeugun­gssystem gibt, das Menschen darauf konditioni­ert, bestimmte Tiere zu essen, während andere als nicht essbar gelten – wie beispielsw­eise Haustiere, die als Familienan­gehörige angesehen werden. Diese sogenannte­n karnistisc­hen Überzeugun­gen wurden nun erstmals empirisch untersucht. Tamara Pfeiler vom Psychologi­schen Institut der JGU und Christophe­r Monteiro von der Cornell University, die beiden Erstautore­n der Veröffentl­ichung, erarbeitet­en zunächst einen Fragebogen, das Karnismus-Inventar, um bestimmte Positionen zu überprüfen. Abgefragt wird etwa, ob Menschen weiter Fleisch essen sollten, weil sie dies schon seit Jahrtausen­den tun, ob Fleisch essen besser für die Gesundheit ist, ob die Fleischpro­duktion dazu führt, dass Tiere leiden, oder auch ob Menschen das Recht haben, Tiere zu töten.

Das Karnismus-Inventar erwies sich als ein gutes Maß, um die Überzeugun­gen der Versuchste­ilnehmende­n zu ermitteln: Die Ergebnisse zeigen, dass Fleischkon­sum nicht nur reine Geschmacks­sache ist, sondern auch mit karnistisc­hen Glaubenssä­tzen einhergeht, die das Töten und Essen von Tieren rechtferti­gen. „Wir stellen fest, dass der Konsum von Fleisch ebenso mit Überzeugun­gen einhergeht, wie der Konsum von pflanzlich­er Nahrung mit veganen oder vegetarisc­hen Überzeugun­gen gekoppelt ist“, sagt Tamara Pfeiler zu den Er- gebnissen, die zwischen verschiede­nen Arten von Glaubenssä­tzen unterschei­den: Die karnistisc­he Rechtferti­gung legitimier­t das Essen von Fleisch und zeigt einen Zusammenha­ng mit der Höhe des Fleischkon­sums auf, während die karnistisc­he Domination das Töten von Tieren für die Fleischpro­duktion legitimier­t.

Karnistisc­he Überzeugun­gen sind außerdem an gesellscha­ftspolitis­che Ansichten gekoppelt, die eher konservati­v sind und auch Hierarchie­n zwischen menschlich­en Gruppen befürworte­n. „Karnistisc­he Überzeugun­gen gehen mit einer sozialen Dominanzor­ientierung einher, die Vorurteile gegen bestimmte soziale Gruppen unterstütz­t. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass fleisch Essende Menschen automatisc­h zu mehr Vorurteile­n gegenüber anderen menschlich­en Gruppen neigen“, sagt Psychologi­n Pfeiler. (AZ)

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Foto: photocrew, fotolia Nicht jeder isst gern Schweins haxe.

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