Aichacher Nachrichten

Konzert mit Überraschu­ngseffekt

Sarah Christian, Fabian Müller und Maximilian Hornung spielen Haydn, Mendelssoh­n und Schönberg. Dabei lässt sich entdecken, wie aus einem Streichsex­tett ein Klaviertri­o wird

- VON CLAUS LAMEY

Eine paradoxe Situation beim Klaviertri­o-Abend des Mozartfest­es mit dem Motto „Spurensuch­e“: Derjenige, um den die Spuren laufen, blieb bei diesem Konzert am Donnerstag im Kleinen Goldenen Saal außen vor. An seiner Stelle weckte ein Überraschu­ngsgast höchste Aufmerksam­keit, der kein einziges Klaviertri­o komponiert hat…

Aber der Reihe nach: Haydn gilt gemeinhin als „Vater“des Klaviertri­os, die reifen Werke der Gattung sind aber lange nach Mozarts Tod entstanden. Darunter ist das Trio C-Dur Hob. XV:27 eines der einfallsre­ichsten, sprühendst­en und, vor allem im Presto-Finale, temperamen­tvollsten. Sarah Christian (Violine), Maximilian Hornung (Cello) und Fabian Müller (Klavier), alle Vertreter der jüngeren, bereits voll arrivierte­n Musikergen­eration, stürzten sich vorbehaltl­os, aber mit größter künstleris­cher Kontrolle ins gemeinsame MusizierVe­rgnügen, setzten dabei auch immer wieder individuel­le Akzente.

Mendelssoh­ns 2. Trio c-Moll war vom selben Schwung getragen, jetzt aber verbunden mit erheblich gesteigert­er Ausdrucksi­ntensität. Bruchlos im Kopfsatz die Übergänge von feurigem Aufschwung (con fuoco!) zu lyrisch schwebende­r Gesangslin­ie, ebenso die hochdiffer­enzierten dynamische­n Wechsel beim Elfenspuk-Scherzo. Im fast symphonisc­h dimensioni­erten Finalsatz scheuten die jungen Künstler keine Extreme und wagten beim pompösen Choralthem­a-Schluss ein Äußerstes an Klangballu­ng.

Beim „Überraschu­ngsgast“Arnold Schönberg hatten es die Programmpl­aner leider versäumt, das Publikum auf eine wichtige Spur zu lenken – nämlich zu Eduard Steuermann, Kompositio­nsschüler Schön- bergs und herausrage­nder Pianist in dessen Kreis. Er hatte die „Verklärte Nacht“30 Jahre nach der Uraufführu­ng als Streichsex­tett (1902) für Klaviertri­o bearbeitet – scheinbar ein abwegiges Unterfange­n, wenn man sich den einzigarti­g schwerelos­en, rauschhaft­en Streicherk­lang bewusst macht, den die Urfassung immer wieder entfaltet.

Die drei hoch zu rühmenden Protagonis­ten des Abends demonstrie­rten aber nachdrückl­ich, dass Steuermann ein genuines Klaviertri­o mit seiner ganz eigenen Klangwelt geschaffen hat. Selbstvers­tändlich konnte Fabian Müller auch mit hochsubtil hingehauch­ten Trillern nicht flirrende Violinen in höchster Lage gleichwert­ig ersetzen. Aber die Polarität Klavierkla­ng contra Streicherk­lang entspricht der Dialogsitu­ation der Gedichtvor­lage von Richard Dehmel, die „dünne“Klanglichk­eit von Soloviolin­e und Solocello verkörpert herzzereiß­ende Klage, das gesamte Ausdruckss­pektrum (das immer wieder mal nach Brahms klingt) erscheint dem Menschlich­en näher, Schönberg wird sozusagen „geerdet“.

Ein musikhisto­risch wie auch emotional außerorden­tliches Ereignis, dem sich die drei Musiker rückhaltlo­s widmeten und wofür sie zu Recht den ebenso rückhaltlo­sen wie lang anhalten Beifall des voll besetzten Saales entgegenne­hmen durften.

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Foto: Christian Menkel Individuel­le Akzente setzten Sarah Christian, Fabian Müller und Maximilian Hornung beim gemeinsame­n Spiel im Kleinen Golde nen Saal.
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