Woher die Luft zum Atmen kommt
Bei einer Rundwanderung mit dem Landesbund für Vogelschutz entdecken Interessierte die Besonderheiten des Ebenrieder Forstes bei Pöttmes. Dabei erfahren sie viel darüber, warum der Wald so wichtig ist
Die alte Buche sticht kaum aus ihrem Umfeld hervor. Eingebettet in ein Meer aus Brennnesseln und Holundersträuchen fällt hauptsächlich der mächtige Stamm ins Auge, der sich in seiner dunkelgrauen Farbe und seinem Umfang von den schmalen Bäumen abhebt. Auf den zweiten Blick offenbart sich dann, vor welcher Rarität man steht.
„Sie ist sicher 80 bis 100 Jahre alt“, erklärt Gustav Herzog. Der Vorsitzende der Kreisgruppe Aichach-Friedberg im Landesbund für Vogelschutz blickt hinauf zur Krone. Mit einer Höhe von etwa 20 Metern nimmt die Buche einen gewaltigen Raum ein. Sie gehört zu den Besonderheiten des Ebenrieder Forstes, die am Samstag die Teilnehmer einer Rundwanderung mit Angela Heinrich-Jung entdecken.
20 Teilnehmer haben sich zusammengefunden und schlendern plaudernd über die Kieswege, während Heinrich-Jung ihr Wissen mit ihnen teilt. Die Gesundheitspädagogin ist in der Umgebung aufgewachsen und hat den Wald früh zu schätzen gelernt. Mit seinen 1300 Hektar ist er der größte zusammenhängende Forst im Landkreis und wertvoll für die Region. Das Wasservorkommen, das gefiltert durch harte Gesteinsschichten im Boden sehr rein ist, versorgt über 5000 Menschen und umliegende Flüsse. Als Wirtschaftswald und Eigentum von Staat, Kommune, Kirche und 290 Privatbesitzern werden neben dem Holzabbau auch Fischereien und Imkereien betrieben. Doch alle sind sich einig: Der Ebenrieder Forst ist es wert, geschützt und gepflegt zu werden. Die alte Buche ist ein gutes Beispiel dafür. Ihr gerader Stamm, der bis zu 20 Meter in die Höhe ragt, ergäbe nicht nur eine große Menge an Holz, sondern er nimmt auch mit seiner Krone anderen Bäumen das Licht weg. Doch ebendiese Krone mit ihren unzähligen Blättern arbeitet unablässig, es kann sich eine Absorptionsfläche bis über tausend Quadratmeter ergeben. „Eine 80bis 100-jährige Buche kann in einem Jahr so viel Sauerstoff produzieren, wie ein Erwachsener 13 Jahre lang zum Atmen benötigt“, verdeutlicht Angela Heinrich-Jung. „Schnaufen Sie tief ein, es ist gesund.“
Um das zu belegen, hat sie die Studie koreanischer Wissenschaftler parat. Laut ihnen erhöhe der Aufenthalt im Wald die Anzahl an Killerzellen im Körper und stärke so- mit das Immunsystem. Warum, ist noch nicht belegt. Fakt ist, Bäume filtern die Luft von Feinstaub, feuchten sie an und versetzen sie mit Sauerstoff. Es atmet sich ausgezeichnet im Ebenrieder Forst, da sind sich alle Teilnehmer einig. Weit weg vom Straßenlärm, inmitten rauschender Baumwipfel und Brombeerblüten, Bienen und Admiralfaltern, fängt die Erholung an.
Sabine Schumacher ist mit ihren beiden Kindern Frida und Lennart dabei, die ausgelassen durch das Unterholz jagen. „Mir ist wichtig, die Natur zu achten“, sagt die Mutter. „Und sie mit allen Sinnen wahrzunehmen.“In einer Schneise zwischen den Bäumen wird lilafarbener Fingerhut bestaunt, an Melisse und Holunderblüten geschnuppert oder klebriges Labkraut befühlt. Gertrud Bronhuber blinzelt entspannt in die Sonne. „Hier kann ich gedankenlos werden“, lächelt sie.
Am Ende der ausgedehnten Wanderung teilt Angela Heinrich-Jung noch selbst gemachte Holunderblütensirup-Schorle an die Mitwanderer aus und Honigbrote – mit Honig aus dem Ebenrieder Forst. Und alle empfinden, was Heinrich-Jung in einem Satz zusammenfasst: Es geht sich vielleicht schwer und getragen in den Wald hinein, aber mit leichterem Herzen wieder hinaus – aus welchen wissenschaftlichen Gründen auch immer.
Es geht sich vielleicht schwer und getragen in den Wald hinein, aber mit leichterem Herzen wieder hinaus.