Aichacher Nachrichten

„Das waren kranke Motoren“

Im Diesel-Skandal schimpft Porsche-Betriebsra­tschef Uwe Hück auf die Audi-Spitze. Jetzt drohen auch noch Kartellver­stöße. Die Politik verliert deshalb langsam die Geduld mit der Autoindust­rie

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Der Streit um die Manipulati­on von Diesel-Abgaswerte­n entzweit inzwischen auch das VW-Imperium. Bei der Aufarbeitu­ng der Dieselkris­e im VW-Konzern verschärft sich der Konflikt zwischen Porsche und Audi. Porsche-Betriebsra­tschef Uwe Hück sieht sein Unternehme­n hintergang­en und fordert die Entlassung von Vorständen bei der Schwester Audi. Von Audi gingen große 3,0-Liter-Dieselantr­iebe an Porsche und VW. Dies seien „kranke Motoren“gewesen, sagte Hück.

Namentlich nannte Hück zwar keine einzelnen Vorstände. AudiChef Rupert Stadler und dessen Kollegen sind aber derzeit unter Beschuss. Berichten zufolge könnte im September ein größerer Umbau der Führungsri­ege anstehen. Hück sagte zu der manipulati­ven Abgas-Software: „Dieses Krebsgesch­wür muss jetzt endlich richtig behandelt werden, und zwar nicht mit Puder, sondern mit Chemothera­pie.“Er wünsche sich, „dass die Herren Vorstände für den Schaden zahlen müssen, den sie angerichte­t haben“.

Ein neuer Verdacht geheimer Absprachen deutscher Autobauer zum Schaden von Verbrauche­rn und Zulieferer­n droht indes zu einer weiteren Gefahr für die Branche zu werden. Knapp zwei Wochen vor einem Berliner Spitzentre­ffen zur Frage, wie überhöhte Werte von Stickoxid gesenkt werden sollen, berichtet der Spiegel über ein Autokartel­l. Demzufolge sollen Vertreter von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler sich seit den 90er Jahren über Technik, Kosten und Zulieferer verständig­t haben. Die EUKommissi­on prüft solche Hinweise, wie sie am Samstag bestätigte. In der Politik schwindet nun das Verständni­s mit den Auto-Hersteller­n. Und das gilt nicht nur für Parteien wie die Grünen.

Selbst in Bayern, wo BMW und Audi ihren Sitz haben, kritisiere­n CSU-Politiker die Autobauer. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt sagte, „kartellrec­htliche Absprachen wären eine zusätzlich­e Belastung für die Thematik, die wir gerade mit der Automobili­ndustrie haben“. Die Kartellbeh­örden müssten ermitteln, die Vorwürfe detaillier­t untersuche­n und gegebenenf­alls notwendige Konsequenz­en ziehen. Bayerns CSU-Ministerpr­äsident Horst Seehofer forderte schnellstm­ögliche Aufklärung. „Was schiefgela­ufen ist, muss aufgeklärt wer- sagte er am Samstag. Das Thema erschwere die Gespräche mit der Autoindust­rie zur Reduzierun­g von Dieselabga­sen. Seehofer bemüht sich, durch eine Reihe an Maßnahmen wie die Förderung des öffentlich­en Nahverkehr­s Fahrverbot­e für Dieselauto­s zu vermeiden.

Treffen die Vorwürfe zu, steht illegales Kartellver­halten im Raum. Mit solchen Absprachen können Preise gegenüber Kunden künstlich hochgehalt­en oder gegenüber Zulieferer­n gedrückt werden. Die Grünen im Bundestag verlangen jetzt ein Sondertref­fen des Verkehrsau­sschusses. Beantragt werde „eine kurzfristi­g einzuladen­de Sondersitz­ung für Ende Juli“, kündigte Verkehrspo­litiker Oliver Krischer an. Man wolle so Klarheit über die möglichen „Machenscha­ften des Autokartel­ls“bekommen, die – sollten sie sich bestätigen – „ungeheuerl­ich“seien.

Der Spiegel stützte seine Darstellun­g auf einen Schriftsat­z, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerb­shütern eingereich­t haben soll. Daimler habe ebenfalls eine „Art Selbstanze­ige“hinterlegt. Konkreter Hintergrun­d sind Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreis­en. Im Sommer 2016 hatte es Durchsuchu­ngen gegeben. Auch für die Zukunft des Diesels drohen die Recherchen zur Belastung zu werden. Bei den Absprachen soll es auch um Technik zur Reinigung von Dieselabga­sen gegangen sein – und um die Festlegung auf kleinere, aber billiden“, gere Tanks für das Mittel AdBlue. Mit der Substanz werden gefährlich­e Stickoxide in Wasser und Stickstoff aufgespalt­en. BMW aber wehrt sich: „Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichen­de Abgasreini­gung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehme­n entschiede­n zurück. Fahrzeuge der BMW Group werden nicht manipulier­t und entspreche­n den jeweiligen gesetzlich­en Anforderun­gen.“

Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r hält den Kartellver­dacht für eine bedrohlich­e Entwicklun­g. Falls vereinbart werde, das Verhalten bei Grenzwerte­n zu Umweltaufl­agen abzustimme­n, wäre das für die deutsche Autoindust­rie, „aber auch für die Politik in Berlin und in Brüssel der Super-GAU, ein Erdrutsch“, sagte der Professor der Uni Duisburg-Essen. Sein Kollege Stefan

CSU Chef Horst Seehofer fordert schnelle Aufklärung

Bratzel sagte: „Insgesamt darf die deutsche Politik künftig keine falsch verstanden­e Rücksicht mehr auf die Automobili­ndustrie nehmen.“

Daimler sprach angesichts der Kartell-Vorwürfe von „Spekulatio­nen“, VW-Chef Matthias Müller von „Sachverhal­tsvermutun­gen“. Der VW-Betriebsra­t dringt allerdings auf eine außerorden­tliche Aufsichtsr­atssitzung. Ein Sprecher sagte am Sonntag, der Vorstand sei in der Pflicht, das Aufsichtsg­remium umfassend zu informiere­n. „Das ist bislang nicht geschehen.“

Jan Petermann/Felix Frieler, dpa

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Foto: Bernd Weissbrod, dpa Hat kein Verständni­s für Schummelmo­toren von Audi: Porsche Betriebsra­tschef Uwe Hück.

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