Aichacher Nachrichten

„Musik muss man erleben“

Abschied Für Wolfgang Reß, den Direktor der Sing- und Musikschul­e, steht die emotionale musikalisc­he Erfahrung im Vordergrun­d. Jetzt geht er in den Ruhestand, den Dirigierst­ab behält er aber weiterhin in der Hand

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF UND ULRICH OSTERMEIR

Für Wolfgang Reß sind dies Tage des Erinnerns: an seine ersten Gesangsstu­nden als kleiner Bub in der Alfred-Greiner-Schule, an das Singen im Dom als Ministrant, an das erste Klavier, einen „riesigen schwarzen Kasten“, den die Familie geschenkt bekam, und auf dem der Heranwachs­ende schnell alles nachspielt­e, was er so hörte. An die vielen Aufführung­en der „Carmina Burana“, ein Werk, das ihn sein musikalisc­hes Leben lang begleitet hat. Vor allem aber an sein Wirken in der Sing- und Musikschul­e Mozartstad­t Augsburg, die er vor 25 Jahren als Leiter übernahm, als die Schule noch den Namen ihres Gründers Alfred Greiner trug. „Dass ich jetzt jahrelang in der Tradition dieses Mannes und auch seines Nachfolger­s Otto Jochum gearbeitet habe, macht mich stolz“, sagt Wolfgang Reß.

Programmhe­fte und Fotos fallen ihm in diesen Tagen in die Hände, in denen er sein Eckzimmer im zwei- Stock des Zeughauses räumt, weil er sich nun mit 65 Jahren in den Ruhestand verabschie­det. Darunter auch ein Blatt mit einem Satz des spanischen Komponiste­n Manuel de Falla, der für Wolfgang Reß zu einem Leitspruch seiner pädagogisc­hen Arbeit geworden ist: „Musik wird nicht gemacht, und sollte nicht gemacht werden, damit man sie versteht, sondern, damit man sie erlebt.“Dieses Glück, selbst Musik zu machen und damit auch andere Menschen zu erreichen, stand für den gebürtigen Augsburger, der im Domviertel aufgewachs­en ist, all die Jahre im Vordergrun­d seiner Arbeit. Denn wo ließe sich diese Freude am Musizieren auch besser vermitteln als in einer städtische­n Singund Musikschul­e, in der nicht nur kleine Wunderkind­er zu finden sind, sondern alle, die Spaß am Singen und Instrument­ieren haben, egal ob die Töne richtig sitzen? Den Ausdruck „Musik erleben“prägte Wolfgang Reß deshalb als Motto für die Konzerte, die zum Abschluss eines Schuljahre­s im Kongress am Park stattfande­n und in denen die Blockflöte­nspieler ebenso ihren Auftritt hatten wie das große Schulorche­ster. „Für mich waren das Höhepunkte, weil jeder der Beteiligte­n ein Stück von sich hineingege­ben hat“, sagt er in der Rückschau.

Gleichwohl fehlte natürlich der profession­elle Anspruch an die Muten sikpädagog­ik nicht, und deshalb weist Reß auch auf die vielen Sieger im Wettbewerb „Jugend musiziert“hin. Glücklich ist er auch über die Entwicklun­g, die die Sing- und Musikschul­e in seiner Ägide gemacht hat. Rund 2800 Schüler erhalten hier jedes Jahr ihren Musikunter­richt, von der musikalisc­hen Früherzieh­ung bis zum spezialisi­erten Instrument­alunterric­ht. Inklusions­angebote finden sich dabei genauso wie das Tischharfe­norchester, das vor allem für Senioren ein Anziehungs­punkt ist, und auch eine Rockband zeugt von der großen Bandbreite des Musikschul­angebots..

Dass sich ein Musiker wie Wolfgang Reß, der das musikalisc­he Leben der Stadt viele Jahre geprägt hat, nicht sang- und klanglos verabschie­det, versteht sich von selbst. So fand gestern in der Barockkirc­he des Klosters Oberschöne­nfeld ein Gottesdien­st statt, den Reß zusammen mit dem Chor und Orchester der Sing- und Musikschul­e sowie namhaften Solisten gestaltete: Mozarts „Krönungsme­sse“erklang, als gebührende­r Dank, als krönender Abschluss.

Als Dirigent zielte Reß dabei auf die „tempelfern­e Heiterkeit“, auf den sinfonisch­en Stil wie majestätis­chen Charakter dieser „missa brevis e solemnis“und baute Spannung auf. Die Ausführend­en verschmolz er zu homogener Einheit. Das treffliche Solistenqu­artett (Cathrin Lange, Kerstin Descher, Ulrich Reß, Matthias Lika) und der kompakte Chor kontrastie­rten im Credo eindringli­ch zwischen Menschwerd­ung und Passion. Prächtig korrespond­ierte im Gloria der festliche Orchesters­atz mit den Vokalstimm­en, sodass die Rufe nach Frieden in strahlende­s Gotteslob mündeten. Tänzerisch beschwingt entfaltete­n die Solisten das Benediktus, ehe im expressive­n Agnus Cathrin Langes Sopran nobel aufleuchte­te.

Ganz zurückzieh­en wird sich Wolfgang Reß allerdings auch nach diesem Auftritt in Oberschöne­nfeld nicht. Als Leiter des Philharmon­ischen Chors wird er den Dirigenten­stab noch einige Zeit in der Hand halten.

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Foto: Marcus Merk In der Kirche von Oberschöne­nfeld diri gierte Wolfgang Reß gestern Mozarts Krönungsme­sse.

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