Aichacher Nachrichten

Die neuen Vorbilder aus dem Netz

Influencer werden oft gut bezahlt, um im Internet Produkte zu präsentier­en. Meist ist dabei aber nicht ersichtlic­h, dass es sich um Werbung handelt. Das könnte sich jetzt ändern

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Neulich hat Pamela Reif ein Foto aus ihrer Küche gepostet. Darauf sitzt sie auf einem Hocker, den Fuß des linken Beins lässig unter dem rechten Oberschenk­el. In der Hand hält die 21-Jährige einen Protein-Shake. Eine alltäglich­e Szene, wären da nicht diese zwei Protein-Packungen im Hintergrun­d, der Name des Hersteller­s gut lesbar. Der Schnappsch­uss, den Reif auf der Foto-Plattform Instagram mit ihren Fans geteilt hat, ist eigentlich ein Werbebeitr­ag. Ganz am Ende des Beitrags steht klein und unauffälli­g: #ad, kurz für advertisem­ent, zu Deutsch: Werbung.

Pamela Reif ist die bekanntest­e „Influencer­in“Deutschlan­ds, eine Art moderne Meinungsma­cherin aus dem Internet also. Sie zeigt auf Instagram oder Snapchat, was sie anhat, was sie isst, wohin sie reist oder wie ihr Fitnesspro­gramm aussieht. 3,1 Millionen Menschen schauen sich das regelmäßig an, schicken ihr digitale Herzchen und schreiben unter die Fotos: „Cute“, „beautiful“oder „so hübsch!“.

Das Leben, das Reif ihren Abonnenten auf Instagram zeigt, wirkt ähnlich makellos wie ihre stets perfekt frisierten Haare. Reif ist oft im Urlaub, sie macht viel Sport und führt gerne Kleidung vor, die sie zu- geschickt bekommen hat. Was ihre Fans nicht sehen, sind die vielen Verhandlun­gen und Absprachen, die hinter ihren Fotos stecken. Denn Influencer, das ist längst ein Beruf geworden, nicht anders als Schauspiel­er, Sänger oder Entertaine­r. Genau wie in diesen Branchen gibt es auch hier spezielle Agenturen, die sich um die Vermittlun­g der Meinungsma­cher kümmern. Und die Unternehme­n, die ihre Produkte so präsentier­en lassen, bezahlen dafür viel Geld. Wie viel ein Influencer für einen einzelnen Post, also ein Bild oder einen kurzen Videobeitr­ag, bekommt, lässt sich pauschal kaum sagen. Branchenke­nner sprechen von Summen zwischen 150 und 10000 Euro, je nach Produkt, Reichweite und Umfang der Kooperatio­n. Stars wie die Sängerin Selena Gomez oder Fußballer Cristiano Ronaldo sollen sogar bis zu einer halben Million Dollar pro gesponsert­em Instagram-Beitrag bekommen.

Zu Dominik Schütte kommen regelmäßig Firmen, die ihre Produkte über Influencer vermarkten wollen. Schütte arbeitet für die Münchner Kreativ-Agentur Plan.Net. Er sagt: „Influencer sprechen Menschen an, die über das Fernsehen oder klassische Werbung kaum noch erreicht werden.“Klaus-Dieter Koch sieht das ähnlich – auch wenn das Prinzip eines Meinungsma­chers für ihn alles andere als neu ist. „Es gab schon immer Influencer“, sagt Koch, der die Nürnberger Beratungsf­irma Brandtrust führt. „Früher war das das Vorbild in der Schule oder der Sportheld, den man bewundert hat.“Der Unterschie­d sei nur, dass durch die Digitalisi­erung heute jeder, der sich gut artikulier­en kann, zum Influencer werden könne.

Je lukrativer das Geschäft mit den Internet-Stars wird, desto offensicht­licher werden aber auch die Probleme. Denn viele Influencer kennzeichn­en ihre Werbebeitr­äge ähnlich zurückhalt­end wie Pamela Reif. Was in einem anderen Kontext längst als Schleichwe­rbung verurteilt worden wäre, gehört auf Youtube oder Instagram zum Alltag. Das könnte sich allerdings bald ändern. Ein Urteil des Oberlandes­gerichts Celle hat die Branche in diesem Sommer aufgeschre­ckt. Die Richter kritisiert­en die Drogerieke­tte Rossmann, in deren Auftrag ein bekannter Influencer Werbung für eine Rabattakti­on gemacht hatte. Dass es sich um eine bezahlte Kooperatio­n handelte, wurde erst am Ende des Beitrags deutlich, wieder durch den Hashtag #ad. Das reichte den Richtern nicht. Stattdesse­n machten sie klar, dass der kommerziel­le Charakter sofort erkennbar sein müsse. Hält sich Rossmann in Zukunft nicht daran, droht dem Konzern ein Ordnungsge­ld von 250000 Euro.

Seitdem das Urteil publik wurde, sind viele Influencer vorsichtig­er geworden. Auf Instagram sind Beiträge nun häufiger mit dem Hinweis „Bezahlte Partnersch­aft“versehen – ein notwendige­r Schritt, findet Dominik Schütte. „Wir waren immer dafür zu kennzeichn­en, denn es birgt keine Nachteile.“Soll heißen: Die meisten Fans stören sich ohnehin nicht daran. „Die haben einen guten Bullshit-Detector.“Sie merken also seiner Meinung nach, wenn ihnen etwas vorgespiel­t wird oder der Influencer ein Produkt vermarktet, hinter dem er nicht steht.

Das musste auch Mandy Capristo erfahren, als sie wie viele andere Prominente auf Instagram für das Waschmitte­l Coral warb. Die ehemalige „Monrose“-Sängerin ließ sich in einem weißen Spitzenkle­id auf dem Fahrrad fotografie­ren. Im Fahrradkör­bchen: ein Strauß Wiesenblum­en – und eine Flasche Coral. Das übermäßig inszeniert­e Foto wurde auf Instagram prompt verspottet. „So schlecht gemachte Werbung“, schrieb etwa ein Fan, „hast du doch gar nicht nötig.“

Ein Gerichtsur­teil hat die Branche aufgeschre­ckt

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Fotos: Instagram/AZ Screenshot Gut bezahlte Schnappsch­üsse: Unsere Bilder zeigen Instagram Beiträge, auf denen mal mehr oder weniger offensicht­lich ein Produkt oder eine Marke beworben wird (im Uhr zeigersinn): die Influencer Pamela Reif, Caro Daur, Mandy Capristo, Stefanie...
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