Aichacher Nachrichten

Tipsiles und die Erfindung des Schießpulv­ers

Wie der Mann mit dem grünen Turban die Stadt Augsburg vor Feinden gerettet haben soll / Serie (49)

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Augsburg Das Schießpulv­er haben angeblich die Chinesen erfunden. Dass die Wahrheit vielmehr auf der anderen Seite der Welt, in Augsburg, zu finden ist, lässt sich vermuten, wenn man sich fragt, woher das Pulvergäßc­hen seinen Namen hat. Paul von Stetten, der letzte Stadtpfleg­er der Stadt Augsburg, berichtete bereits 1779, dass ein Jude namens Tipsiles im Jahr 1353 das Pulver erfunden habe.

Aber wer war jener Jude Tipsiles? Der Jüdisch-Historisch­e Verein hat die Legende zusammenge­tragen: Anfang des 14. Jahrhunder­ts habe ein fremdartig­er Neubürger schon durch sein äußeres Erscheinun­gsbild Aufsehen in Augsburg erregt. Einen grünen Turban habe er getragen, dazu einen wuchtigen Bart. Sein finster dreinblick­ender Diener sei ihm niemals von der Seite gewichen. Und nachts habe der Mann nicht nur den Himmel beobachtet, sondern auch noch Blitze heraufbesc­hworen. Unter den Bürgern ging das Gerücht herum, hier müsse es sich um einen Hexer handeln, und man entschied sich zur Anzeige. Der Rat der Stadt aber hatte andere Probleme, Augsburg wurde gerade von Feinden bedroht. Und so handelte man schwäbisch-pragmatisc­h: Man könne ja „den gelehrten Fremden in seinem Dachstüble­in einmal befragen, ob der nicht Hilfe in solcher Not wüßt“, wie es Journalist und Lokalhisto­riker August Vetter (1862-1923) im Feuilleton in der „Neuen Augsburger Zeitung“formuliert­e.

Als man den Unbekannte­n daraufhin fragte, mischte der sogleich ein paar Pulver zusammen, trat ans Fenster, legte einen Stein auf das Gemisch und entzündete es. Es kam zur Explosion und einigem Schreck bei den Ratsherren. Als sich der Rauch verzogen hatte, wies draußen die blecherne Wetterfahn­e ein großes Loch auf. Mit dieser Waffe rettete der Fremde mit dem Namen Tipsiles Augsburg angeblich aus der Belagerung und zum Dank spendierte die Stadt ihrem Retter in der Not ein Grundstück in der Jakobervor­stadt. Aus dieser Zeit könnte also der Name Pulvergäßc­hen stammen.

Das Stadtlexik­on hat eine weniger spektakulä­re Anekdote zu der kleinen Straße zu erzählen. Nachweisli­ch stand dort im 16. Jahrhunder­t eine Pulvermühl­e zur Deckung des städtische­n Pulverbeda­rfs. Da diese aber im Lauf der Zeit einige Male explodiert­e, verlagerte man die Schwarzpul­verprodukt­ion 1745 vor die Grenzen der Stadt. Mehr sei an diesem Ort damals nicht gewesen.

Ob Tipsiles nun tatsächlic­h als Erfinder des Schwarzpul­vers zu bezeichnen und Augsburg Zeuge ist, oder ob es nicht doch die Chinesen waren, bleibt weiter offen. Historisch gesehen gibt es ohnehin noch viele Anwärter auf diese Erfindung. Für- und Widersprec­her findet man unter den Historiker­n für alle der Theorien. Manches aber bleibt vermutlich für immer im Pulverdamp­f der Jahrhunder­te verborgen.

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Foto: Michael Hochgemuth Eine Büste des Tipsiles ist an der Wand neben dem Eingang zur Goldschmie­de kapelle in der St. Anna Kirche in Augs burg zu sehen.
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