Die Fahrzeugindustrie ist am Zug
Baureferent Gerd Merkle sagt, wie die Stadt auf die Zunahme der Unfälle mit Radlern reagieren kann. Er nimmt auch Stellung zur Kreuzung, an der Rosemarie Wirth verunglückt ist
Unfälle, die für Radfahrer teils tödlich enden, passieren im Stadtgebiet immer wieder. Wie reagiert die Stadt darauf? Gerd Merkle: Die Stadt bekennt sich zu einer Förderung des Radverkehrs als nachhaltigen Verkehrsträger. Vor diesem Hintergrund wird auch die Unfallsituation im Radverkehr kontinuierlich beobachtet, im Rahmen einer eigenen Unfallkommission für den Radverkehr unter Beteiligung der Polizei analysiert und an Stellen, an denen sich Unfälle häufen, vordringlich an Verbesserungen gearbeitet.
Bei einem Unfall an der Kreuzung Lauterlech/Pilgerhausstraße ist Rosemarie Wirth schwer verletzt worden. Ein Lkw, der rechts abbog, hatte die Radlerin erfasst. Rosemarie Wirth richtet jetzt den Appell an die Stadt, unterschiedliche Grünregelungen für Radfahrer und Autofahrer einzurichten. Ist dies umsetzbar?
Merkle: Zum angesprochenen bedauerlichen Unfall von Frau Wirth kann Folgendes festgestellt werden: Sowohl Frau Wirth wie auch der Lkw befuhren den Lauterlech in Richtung Pilgerhausstraße. Beim Lauterlech handelt es sich um eine Tempo-30-Zone, bei der gemäß der Straßenverkehrsordnung keine getrennte Führung des Radverkehrs erlaubt ist. Radverkehr und Kraftfahrzeugverkehr benutzten dieselbe Fahrbahn, an Signalanlagen in Tempo-30-Zonen gelten daher die gleichen Signale für den Radverkehr wie auch für den Kraftfahrzeugverkehr. Der Lauterlech hat in Fahrtrichtung Süd nur eine Fahrspur, sodass auch aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse eine Trennung in verschiedene Richtungsfahrbahnen nicht möglich ist. Der Vorschlag von Frau Wirth kann somit nicht umgesetzt werden.
Wie oft gibt es diese Konstellation? Merkle: Die Kreuzung der Pilgerhausstraße mit dem Lauterlech ist eine typische innerstädtische Situation, die in ähnlicher Weise vielfach in Augsburg und Deutschland vorhanden ist. Von den baulichen Randbedingungen stellt die Einmündung mit der Ampelanlage und den vorhandenen Sichtfeldern keine besondere Gefahrenlage dar. Was kann überhaupt an gefährlichen Stellen gemacht werden?
Merkle: Eine Möglichkeit, die Sicherheit für Radfahrer bei Grünbeginn zu erhöhen, liegt darin, sogenannte „vorgezogene Aufstellflächen“zu schaffen. Eine solche Maßnahme hilft jedoch nur in dem Zeitfenster, in dem der Verkehr vor der roten Ampel wartet. Im fließenden Verkehr während der Grünphase befinden sich die Verkehrsteilnehmer in Bewegung und dürfen nur bei ausreichender Breite nebeneinander fahren. Vorgezogene Aufstellflächen wurden zum Beispiel am südlichen Ende der Konrad-Adenauer-Allee und an der Schrannenstraße hergestellt. Der Radfahrer kann sich dort während der Rotphase vorne und damit im Sichtfeld des Kraftfahrzeugverkehrs vor der Haltelinie aufstellen. Allerdings müssen die notwendigen Flächen und eine ausreichende Straßenbreite vorhanden sein, ansonsten wird eine Scheinsicherheit geschaffen.
Was kann ansonsten getan werden, um Radler besser zu schützen?
Merkle: Abbiegeunfälle zwischen Radfahrern und dem Autoverkehr können nicht allein durch planerische und bauliche Maßnahmen verhindert werden. Es bedarf intensiver Anstrengungen auch der Fahrzeugindustrie, das eingeschränkte Sichtfeld aus dem Führerhaus eines Lkw durch technische Systeme wie zum Beispiel sogenannte „Abbiegeassistenten“zu verbessern. Gerade im engen städtischen Umfeld müssen solche Systeme Standard werden. Eine sehr kostengünstige Nachrüstvariante ist das Anbringen eines zusätzlichen Außenspiegels, der ausschließlich den „toten Winkel“bei Fahrzeugen abdeckt.
Was sollten Verkehrsteilnehmer aus Ihrer Sicht beachten?
Merkle: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht aller Verkehrsteilnehmer. Gerade für Radfahrer und Fußgänger ist es wichtig, darauf zu achten, ob sie von den Fahrern abbiegender Fahrzeuge wahrgenommen werden. Ein direkter Blickkontakt bringt Sicherheit.