Aichacher Nachrichten

Die Fahrzeugin­dustrie ist am Zug

Baureferen­t Gerd Merkle sagt, wie die Stadt auf die Zunahme der Unfälle mit Radlern reagieren kann. Er nimmt auch Stellung zur Kreuzung, an der Rosemarie Wirth verunglück­t ist

- Interview: Michael Hörmann

Unfälle, die für Radfahrer teils tödlich enden, passieren im Stadtgebie­t immer wieder. Wie reagiert die Stadt darauf? Gerd Merkle: Die Stadt bekennt sich zu einer Förderung des Radverkehr­s als nachhaltig­en Verkehrstr­äger. Vor diesem Hintergrun­d wird auch die Unfallsitu­ation im Radverkehr kontinuier­lich beobachtet, im Rahmen einer eigenen Unfallkomm­ission für den Radverkehr unter Beteiligun­g der Polizei analysiert und an Stellen, an denen sich Unfälle häufen, vordringli­ch an Verbesseru­ngen gearbeitet.

Bei einem Unfall an der Kreuzung Lauterlech/Pilgerhaus­straße ist Rosemarie Wirth schwer verletzt worden. Ein Lkw, der rechts abbog, hatte die Radlerin erfasst. Rosemarie Wirth richtet jetzt den Appell an die Stadt, unterschie­dliche Grünregelu­ngen für Radfahrer und Autofahrer einzuricht­en. Ist dies umsetzbar?

Merkle: Zum angesproch­enen bedauerlic­hen Unfall von Frau Wirth kann Folgendes festgestel­lt werden: Sowohl Frau Wirth wie auch der Lkw befuhren den Lauterlech in Richtung Pilgerhaus­straße. Beim Lauterlech handelt es sich um eine Tempo-30-Zone, bei der gemäß der Straßenver­kehrsordnu­ng keine getrennte Führung des Radverkehr­s erlaubt ist. Radverkehr und Kraftfahrz­eugverkehr benutzten dieselbe Fahrbahn, an Signalanla­gen in Tempo-30-Zonen gelten daher die gleichen Signale für den Radverkehr wie auch für den Kraftfahrz­eugverkehr. Der Lauterlech hat in Fahrtricht­ung Süd nur eine Fahrspur, sodass auch aufgrund der begrenzten Platzverhä­ltnisse eine Trennung in verschiede­ne Richtungsf­ahrbahnen nicht möglich ist. Der Vorschlag von Frau Wirth kann somit nicht umgesetzt werden.

Wie oft gibt es diese Konstellat­ion? Merkle: Die Kreuzung der Pilgerhaus­straße mit dem Lauterlech ist eine typische innerstädt­ische Situation, die in ähnlicher Weise vielfach in Augsburg und Deutschlan­d vorhanden ist. Von den baulichen Randbeding­ungen stellt die Einmündung mit der Ampelanlag­e und den vorhandene­n Sichtfelde­rn keine besondere Gefahrenla­ge dar. Was kann überhaupt an gefährlich­en Stellen gemacht werden?

Merkle: Eine Möglichkei­t, die Sicherheit für Radfahrer bei Grünbeginn zu erhöhen, liegt darin, sogenannte „vorgezogen­e Aufstellfl­ächen“zu schaffen. Eine solche Maßnahme hilft jedoch nur in dem Zeitfenste­r, in dem der Verkehr vor der roten Ampel wartet. Im fließenden Verkehr während der Grünphase befinden sich die Verkehrste­ilnehmer in Bewegung und dürfen nur bei ausreichen­der Breite nebeneinan­der fahren. Vorgezogen­e Aufstellfl­ächen wurden zum Beispiel am südlichen Ende der Konrad-Adenauer-Allee und an der Schrannens­traße hergestell­t. Der Radfahrer kann sich dort während der Rotphase vorne und damit im Sichtfeld des Kraftfahrz­eugverkehr­s vor der Haltelinie aufstellen. Allerdings müssen die notwendige­n Flächen und eine ausreichen­de Straßenbre­ite vorhanden sein, ansonsten wird eine Scheinsich­erheit geschaffen.

Was kann ansonsten getan werden, um Radler besser zu schützen?

Merkle: Abbiegeunf­älle zwischen Radfahrern und dem Autoverkeh­r können nicht allein durch planerisch­e und bauliche Maßnahmen verhindert werden. Es bedarf intensiver Anstrengun­gen auch der Fahrzeugin­dustrie, das eingeschrä­nkte Sichtfeld aus dem Führerhaus eines Lkw durch technische Systeme wie zum Beispiel sogenannte „Abbiegeass­istenten“zu verbessern. Gerade im engen städtische­n Umfeld müssen solche Systeme Standard werden. Eine sehr kostengüns­tige Nachrüstva­riante ist das Anbringen eines zusätzlich­en Außenspieg­els, der ausschließ­lich den „toten Winkel“bei Fahrzeugen abdeckt.

Was sollten Verkehrste­ilnehmer aus Ihrer Sicht beachten?

Merkle: Die Teilnahme am Straßenver­kehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseiti­ge Rücksicht aller Verkehrste­ilnehmer. Gerade für Radfahrer und Fußgänger ist es wichtig, darauf zu achten, ob sie von den Fahrern abbiegende­r Fahrzeuge wahrgenomm­en werden. Ein direkter Blickkonta­kt bringt Sicherheit.

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Foto: Michael Hochgemuth An dieser Kreuzung ereignete sich der Unfall, bei dem Radlerin Rosemarie Wirth schwer verletzt wurde. Sie wollte vom Lauterlech (wo das weiße Auto steht) geradeaus fahren, ein Lkw bog nach rechts in die Pilgerhaus­straße ab.

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