Das Sterben der bayerischen Klöster
Wie kann dem Verfall von Abtei-Anlagen entgegengewirkt werden? Ein Gespräch mit Generalkonservator Mathias Pfeil. Gute, mittelmäßige, schlechte Beispiele
Als oberster Denkmalpfleger beschäftigen Sie sich auch mit Klöstern. Wie ist die Lage in Bayern?
Mathias Pfeil: Von den rund 1000 Klosteranlagen in Bayern werden noch 157 im ursprünglichen Sinne genutzt – von 63 Männerorden und 94 Frauengemeinschaften. 113 Anlagen sind in der Denkmalliste eingetragen. Leider sind viele Orden kurz davor, ihren Betrieb einzustellen. Das führt zur Frage, was aus den Gebäuden werden soll.
Warum ausgestorbene Gemäuer nicht einfach abreißen?
Pfeil: Weil sie Identifikationsorte der Zivilisation sind. An ihnen lässt sich die Urbarmachung Bayerns ab dem achten Jahrhundert nachvollziehen. Da geht es nicht nur um Religion, sondern auch um Kultur, um die Prägung von Landschaften.
Zum Beispiel?
Pfeil: In Wessobrunn wurde der Stuck zur Vollendung gebracht. In Speinshart oder Waldsassen wurde Land urbar gemacht. Durch klösterliche Bewirtschaftung wurden ganze Landstriche definiert; durch die Entwicklung von Handwerkstechniken und Bildung kamen entscheidende Anstöße für unsere Berufswelt. Das alles ist weit mehr, als mit einem Kloster verbunden wird.
Diese Prägekraft ist vielen Klöstern abhandengekommen. Sie suchen händeringend Betreiber für ihre leer ste- henden Immobilien. Wo gibt es gelungene Beispiele für eine Umnutzung? Pfeil: Für mich ist Plankstetten ein gesundes und schönes Beispiel. Eine Anlage, in der man biologischen Landbau lehrt, in der man Menschen ausbildet, Natur zu verstehen. Dieses Kloster hat eine Aufgabe angenommen und mit Leben gefüllt.
Dort gibt es noch Benediktiner. Was ist mit denen, die ganz aufgeben müssen? Pfeil: Das ist ein riesiges Problem. Viele Klöster überaltern einfach und stehen dann alleine da. Ich vermisse ehrlich gesagt ein Netzwerk. Man kann von 80- bis 90-jährigen Frauen und Männern nicht erwarten, dass sie modern denken. Es ist aber auch nicht richtig, bis zum letzten Tag einfach abzuwarten. Ich weiß, Klöster sind es gewohnt, eigenständig zu agieren, aber es muss ja nicht jeder selbst alles neu erfinden.
Ohne private Investoren wird es nicht gehen, oder? Pfeil: Ja, aber auch für sie gilt es, mit den Kirchen zusammen Rahmenbedingungen zu entwickeln.
In Wessobrunn hat eine Unternehmerin den Zuschlag bekommen. Sie produziert dort Naturkosmetik.
Pfeil: Das ist nur ein Beispiel, das mir schon wehtut, auch wenn es schlechter hätte kommen können. Wessobrunn ist wichtig für Bayern, es gibt nirgendwo schöneren Stuck. Die neue Besitzerin ist eine sympathische, nachdenkliche Frau. Aber hier wird ein Ort, an dem Kunst und Kultur zum Höhepunkt getrieben wurden, durch Privatisierung der Öffentlichkeit entzogen. Er ist kein Ort der Reflexion und der Gemeinschaft mehr. Trotzdem unterstütze ich die Unternehmerin, damit die Anlage erhalten bleibt.
Das erfordert häufig einen finanziellen Kraftakt.
Pfeil: Ja – manchmal dauert es Jahre, bis mit verschiedenen Partnern eine Mosaikförderung ausgehandelt ist. Das war bei der Sanierung von Kloster Sankt Bonifaz in München richtig schwierig. Am Ende waren der Staat und die Kirche dabei, aber auch die Edith-Haberland-WagnerStiftung. Die hat so profane Dinge wie die Duschen für die von den Münchner Benediktinern versorgten Obdachlosen bezahlt. Grandios.
Bei manchen Menschen hat die Denkmalpflege den Ruf, Vergangenheit zu konservieren und Zukunft eher zu verbauen. Sie klingen da anders.
Pfeil: Natürlich sind wir bewahrend in unserer Arbeit. Aber wir müssen auch nach Möglichkeiten suchen, Orte überleben zu lassen. Wenn eine Klinik in ein Kloster einzieht, im Erdgeschoss einen Wellnessbereich einrichtet, die Mauern aufbricht und einen Golfplatz im historischen Garten projektiert, ist eine Grenze überschritten.
In Benediktbeuern haben Sie einem modernen Anbau zugestimmt.
Pfeil: Mit der Planung bin ich nach wie vor nicht ganz glücklich. Natürlich ist es nicht schön, dass die Salesianer dort von der FraunhoferGesellschaft einen Zubau in den Garten gesetzt bekommen. Aber auf der anderen Seite bietet dies dem Kloster die Chance, weiter als Ort des Lebens zu dienen. In dem Tagungszentrum wird es auch um die Erhaltung von Denkmälern gehen.