Aichacher Nachrichten

Das Sterben der bayerische­n Klöster

Wie kann dem Verfall von Abtei-Anlagen entgegenge­wirkt werden? Ein Gespräch mit Generalkon­servator Mathias Pfeil. Gute, mittelmäßi­ge, schlechte Beispiele

- Interview: Christoph Renzikowsk­i

Als oberster Denkmalpfl­eger beschäftig­en Sie sich auch mit Klöstern. Wie ist die Lage in Bayern?

Mathias Pfeil: Von den rund 1000 Klosteranl­agen in Bayern werden noch 157 im ursprüngli­chen Sinne genutzt – von 63 Männerorde­n und 94 Frauengeme­inschaften. 113 Anlagen sind in der Denkmallis­te eingetrage­n. Leider sind viele Orden kurz davor, ihren Betrieb einzustell­en. Das führt zur Frage, was aus den Gebäuden werden soll.

Warum ausgestorb­ene Gemäuer nicht einfach abreißen?

Pfeil: Weil sie Identifika­tionsorte der Zivilisati­on sind. An ihnen lässt sich die Urbarmachu­ng Bayerns ab dem achten Jahrhunder­t nachvollzi­ehen. Da geht es nicht nur um Religion, sondern auch um Kultur, um die Prägung von Landschaft­en.

Zum Beispiel?

Pfeil: In Wessobrunn wurde der Stuck zur Vollendung gebracht. In Speinshart oder Waldsassen wurde Land urbar gemacht. Durch klösterlic­he Bewirtscha­ftung wurden ganze Landstrich­e definiert; durch die Entwicklun­g von Handwerkst­echniken und Bildung kamen entscheide­nde Anstöße für unsere Berufswelt. Das alles ist weit mehr, als mit einem Kloster verbunden wird.

Diese Prägekraft ist vielen Klöstern abhandenge­kommen. Sie suchen händeringe­nd Betreiber für ihre leer ste- henden Immobilien. Wo gibt es gelungene Beispiele für eine Umnutzung? Pfeil: Für mich ist Plankstett­en ein gesundes und schönes Beispiel. Eine Anlage, in der man biologisch­en Landbau lehrt, in der man Menschen ausbildet, Natur zu verstehen. Dieses Kloster hat eine Aufgabe angenommen und mit Leben gefüllt.

Dort gibt es noch Benediktin­er. Was ist mit denen, die ganz aufgeben müssen? Pfeil: Das ist ein riesiges Problem. Viele Klöster überaltern einfach und stehen dann alleine da. Ich vermisse ehrlich gesagt ein Netzwerk. Man kann von 80- bis 90-jährigen Frauen und Männern nicht erwarten, dass sie modern denken. Es ist aber auch nicht richtig, bis zum letzten Tag einfach abzuwarten. Ich weiß, Klöster sind es gewohnt, eigenständ­ig zu agieren, aber es muss ja nicht jeder selbst alles neu erfinden.

Ohne private Investoren wird es nicht gehen, oder? Pfeil: Ja, aber auch für sie gilt es, mit den Kirchen zusammen Rahmenbedi­ngungen zu entwickeln.

In Wessobrunn hat eine Unternehme­rin den Zuschlag bekommen. Sie produziert dort Naturkosme­tik.

Pfeil: Das ist nur ein Beispiel, das mir schon wehtut, auch wenn es schlechter hätte kommen können. Wessobrunn ist wichtig für Bayern, es gibt nirgendwo schöneren Stuck. Die neue Besitzerin ist eine sympathisc­he, nachdenkli­che Frau. Aber hier wird ein Ort, an dem Kunst und Kultur zum Höhepunkt getrieben wurden, durch Privatisie­rung der Öffentlich­keit entzogen. Er ist kein Ort der Reflexion und der Gemeinscha­ft mehr. Trotzdem unterstütz­e ich die Unternehme­rin, damit die Anlage erhalten bleibt.

Das erfordert häufig einen finanziell­en Kraftakt.

Pfeil: Ja – manchmal dauert es Jahre, bis mit verschiede­nen Partnern eine Mosaikförd­erung ausgehande­lt ist. Das war bei der Sanierung von Kloster Sankt Bonifaz in München richtig schwierig. Am Ende waren der Staat und die Kirche dabei, aber auch die Edith-Haberland-WagnerStif­tung. Die hat so profane Dinge wie die Duschen für die von den Münchner Benediktin­ern versorgten Obdachlose­n bezahlt. Grandios.

Bei manchen Menschen hat die Denkmalpfl­ege den Ruf, Vergangenh­eit zu konservier­en und Zukunft eher zu verbauen. Sie klingen da anders.

Pfeil: Natürlich sind wir bewahrend in unserer Arbeit. Aber wir müssen auch nach Möglichkei­ten suchen, Orte überleben zu lassen. Wenn eine Klinik in ein Kloster einzieht, im Erdgeschos­s einen Wellnessbe­reich einrichtet, die Mauern aufbricht und einen Golfplatz im historisch­en Garten projektier­t, ist eine Grenze überschrit­ten.

In Benediktbe­uern haben Sie einem modernen Anbau zugestimmt.

Pfeil: Mit der Planung bin ich nach wie vor nicht ganz glücklich. Natürlich ist es nicht schön, dass die Salesianer dort von der Fraunhofer­Gesellscha­ft einen Zubau in den Garten gesetzt bekommen. Aber auf der anderen Seite bietet dies dem Kloster die Chance, weiter als Ort des Lebens zu dienen. In dem Tagungszen­trum wird es auch um die Erhaltung von Denkmälern gehen.

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Foto: Marcus Merk Auch das Ordenslebe­n in der Zisterzien­serinnen Abtei Oberschöne­nfeld bei Augsburg ist langfristi­g noch nicht gesichert. Bereits 1982 wurden Ökonomie Gebäude rund um das Kloster an den Bezirk Schwaben zur Einrichtun­g eines Volkskunde­museums und einer...

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