Der Bauer aus Peru, der gegen RWE klagt
Ein schmelzender Gletscher bedroht seine Existenz. Deshalb geht der Mann gegen einen deutschen Stromkonzern vor
Hamm/Bogotá In Südamerika schmelzen die Gletscher in Rekordgeschwindigkeit. Eine Folge: In den peruanischen Anden steigt der Wasserstand eines Bergsees bei Huaraz etwa 450 Kilometer nördlich von Lima seit Jahren an. Der Bauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya fürchtet, dass eine Flut sein Haus wegreißen könnte und hat deshalb den Energieriesen RWE verklagt – in Deutschland. Der Bergbauer fordert Geld für Schutzmaßnahmen, denn RWE sei durch seinen hohen CO2-Ausstoß für den globalen Klimawandel mitverantwortlich. Am Montag hat jetzt der Prozess in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Hamm begonnen.
Geschädigt vom Klimawandel sind viele Menschen: Allein in den Anden stellen zahlreiche Bergseen, die aus der Gletscherschmelze entstehen, eine Gefahr für Orte in den Bergen dar. Ein plötzlicher Anstieg des Wasserspiegels kann zu hohen Flutwellen führen und hat bereits Erdrutsche verursacht. Gletscher haben gerade in den tropischen Gebirgen zudem eine bedeutende Funktion als Wasserspeicher. Besonders wichtig sind sie etwa für die Wasserversorgung in Peru, Bolivien und Ecuador. In Kolumbien soll es nach Angaben von Geschichtsbüchern vor 150 Jahren noch 15 Gletscher gegeben haben. Nun sind nur noch sechs Berge weiß bedeckt. Auch das könnte bald passé sein: Die Gletscher hier gelten mit als die am schnellsten schmelzenden weltweit. Das kolumbianische Institut für Hydrologie, Meteorologie und Umwelt hat alarmierende Zahlen veröffentlicht.
Demnach dürften bei gleichbleibender Geschwindigkeit der Schmelze in drei Jahrzehnten alle Gletscher Kolumbiens verschwunden sein. Erklärtes Ziel der Weltgemeinschaft ist es, die Erwärmung weltweit deutlich unter zwei Grad, besser noch 1,5 Grad zu begrenzen. Die Klimakonferenz in Bonn sucht derzeit nach Lösungen, wie das zu schaffen ist.
Am deutlichsten wird die Gefahr für Kolumbiens Gletscher am Fall der Bergkette Sierra Nevada de Santa
Ein Bergsee läuft voll, der Damm könnte brechen
Marta im Norden des Landes. Hier liegen die einzigen schneebedeckten Gipfel der Karibik. Noch. Die Gletscherschmelze beeinflusst das Landschaftsbild, den Tourismus und die indigenen Völker der Kogi, Arhuacos, Wiwas und Kankuamos, die die dortigen Täler seit Urzeiten bewohnen.
Kleinbauer Lliuya indes hat gestern bei seiner Klage gegen den Energiekonzern RWE in Hamm einen Etappensieg errungen. Anders als das Landgericht Essen in der ersten Instanz hält das Oberlandesgericht einen zivilrechtlichen Anspruch des Klägers grundsätzlich für möglich. Zu prüfen sei nun, ob der Kläger in einem zweiten Schritt beweisen kann, dass speziell die Emissionen der Kohlekraftwerke von RWE für den Klimawandel in den Anden mitverantwortlich sind, sagte der Vorsitzende Richter Rolf Meyer in der Verhandlung zum Auftakt. Der peruanische Bauer hatte von RWE verlangt, 0,47 Prozent der Kosten für Schutzmaßnahmen für sein Haus zu übernehmen. Sein Dorf in den südamerikanischen Anden ist durch Fluten eines abtauenden Gletschers gefährdet.
Ein RWE-Anwalt hatte beim ersten Prozess noch argumentiert, dass nicht einzelne Unternehmen die Verantwortung für globale Phänomene übernehmen könnten. Sonst drohe eine Klagewelle aller gegen alle.