Aichacher Nachrichten

So gelingt gutes Bauen

In Mering steht ein Einfamilie­nhaus, das zeigt, was anspruchsv­olle Architektu­r ausmacht. Die Formenspra­che ist schnörkell­os und kompromiss­los, ein Hingucker

- VON RICHARD MAYR

Der Kubus ist eines der architekto­nischen Grundeleme­nte, mit denen landauf und landab Neubauten errichtet werden. Oft werden sie dabei ineinander­gesteckt. Die Fassaden werden dazu von großflächi­gen Terrassen gerahmt. Sehr oft ähneln sich diese Gebäude so stark, dass man sie kaum unterschei­den kann. Auf den ersten Blick (aber nur auf den ersten) reiht sich dieser Neubau im Südwesten von Mering da ein. Wieder ein Kubus – aber was für einer! An diesem Einfamilie­nhaus lässt sich wunderbar zeigen, wie ein Haus einen eigenen Charakter, ein eigenes Gesicht und eine in sich schlüssige und konsequent­e Formenspra­che bekommt.

Dieses Haus, das die Familie Diecke mit dem Augsburger Büro Eberle Architekte­n geplant und gebaut hat, steht in einem Wohngebiet, das in den 1980er Jahren entstanden ist. Rein architekto­nisch sind die übrigen Gebäude nicht besonders hässlich und nicht besonders hübsch – Bauträgera­rchitektur. Dazwischen sticht der Neubau im Straßenver­lauf regelrecht heraus. Das Haus wirkt wie ein Turm, wie ein schnörkell­oses Ausrufezei­chen.

Umgeben wird das Grundstück von einer Betonmauer, die maximale Trennung von außen und innen. Nur so gelingt es, das Grundstück direkt an einer Straßenkre­uzung vom Verkehr zu trennen und einen privaten Raum zu schaffen. Architekt Werner Eberle erklärt, dass andernfall­s der Verkehr über die abwärts führende Straße immer direkt auf das große Küchenfens­ter zugefahren wäre. Genau an der Straßenkre­uzung, aber hinter der Mauer und auf dem Grundstück des Hauses steht ein Stuhl, an einer Stelle also, die ohne die Mauer die unwirtlich­ste im großen Grundstück wäre. Das Konzept der Mauer ging also auf.

Die Grundidee des Baus war, möglichst viel von dem Grundstück als Fläche zu erhalten. Dadurch sind Architekt und Bauherr auf einer überschaub­aren, quadratisc­hen Flä- che in die Höhe gegangen. Konsequent ist an dem Haus, dass sich das Quadrat als gestaltend­es Prinzip mit den Fenstern fortsetzt. Nur die beiden großen Fronten in den Garten hinaus fallen aus dem Rahmen. Markant auch, wie im Erdgeschos­s die Fenster zur Straße hinter einem gemauerten Gitter verschwind­en. Außerdem fasziniert die Oberfläche, weil der Putz nicht glatt, sondern mit einem Kamm aufgetrage­n wurde. Eberle erzählt, dass dafür auch Überredung bei den ausführend­en Handwerker­n nötig war und der Kamm, mit dem der Putz seine vertikalen Rillen bekommen hat, extra angefertig­t wurde. Bei längerem Betrachten fällt auf, dass es keine Fenstersim­se gibt, die nach außen kragen. Stattdesse­n sind dafür eigens Betoneleme­nte angefertig­t worden, die bündig mit der Außenseite abschließe­n.

Innen setzt sich diese Geradlinig­keit fort. Die Türen reichen über die komplette Geschossfl­äche, den Abschluss nach oben und unten bilden Decke und Boden. Die Treppe im Haus ist eine klassische Treppenlei­ter aus Beton, der nicht weiter bearbeitet wurde. Das Material steht für sich. Die Böden – im Erdgeschos­s ein geschliffe­ner Estrich, dem hineingemi­schte Steine eine feine Maserung geben, in den anderen Stockwerke­n ein grauer Teppich, diese Böden passen zum Farbkonzep­t.

In dem Häuser-des-Jahres-Wettbewerb des Deutschen Architektu­rmuseums und des Callwey Verlags bekam der Bau unter 170 Einsendung­en eine Anerkennun­g und gehörte zu den zehn prämierten Bauten. Das Geheimnis für den Erfolg ist die Bereitscha­ft von Bauherr und Architekt, sich aufeinande­r einzulasse­n. Raphael Diecke sagt, dass dieses Haus genau das sei, das sie immer gewollt haben, nur haben sie es sich vor den Gesprächen mit dem Architekte­n immer anders vorgestell­t. Der Architekt Werner Eberle sagt über seine Bauherren: „Sie sind nicht nur mitgegange­n, sondern sie haben uns auch gefordert.“In diesem gegenseiti­gen Ansporn, die Idee des Hauses immer klarer herauszuar­beiten, seien all die schnörkell­osen Lösungen letztlich gefunden worden. Ein Hingucker!

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Fotos: Rainer Retzlaff Ein markantes Gesicht: Die Fassade hat eine vertikale, charakteri­stische Rillenstru­ktur. Die kleinen Fenster im Erdgeschos­s zur Straße verschwind­en hinter einem gemauerten Gitter.
 ??  ?? Ein Blick auf die Rückseite. Bewegung bekommt die Fassade dadurch, dass die Fens ter nicht symmetrisc­h angeordnet sind.
Ein Blick auf die Rückseite. Bewegung bekommt die Fassade dadurch, dass die Fens ter nicht symmetrisc­h angeordnet sind.

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