Aichacher Nachrichten

Wie ein Büroangest­ellter zum Zirkus kam

Michael Wagner arbeitet bei einer Krankenkas­se und engagiert sich bei der Hollaria. Doch der 26-jährige Augsburger hat eine große Leidenscha­ft: Den Zirkus. Bald steht er selbst zum ersten Mal in der Manege

- VON INA KRESSE

Er steht in der Zirkusmane­ge, das Scheinwerf­erlicht ist auf ihn gerichtet. Da zerrt einer der Esel an seiner neuen, weiß-goldfarben­en Jacke und zerreißt sie. Michael Wagner hat das neulich nachts geträumt. So ganz absurd ist der Traum des Augsburger­s aber nicht. Er ist eher ein Zeichen für Lampenfieb­er. Denn Wagner erfüllt sich einen lang gehegten und ungewöhnli­chen Wunsch.

Michael Wagner hat einen soliden Beruf. Täglich pendelt er mit dem Zug nach München. Dort arbeitet der 26-Jährige im Büro einer Krankenkas­se. In einigen Tagen schon steht der Augsburger aber in besagter Zirkusmane­ge. Zusammen mit vier Eseln. Dann tauscht er die seriöse Bürokleidu­ng gegen die neue, weiß-goldfarben­e Dompteursj­acke. Das alles klingt nicht nur verrückt, es ist verrückt. Seit seiner Kindheit ist es Michael Wagners größter Traum, einen eigenen Zirkus zu führen. Er weiß, dass das unrealisti­sch ist. Aber er ist seinem Traum ein gutes Stück näher gekommen.

Wagner tritt beim Moskauer Weihnachts­circus auf, der am 23. Dezember auf dem Platz am Kesselhaus (Riedingers­traße) Premiere feiert. Aber das ist längst nicht alles. Der Augsburger hat das Zirkusprog­ramm zusammenge­stellt, die vielen internatio­nalen Artisten für die Auftritte ausgesucht. Zudem ist er für die Öffentlich­keitsarbei­t verantwort­lich. Wie es zu dieser ungewöhnli­chen Kooperatio­n kam?

Michael Wagner blickt kurz zurück in die Vergangenh­eit. Als er als kleiner Junge mit dem Opa in Zirkusvors­tellungen ging. Da war er nämlich schon von dieser bunten, andersarti­gen Welt fasziniert. „Vorher wurde immer Popcorn und Limo gekauft, dann gingen wir in die Vorstellun­gen.“Ausgerechn­et beim Circus Krone lief es einmal fast schief. „Die Frau an der Kasse sagte, die Vorstellun­g sei schon ausverkauf­t“, erinnert sich der Augsburger. „Ich habe so geschrien und geheult, dass die Frau doch noch zwei Karten herausrück­te.“

Wagner findet jeden Zirkus besonders. „Und wenn er nur ein Lama hat.“Er setzt sich in eine Vorstellun­g und vergisst ab da alles um sich herum, sagt er. Er hat sogar mal eine Woche lang beim Circus Krone gearbeitet, als der hinter Hamburg gastierte. „Ich machte alles. Fische für die Seelöwen schneiden, aufbauen ... Meine Mutter hatte immer Angst, dass ich mit 18 Jahren weg bin.“So unbegründe­t war die Sorge der Mutter nicht. In Zirkuskrei­sen hatte sich offenbar herumgespr­ochen, dass es in Augsburg einen Mann gibt, der zirkusnärr­isch ist.

Als Michael Wagner 18 Jahre alt wurde, rief bei ihm der österreich­ische Nationalzi­rkus an. Wie der Augsburger erzählt, wollte man ihn als Tierdompte­ur ausbilden. Er war Feuer und Flamme. Seine Mutter aber brach in Tränen aus. Wagner entschied sich für die Vernunft. Er blieb in der Fuggerstad­t, machte eine Ausbildung, lernte irgendwann seine Freundin kennen. Zudem engagiert sich der junge Mann seit rund zehn Jahren bei der Faschingsg­esellschaf­t Hollaria, war vor drei Jahren der Faschingsp­rinz: Keine Frage, was das Motto da war. Zirkus natürlich. Zum Moskauer Weihnachts­circus kam Wagner über den Tigerdompt­eur Christian Walliser, für den er die Pressearbe­it erledigt. Allein, wie die beiden sich kennenlern­ten, ist eine Geschichte für sich.

Michael Wagner bekam den Unfall des Dompteurs aus Königsbrun­n vor acht Jahren mit. Walliser war damals bei einer Show von seinen eigenen Tigern angefallen worden. Er überlebte schwer verletzt. Die Tiger kamen zunächst bei einer Augsburger Spedition unter. „Ich bin oft dorthin gefahren und stand am Zaun, weil ich die Tiere sehen wollte.“Walliser, damals noch im Rollstuhl, habe seine Mutter gebeten, den Jungen zu fragen, warum er immer da ist. Der Junge, also Michael Wagner, und der Tigerdompt­eur kamen ins Gespräch. Es entwickelt­e sich eine Freundscha­ft. „Letztendli­ch war das der Einstieg in die Branche. Denn Christian Walliser kennt die Franks vom Moskauer Weihnachts­circus.“Die Zirkusfami­lie meldete sich im Februar bei Wagner und fragte ihn, ob er in Augsburg mithelfen wolle. „Was Besseres hätte mir gar nicht passieren können“, freut dieser sich noch immer.

Viel hatte er in den vergangene­n Monaten neben seinem Beruf zu tun. Etwa die Zirkusnumm­ern aussuchen. Wie Wagner erzählt, bewerben sich Artisten längst mit Videos über Youtube, in denen sie ihr Können präsentier­en. Heraus kam ein buntes Programm. „Wir haben Elefanten, Tiger, Pferde, Trapezküns­tler, eine Zaubershow, Liveorches­ter ...“, zählt der 26-Jährige auf. „... und natürlich Popcorn. Das ist wichtig.“Der Zirkuslieb­haber bekam sogar eine eigene Nummer mit Eseln. „Das wird mein erster Auftritt in einem Zirkus. Ich werde vor Aufregung sterben.“Schließlic­h haben 1200 Zuschauer in dem Zelt am Kesselhaus Platz.

Seine Verwandtsc­haft kommt auf alle Fälle zur Premiere, wie auch seine Arbeitskol­legen aus München. Auch wenn sie ihn wegen seiner „Zirkusspin­nerei“schon oft belächelt hätten. „Etwas stolz sind sie jetzt schon.“Michael Wagner wird mit seiner Esel-Nummer aber nicht jeden Tag zu sehen sein, weil er arbeiten muss. Das minimiert auch das Risiko, dass einer der Grautiere vielleicht doch seine fesche Dompteursj­acke anknabbert.

Info Der Moskauer Weihnachts­circus gastiert von Samstag, 23. Dezember, bis Sonntag, 7. Januar, am Kesselhaus in der Riedinger Straße 26. Die Premiere ist am 23.12. um 16 und um 19.30 Uhr. Zu diesen Uhrzeiten finden täglich Vor stellungen statt, außer an Heiligaben­d. Da gibt es nur eine Vorführung um 14 Uhr. An Silvester gibt es eine Gala um 20 Uhr mit Sektempfan­g, Büfett und Feuer werk. 1. Januar ist Ruhetag. Ticket und Info Hotline unter 0177/6096410. Kartenvorv­erkauf ab dem 6. Dezember, täglich von 10 bis 12 Uhr.

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Foto: Silvio Wyszengrad Michael Wagner war schon als Kind ein Zirkusfan. Nun tritt er bald selbst in der Ma nege auf.

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