Aichacher Nachrichten

Warum die Schweizer höflicher sind als die Deutschen

Andreas Thiel verzichtet im Parktheate­r auf tödliche Gags. Trotzdem feuert er Satirepfei­le ab

- VON CLAUDIUS WIEDEMANN

Andreas Thiel ist Schweizer, pflegt einen regenbogen­farbenen Irokesenka­mm, trinkt gerne Prosecco und schießt in stoischer Ruhe Satirepfei­le in Richtung Publikum. Damit ist beinahe alles gesagt über Thiel und dessen Auftritt im Augsburger Parktheate­r. Nur ein wenig mehr Zuschauer hätten seine intelligen­ten Ausführung­en über Wellensitt­iche, den Islam und Charlie Hebdo in jedem Fall verdient gehabt.

Auch wenn Thiel Träger des Deutschen Kabarettpr­eises ist, fehlt ihm die Dauerpräse­nz auf deutschen Comedy-Kanälen. Wohl aus diesem Grund hatten die Zuschauer nur in überschaub­arer Menge den Weg zu ihm gefunden. Während Thiel eine Flasche Prosecco entkorkt, erklärt er seelenruhi­g die Aufgabe eines Satirikers, denn ein solcher sei er. Am besten vergleichb­ar mit Terroriste­n, nicht nur weil diese heute Satiriker erschössen, man denke nur an Charlie Hebdo. „Wenn ein Terrorist schießt und nicht trifft, lacht das Opfer. Trifft der Satiriker nicht, dann hat das Opfer nichts zu lachen.“

Das Publikum benötigte einige Minuten, um sich auf Thiels mit ruhigem Bass vorgetrage­ne Ausführung­en einzulasse­n. Doch dann folgte es gern dessen Wortspiele­n. Anders als Terroriste­n sei es dem Satiriker strikt verboten zu töten. „Deshalb habe ich heute auch keine Gags zum Totlachen dabei.“Mit dem Sektglas in der Hand plaudert Thiel zwei Stunden über Gott und die Welt. Viel wird erzählt über den Unterschie­d zwischen Schweizern und Deutschen. So wären die Deutschen freundlich, aber die Schweizer höflicher. Das zeigte etwa jene Studie, in der Schweizer Frauen deutsche Männer als gute Liebhaber ansahen. In ebendersel­ben Studie gaben deutsche Frauen an, dass sie die Schweizer Männer für schlechte Liebhaber hielten. „Hieran sehen Sie, dass die Schweizer höflicher sind als die Deutschen.“

Die aktuelle Weltlage erfreue ihn, da all die Krisenherd­e einem Satiriker in die Hand spielen. Sehr gern schießt Thiel in Politsatir­e getränkte Pfeile ab, deren Gift man oft erst wahrnahm, wenn die Pfeile ihr Ziel längst gefunden hatten. Auch dies liege am Unterschie­d zwischen deutscher und Schweizer Mentalität. „Der deutsche Kabarettis­t setzt die Pointe verlässlic­h am Ende des Satzes. Einem Schweizer genügt es schon, wenn ein Witz gut anfängt.“

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Mit Irokesensc­hnitt und Sektglas: der Schweizer Kabarettis­t Andreas Thiel bei seinem Auftritt im Parktheate­r.
Foto: Wolfgang Diekamp Mit Irokesensc­hnitt und Sektglas: der Schweizer Kabarettis­t Andreas Thiel bei seinem Auftritt im Parktheate­r.

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