Ausgewiesen, um Freiheit zu finden
Ich bin Jahrgang 1951 und in der Nähe von Dresden aufgewachsen. Mein Vater stammt aus einem Ort am Rand der Sächsischen Schweiz, meine Mutter wuchs in Schlesien auf und wurde 1946 vertrieben. Mit einem Rucksack und einem Koffer musste sie von heute auf morgen weg. Etwa drei Viertel der Einwohner gelangten in Viehwagen nach Bad Honnef am Rhein, sie strandete mit ihrer Mutter allein in Pirna an der Elbe. Sehr oft hörte ich deren Geschichten von daheim und wie schön es da gewesen sein musste. Nachdem ich meine Frau kennengelernt und ich mein Maschinenbau-Studium beendet hatte, beschlossen wir 1976, unsere Heimat zu verlassen und stellten einen Ausreiseantrag. Wir fühlten uns in Sachsen zwar sehr wohl, wollten aber nicht unser Leben in Unfreiheit verbringen.
Dass die DDR einmal pleitegehen würde, war uns klar, aber dass wir das erleben würden, hätten wir nicht zu träumen gewagt. Da man nicht gewillt war, uns ziehen zu lassen, ging ich im Mai 1980 zur Maidemonstration und wurde mit meinem Plakat „Es steht jedem frei, sein Land zu verlassen! Auch uns“verhaftet. Es war ein schwerer Schritt, bewusst Frau, Kinder, Eltern, die Familie und die Umgebung zu verlassen und freiwillig ins Gefängnis zu gehen.
Als ich am 22. Juli 1981 um 18.05 Uhr im Gefängnisbus die DDRGrenze Richtung Gießen überfuhr, war mir bewusst, dass ich meine Heimat für die Freiheit eingetauscht hatte. Der Anfang im Westen war nicht einfach, keiner erwartete mich, keiner war um meine Integration bemüht. Das habe ich mit der Frau, die nachkam, selbst erledigt. Die Probleme Arbeit, Wohnung, Kinderbetreuung usw. ließen sich lösen. Was mir aber erst bewusst wurde: Dass ich sehr viele feine Wurzeln zu Freunden, Bekannten und Verwandten einfach und unbewusst abgetrennt hatte. Seitdem weiß ich, Heimat ist in erster Linie die Verbindung zu Menschen, zum Umfeld. Darum muss man sich immer selbst bemühen. Inzwischen bin ich nach knapp 20 Jahren in Inningen nach der Scheidung noch mal umgezogen und so habe ich zur „Inninger Heimat“nun noch eine „Firnhaberauer Heimat“! Viele Menschen habe ich mir auch dort „vertraut gemacht“und fühle mich hier sehr wohl. Günter Weinhold, Augsburg