Aichacher Nachrichten

Ein Alltag (fast) ohne Plastik

Fünf Monate hat unsere Autorin versucht, auf Kunststoff zu verzichten. Heute produziert sie deutlich weniger Abfall als zuvor. Über eine Entscheidu­ng, die ihr Leben verändert hat

- VON KERSTIN MOMMSEN

Augsburg Wir sind stolz auf das, was wir geschafft haben. Wir, das sind mein achtjährig­er Sohn Paul, sein zweijährig­er Bruder Theo, mein Mann Hartmut und ich. Denn wir stellen nur noch einen einzigen Gelben Sack vor unsere Haustür. Er ist sogar nur leicht gefüllt.

Alles begann, als Paul im Kinderfern­sehen Bilder von Walen, Pinguinen oder Schildkröt­en sah, die plastikgef­üllte Mägen hatten oder von einer Tüte strangulie­rt verendet waren. Wie erklärt man als Erwachsene­r einem Kind diese Dinge? Wie kann ich meinen Söhnen plausibel machen, dass die Menschen dabei sind, ihren eigenen Planeten zu zerstören? Weil das eben kaum zu erklären ist, fassten wir noch am selben Abend den Entschluss, auf Plastik verzichten zu wollen.

In den vergangene­n Wochen habe ich in dieser Serie über unsere Erfahrunge­n berichtet: Mal fiel es uns leichter, mal schwerer, Kunststoff zu verbannen. Das Ergebnis aber zeigt deutlich, dass es funktionie­rt, wenn man denn will und dass es auch mit wenig Aufwand gelingt – eine große Umstellung unserer Lebensweis­e war der Plastikver­zicht nicht. Natürlich sind wir noch nicht am Ziel angelangt, was mir täglich deutlich wird, wenn ich die Facebook-Posts derer lese, die schon seit Jahren dabei sind und überhaupt kein Plastik mehr verwenden – weder für Kinderplan­schbecken noch für Brillen, Putzmittel und vieles mehr.

In den vergangene­n Wochen und Monaten rückte das Thema nach vorn. Immer neue Meldungen über tote Wale, in deren Mägen haufenweis­e Plastiktüt­en gefunden wurden, Mikroplast­ik im Kompost, in Seen oder Plastikmül­l an deutschen Stränden erreichen uns. Die EU bastelt an der Umsetzung ihrer „Plastik-Strategie“und will das Verbot von Einweg-Plastikges­chirr und -Besteck, Strohhalme­n, Wattestäbc­hen und Plastikstä­ben von Ballons durchsetze­n. Ein erster Schritt, meine ich, aber dieser geht nicht weit genug.

Seit Beginn unseres Plastikpak­tes schaue ich genauer, was so alles an unseren Straßenrän­dern, BodenseeBa­destellen oder Flüssen an Müll herumliegt und letztlich wieder in den Weltmeeren landet. Auch wir sind Teil des Problems.

Die Politik drückt sich vor dem Thema noch. Einzig Robert Habeck, Grünen-Chef, fordert eine Steuer auf Wegwerfpro­dukte aus Kunststoff. Bundeskanz­lerin Angela Merkel blieb kritisch: „Ich bin von der Plastikste­uer noch nicht überzeugt“, so Merkel, und fügte hinzu: „Aber ich glaube, dass wir daran arbeiten sollten.“Es ist dringend nötig, dass auch die Politik hier vorankommt. Denn so schön es ist und so sinnvoll es sein mag – Aktionen wie unser privater Plastikver­zicht sind nur ein winziger Schritt in die richtige Richtung. Dabei bin ich davon überzeugt, dass jeder Einzelne bei jedem Kauf eine Macht hat, die er auch einsetzen sollte.

Ginge es nach mir, so gehörten ab sofort alle Plastikfla­schen verboten, alle Coffee-to-go-Becher, alle unnötigen Verpackung­en rund um Lebensmitt­el, die genauso gut lose angeboten werden könnten. Es muss ein Gesetz her, das erlaubt, dass Waren auch in mitgebrach­te Behältniss­e abgefüllt werden dürfen – die derzeitige Rechtslage ist für viele Ladeninhab­er so schwammig, dass sie dieses Begehr ihrer Kunden lieber ablehnen als Ärger zu bekommen. Einwegflas­chen müssen so bald als möglich der Vergangenh­eit angehören, so meine Meinung. Und die dünnen Plastiktüt­en sollten grundsätzl­ich verboten werden. Es gibt bereits Länder, die dies erfolgreic­h umgesetzt haben – etwa Ruanda, Marokko, Kenia oder Tansania.

Auch beim Thema Mikroplast­ik ist der Gesetzgebe­r gefragt. Es ist vollkommen unnötig, dass Kosmetikpr­odukte mit Mikroplast­ik noch im Umlauf sind. Auch hier hinkt Deutschlan­d hinterher: Schweden hat den Ausstieg durchgeset­zt, Großbritan­nien, Kanada und Neu- seeland haben bereits entspreche­nde Gesetze erlassen, die Niederland­e planen dies. Bei uns ist davon weit und breit nichts zu hören.

In der Verantwort­ung sehe ich aber auch den Handel. Es wäre wünschensw­ert, dass es in unseren Supermärkt­en zumindest Unverpackt-Regale gäbe. Dann könnten die Kunden selbst entscheide­n, was sie kaufen. Mehr Unverpackt­Läden in unserer Region wären ebenfalls gut – vielleicht entstehen ja bald welche. Mein Fazit nun zum Schluss dieser langen Serie ist, dass aus unserem Selbstvers­uch eine Lebenseins­tellung geworden ist. Wir werden weiter auf Plastik verzichten, wo wir können!

 ?? Foto: Gudrun Trautmann ?? Damals und heute: Sechs Säcke voller Plastikmül­l haben Kerstin Mommsen und ihre Familie bisher im Monat vor das Haus ge stellt. Mittlerwei­le ist es nur noch ein Gelber Sack – und der ist sogar nur leicht gefüllt.
Foto: Gudrun Trautmann Damals und heute: Sechs Säcke voller Plastikmül­l haben Kerstin Mommsen und ihre Familie bisher im Monat vor das Haus ge stellt. Mittlerwei­le ist es nur noch ein Gelber Sack – und der ist sogar nur leicht gefüllt.

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