DARIO ARGENTO: HITCHCOCK WAR MEIN LEHRMEISTER
Hitchcock war mein Lehrmeister
Der Film ist die Kunst seiner Familie. Das weiß Dario Argento ganz genau. Der Vierzigjährige ist der Vater der Schauspielerin und Regisseurin Asia und Sohn des Filmproduzenten mit sizilianischen Wurzeln, Salvatore.
Der Meister des italienischen Grauens überrascht immer wieder. Er wurde schon mit dem „Fellini Platinum Award“in Bari oder dem „Globo d’oro“für die Karriere ausgezeichnet und war beim 70. Festival in Cannes unter den Ehrengästen. Er wird nie müde, vom Unterbewusstsein zu sprechen, der kreativen Ressource und wichtigsten Quelle der Inspiration für ein jedes seiner Werke. Er verschweigt seine dunkle Seite nicht und erzählt schon im Voraus von seinem neuesten Projekt, nämlich einer Fernsehserie, die auf dem Roman „Suspiria de Profundis“von Thomas De Quincey basiert. Das Buch hatte Dario Argento schon zu seinem legendären Film „Suspiria“inspiriert. Bei der Fernsehserie übernimmt er die Supervision, und für ein paar Episoden auch die Regie. Dann ein Kinofilm mit dem Titel „The Sandman“mit Iggy Pop als Hauptdarsteller. Alles im bekannten Stil von Argento, nebulöser als je zuvor. „Es sind Produzenten aus verschiedenen Ländern beteiligt“, erklärt er. „Soviel ich weiß, können sie sich nicht einigen (…), es ist schon eine Zeit her, dass sie mir nichts mehr mitteilen.“Aber Geheimnisse sind im Wesentlichen etwas, die auch zu seinem Charakter gehören. Wie entstand Ihre Liebe zum Kino?
Mein Vater war Filmproduzent, bei uns zuhause sprach man also immer über das Kino, oft kamen Schauspieler, Regisseure, Autoren oder Kritiker zum Abendessen.
Meine Mutter hingegen war Photographin, spezialisiert in Frauenporträts. Auch das hat mich sehr beeinflusst, ich hatte immer eine große Aufmerksamkeit für weibliche Persönlichkeiten, und von meiner Mutter habe ich den Einsatz des Lichts gelernt.
Wenn ich mich nicht irre, haben Sie aber als Journalist begonnen...
Richtig, ich wurde Filmkritiker und war ständig im Konflikt mit meinem Chef, der sich immer gegen meine Vorliebe für Low-budget-kassenschlager wehrte! Später ging ich dazu über, Drehbücher zu schreiben, u.a. jenes zu „Spiel mir das Lied vom Tod“, eine sehr wichtige Erfahrung. An einem gewissen Punkt schrieb ich das Drehbuch zu „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe”, und da kam mir die Idee, selber die Regie zu führen. Es war ein großer Erfolg, auch in den Vereinigten Staaten lief er sehr gut, und darum machte ich weiter mit dem, was zur “Trilogie der Tiere werden” sollte.
Was verdanken Sie rückblickend Sergio Leone?
Von ihm habe ich gelernt, was das Kino ist, die Technik, die Möglichkeiten einer Kamera.
Und die Vorliebe für Horrorfilme hingegen, weswegen konnte sie Fuß fassen?
Alles begann, als ich als kleiner Junge „Das Phantom der Oper“von Arthur Lubin gesehen habe.
Er ließ mich eine Welt der Phantasie, des Geheimnisvollen entdecken, die ich nicht kannte und die mich sofort in Beschlag genommen hat. Ich ging dazu über, die Bücher von Edgar Allan Poe oder Bram Stoker zu lesen. Ich begriff, wie sehr mir dieses Filmgenre spezielle Emotionen verlieh, mehr als alle anderen. Über die Jahren hatten Sie die Gelegenheit für großartige Schauspieler Regie zu führen, ausländischen und italienischen. Wer hat bei Ihnen besonders Eindruck hinterlassen?
Jennifer Connelly, sie war noch sehr jung zu den Zeiten von „Phenomena“, dann natürlich meine Tochter Asia, die ihr Debüt in einem von mir produzierten Film hatte, und die dann fünf Mal unter meiner Regie drehte. Ich erinnere mich u.a. auch an eine wunderbare Beziehung zu Harvey Keitel. Ich habe in einer Episode von „Two Evil Eyes“(Originaltitel: Due occhi diabolici) Regie geführt, er ist ein echtes Phänomen. Es gibt aber auch Ausnahmen: Beim Dreh zu „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe” hatte ich ein äußerst schlechtes Verhältnis zu Tony Musante, von der ersten Klappe an. Er wusste, dass ich ein Debütant war, und dachte, er könne alles selber entscheiden, meine Anweisungen waren ihm nie genehm. Gegen Ende der Arbeit ließ er sich meine Adresse geben, und er kam zu mir nach Hause, um es mit Schlägen und Tritten zu versehen.
Tatsächlich? Und wie haben Sie reagiert?
Ich tat so, als sei ich nicht zu Hause, und nach einiger Zeit ging er zum Glück wieder weg. Ein anderes konfliktbeladenes Verhältnis hatte ich zu Cristina Marsillach, die ich persönlich für „Opera“ausgewählt hatte. Doch auch sie zeigte sich von Beginn weg launisch und streitsüchtig. Wir stritten uns während mehreren Tagen, bis ich begann, mit ihr nur noch über meinen Regieassistenten Michele Soavi zu kommunizieren, der sehr viel geduldiger war als ich.
Das nächste Werk des Königs des Grauens wird „The Sandman“heißen, inspiriert von der gleichnamigen Erzählung von E.T.A. Hoffmann,
Wie beschreiben Sie die drei legendären Schauspielerinnen Clara Calamai, Joan Bennett und Alida Valli?
Mit Clara Calamai führte ich Regie in „Inferno“, weil ich eine Schauspielerin des italienischen Films von früher wollte, mit jener Erfahrung und einer vergangenen Art zu rezitieren. Sie war sehr reich, aber sie akzeptierte die Rolle. Als ich zu ihr ging, um sie ihr anzubieten, schlürfte sie dauernd Wodka mit scharfem Pfeffer. Joan Bennett wählte ich für „Suspiria“, auch weil sie die Frau von Fritz Lang war, einem meiner Mythen des Films. Ich hoffte, sie würde mir etwas über ihn erzählen. Aber sie hatte es immer verschoben, bis die Aufnahmen beendet waren und sie mir noch nichts gesagt hatte. Alida Valli wählte ich ebenfalls für „Suspiria“wegen ihres nazihaften Grinsens, und sie war wirklich großartig, wohlerzogen und nett. Aber vor allem trank sie nicht. Bedauern Sie etwas?
Mir bleibt das Bedauern, dass ich einen Film von Lucio Fulci nicht produzieren konnte. Er machte mich wütend, als er „Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies“drehte, die insgeheime Fortsetzung des Films, den er mit George Romero hergestellt hatte, mit welchem ich aber Frieden geschlossen hatte. Er starb zwei Wochen vor Beginn der Dreharbeiten.
Von wem fühlten Sie sich am meisten beeinflusst? Der bereits erwähnte Fritz Land, der deutsche Expressionismus, der frühe dänische Film, Bergman, die „Nouvelle Vague“, Fellini, aber vor allen anderen Alfred Hitchcock, den ich für meinen absoluten Mentor halte, auch wenn ich ihn nie kennengelernt habe.
Wie steht ein Meister des Horrorfilms wie Sie zur Zensur?
Ich war nur einmal der Zensur unterworfen, als die amerikanischen Verleiher gut zwanzig Minuten von „Opera“herausschnitten, übrigens die schönsten Szenen. Dann aber kam meine Revanche. Da ich die Originalkopie aufbewahrt hatte, konnte ich den Film erneut so schneiden, wie ich mir ihn vorgestellt habe, um ihn dann als Homevideo in der Originalversion wieder herauszugeben.
Welche Beziehung haben Sie zum italienischen Film?
Er war gut, bevor sie begannen, ausschließlich und immer auf geistlose und demente Komödien zu setzen, die eher fürs Fernsehen gemacht sind als für das Kino.