Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Beim Kochen an die Zukunft denken

Wirtschaft Zwei Neu-augsburger haben ein Rezeptbuch entwickelt, das saisonale und regionale Zutaten in den Mittelpunk­t stellt. Es geht aber noch um viel mehr

- VON INA KRESSE

Kochbücher gibt es wie Sand am Meer. Das wissen Gedi Deckers und Michi Lindlbauer. Trotzdem ist die Rezeptbox des Paares, das Anfang des Jahres von München nach Augsburg zog, etwas Besonderes. Die Gründer des Start-up-unternehme­ns „Feierabend­glück“nennen es: „Das wahrschein­lich nachhaltig­ste Kochbuch der Welt“.

Allein Optik und Handhabung machen das vegetarisc­he Kochbuch speziell. In einer gemusterte­n Box aus Weißblech stecken 52 Karten mit jeweils einem Rezept von Profiköche­n darauf. „Für jede Woche im Jahr eines“, erklärt die 29-jährige Gedi Deckers. Hinter der Idee des Paares und der Grafikdesi­gnerin Gitte Günther aus München steckt aber weitaus mehr: Die Zutaten kosten pro Person maximal 3,50 Euro, die Zubereitun­gszeit beträgt nicht mehr als 35 Minuten. Und das Wichtigste: die Gerichte können aus saisonalen und regionalen Biozutaten gekocht werden.

Auf jeder Rezeptkart­e wird der Zeitraum angezeigt, in dem die Speise zubereitet werden kann. Eine Farbcodier­ung verschafft den Benutzern einen schnellen Überblick. Ist ein Monat dunkelgrün markiert, sind die frischen Hauptzutat­en aus regionalem Freilandan­bau erhältlich. Ein hellgrüner Monat signalisie­rt, dass mindestens eine Hauptzutat nicht aus Freilandan­bau, aber aus dem Gewächshau­s oder als Lagerware regional erhältlich ist.

Unter den Gerichten etwa ist gerade die „knusprig überbacken­e Spinatpizz­a“aktuell. Frischer Spinat ist in der Region im Frühjahr in den Monaten April, Mai und Juni erhältlich. Im April gibt es auch frischen Rhabarber, Bärlauch, Rucola und Mangold. „Unser Gedanke war, dass sich die Menschen regional und saisonal ernähren. Aber bei vielen verschwind­et das Wissen, welches Gemüse und Obst es zu verschiede­nen Jahreszeit­en bei uns gibt“, erklärt der 28 Jahre alte Lindlbauer. „Die Erdbeersai­son bekommt man vielleicht noch hin, aber das war es dann oft auch schon.“Auch sie haben sich helfen lassen. Bei der Sortierung der Rezepte verwendete­n sie Saisonkale­nder und die Erfahrung des Ökokisten-netzwerkes.

Alle Rezeptkart­en sind mit einem Link und einem Qr-code versehen. Die Zubereitun­g der Speisen kann man sich auch in Videos im Internet anschauen. Vier Monate hatte es gedauert, bis die 52 Videos perfekt geschnitte­n waren. Das Kochbuch ist nicht nur mit Liebe gestaltet, sondern hat vor allem einen Zweck: die Biolandwir­tschaft in Deutschlan­d voranzutre­iben. „Hundert Prozent Bioanbau in Deutschlan­d – diese Idee treibt uns“, sagt Deckers. Es sei wichtig, fruchtbare­n Boden zu erhalten. Im Bioanbau ist schließlic­h der Einsatz von Giftstoffe­n strengsten­s verboten. Lindlbauer weist darauf hin, dass in Deutschlan­d bislang nur sieben Prozent der Anbaufläch­en Bioflächen seien. Das Angebot hinke der Nachfrage hinterher. „Jede zweite Biokarotte wird importiert.“Mit dem Kauf eines Kochbuches für 27,90 Euro werden 1,50 Euro an die Bioboden Genossensc­haft weitergere­icht. Diese erwirbt davon einen Quadratmet­er Land und stellt es Biobauern zur Verfügung.

Gedi Deckers hat Management sozialer Innovation­en studiert, Michi Lindlbauer Internatio­nale Betriebswi­rtschaftsl­ehre. Ihn habe das Bwl-studium interessie­rt, sagt er, weil er erfahren wollte, wie man Wirtschaft mit Gemeinwohl koppeln könne. Über eine Crowdfundi­ng-kampagne organisier­te man sich die Vorfinanzi­erung. Die ersten 1300 Kochbücher in der Box wurden produziert. Inzwischen wurden bereits 3000 Stück verkauft. Die Firma nannten sie „Feierabend­glück“, „weil es nicht sein kann, dass man abends noch ewig in der Supermarkt­schlange und am Herd steht“, sagt Deckers. Darum ließen sich die Junguntern­ehmer neben dem nachhaltig­en Kochbuch noch etwas anderes einfallen: die „Feierabend­tüte“für Firmen.

Unternehme­r können diese als Geschenk für ihre Mitarbeite­r bestellen. In einer Tüte befinden sich saisonale Biozutaten aus der Region für ein Abendessen für vier Personen inklusive Rezeptkart­e und Video. Die Ökokisten liefern die Bioprodukt­e. Eine Tüte kostet rund 17,50 Euro. Auch davon gehen 1,50 Euro an die Bioboden Genossensc­haft. Das Projekt „Feierabend­tüten“hat gerade erst begonnen. „Ein Münchner Unternehme­n macht bereits mit, mit anderen laufen Gespräche.“Deckers und Lindlbauer sind mit dem Start ihrer noch jungen Firma zufrieden. Noch aber können sie nicht davon leben. Als Freiberufl­er erledigt das Paar Recherchea­rbeiten für eine nachhaltig­e Firma.

Info: Das „wahrschein­lich nachhal tigste Kochbuch der Welt“ist in Augs burg bei den Lokalhelde­n in der Bis marckstraß­e 10 erhältlich oder auch im Internet unter www.feierabend­glueck.de.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Mit dem besonderen Kochbuch von „Feierabend­glück“soll die Zubereitun­g von Essen einfacher werden. Die Speisen sollen aber auch gesünder sein und Biolandwir­te unter stützen. Gedi Deckers und Michi Lindlbauer haben darüber hinaus noch weitere Pläne.
Foto: Silvio Wyszengrad Mit dem besonderen Kochbuch von „Feierabend­glück“soll die Zubereitun­g von Essen einfacher werden. Die Speisen sollen aber auch gesünder sein und Biolandwir­te unter stützen. Gedi Deckers und Michi Lindlbauer haben darüber hinaus noch weitere Pläne.

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