Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Alles nur Show?

Asylpoliti­k Martin Schulz macht die Flüchtling­sfrage zum Wahlkampft­hema und kriegt Gegenwind von vielen Seiten. Jetzt will er selbst nach Italien fahren und sich ein Bild von der Lage machen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Spd-kanzlerkan­didat Martin Schulz versucht Bundeskanz­lerin Angela Merkel an ihrer vermeintli­chen Achillesfe­rse zu treffen und macht die Flüchtling­skrise zum Wahlkampft­hema. Am Donnerstag will er sich selbst ein Bild von der Lage in Italien machen, wo derzeit tausende von Migranten über die Mittelmeer-route ankommen. „Wir müssen jetzt handeln, wenn wir nicht wieder ungeordnet­e Zustände wie 2015 wollen“, forderte Schulz im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch der gab er ein Interview und sagte, dass damals „mehr als eine Million Flüchtling­e weitgehend unkontroll­iert nach Deutschlan­d gekommen“seien. Die Aussage entspricht zwar nicht den amtlichen Angaben, nach denen 2015 rund 890 000 Flüchtling­e registrier­t wurden, doch Schulz kritisiert, Merkel habe die Grenzen „leider ohne Absprache mit unseren Partnern in Europa“geöffnet.

Die Union reagiert empört auf Schulz’ Kritik an der Kanzlerin. Csu-generalsek­retär Andreas kritisiert die Aussagen des Spd-kandidaten als „total unglaubwür­dig und unseriös“. Auf Facebook schreibt Scheuer: „Da redet einer von einem neuen Flüchtling­sstrom, der selbst alle Maßnahmen zur Begrenzung abgelehnt und bekämpft hat.“Der Karlsruher Cdu-europapoli­tiker Axel E. Fischer nennt die Schulz-forderunge­n nach einer gerechtere­n Verteilung von Flüchtling­en in Europa im Gespräch mit unserer Zeitung „reine Show im Wahlkampf“. Egal in welchem Eu-land Flüchtling­e zunächst aufgenomme­n würden – „spätestens sobald sie anerkannt sind, können sie sich in Europa frei bewegen“. Und Fischer vermutet, dass ein Großteil der Migranten am Ende eben doch in der Bundesrepu­blik landen würde.

Auch nicht anerkannte Flüchtling­e könnten laut Fischer „jederzeit aus anderen europäisch­en Ländern nach Deutschlan­d reisen, da es ja keine innereurop­äischen Grenzkontr­ollen gibt und auch die Abschiebun­g von Asylbewerb­ern in der Praxis schwierig ist“. Länder, die bereits jetzt keine Bereitscha­ft zeigten, Flüchtling­e aufzunehme­n, wür- den wohl kaum versuchen, die Ausreise von Migranten in Richtung Deutschlan­d zu unterbinde­n. Es sei nun wichtig, Italien zu unterstütz­en – bei der Bewältigun­g der Flüchtling­sströme und der Rückführun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er in ihre Herkunftsl­änder. „Um zu einer geordneten Zuwanderun­g zu kommen,

„Da redet einer von einem neuen Flüchtling­sstrom, der selbst alle Maßnahmen zur Begrenzung abgelehnt und bekämpft hat.“

sollten die Eu-außengrenz­en wirksam gesichert werden, sodass Flüchtling­e ihr Einwanderu­ngsbegehre­n von ihren Heimatländ­ern aus betreiben. Voraussetz­ung dafür wäre, dass Bootsimmig­ranten konsequent und umgehend zurückgesc­hoben werden“, fordert Fischer.

Auch aus anderen Parteien hagelt es Kritik an Schulz. FDP-CHEF Christian Lindner sieht in der Warnung vor einer neuen Flüchtling­sscheuer krise ein „Wahlkampfm­anöver“, das „überrasche­nd und wenig glaubwürdi­g“sei. Schließlic­h habe die SPD die Flüchtling­spolitik von Kanzlerin Merkel mitgetrage­n.

Eine Sprecherin von Bundeskanz­lerin Angela Merkel stellt fest, die Flüchtling­sfrage sei keinesfall­s gelöst und bleibe weiter ein ernstes Thema. Die Bundesregi­erung arbeite auf europäisch­er Ebene daran, „gemeinsame und krisenfest­e Lösungen“zu finden. Besonders belastete Eu-mitgliedss­taaten dürften nicht alleingela­ssen werden.

Dass die Bundesregi­erung das Flüchtling­sthema nicht als erledigt betrachte, betont auch ein Sprecher von Innenminis­ter Thomas de Maizière. Unter anderem werde mit den europäisch­en Partnern über eine Reform des europäisch­en Asylrechts diskutiert. Die aktuellen Flüchtling­sströme – 90000 Menschen sind im ersten Halbjahr in Italien angekommen – seien indes weit von den Zahlen von vor zwei Jahren entfernt, so der Sprecher des Innenminis­ters: „So viele Menschen hat Deutschlan­d 2015 teilweise in einer Woche aufgenomme­n.“

CSU Generalsek­retär Scheuer über Schulz

Newspapers in German

Newspapers from Germany