Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Küste zum Blaumachen

Istrien Das einstige Seebad Opatija hat sich viel von seinem kaiserlich­en Charme erhalten, denn hier gingen einst Sisi und Franz in die Sommerfris­che. Viele der herrschaft­lichen Villen gehören inzwischen reichen Russen

- VON WILLIAM HARRISON ZEHELEIN

Nur wenige hundert Kilometer Luftlinie von Bayern entfernt ist das Meer türkisblau, die Natur unberührt und das Flair kaiserlich-mediterran. Kroatien lockt mit 1185 Inseln und 5835 Küstenkilo­metern, und „Hrvatska“boomt wie nie zuvor. 2017 wird nach Angaben des kroatische­n Tourismusa­mts die Rekordzahl von rund 15 Millionen Touristen aus dem Ausland erwartet. Bei den Deutschen besonders beliebt ist die Halbinsel Istrien – gleich im Norden des Landes und gut mit dem Auto erreichbar.

Hier folgt eine Traumbucht der nächsten. Fährt man die Küste Istriens in Richtung Süden entlang, gelangt man irgendwann in das romantisch-verschlafe­ne Küstenstäd­tchen Opatija – einst als Kurort „Abbazia“Teil des österreich­isch-ungarische­n Kaiserreic­hs und gleichzeit­ig eines der Lieblings-urlaubsdom­izile von Kaiserin Sisi und ihrem Franzl. Nicht nur Sisi urlaubte gerne in der schönen Umgebung – auch manchem Tatort-zuschauer wird der Name „Opatija“bekannt vorkommen: Hier wohnt, allerdings nur im Film, die kroatische Tante des Münchener Kommissars Ivo Batic, die er regelmäßig besucht. Immer wieder schwärmt er in den Tatort-folgen von der Schönheit Opatijas. Und tatsächlic­h hat dieser kaiserlich­e Ort nur wenig vom Charme früherer Zeiten verloren.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts war Opatija ein internatio­nal anerkannte­r Kur- und Badeort, wo sich der Adel Europas erholte. Es galt als „Nizza der Adria“. Die gute Luft dort schützte vor Lungenentz­ündungen, Asthma oder Rheuma. Selbst Sigmund Freud soll seinen Patienten geraten Sie nach Abbazia!“

Nach dem Ende von Österreich­ungarn wurde „Abbazia“, das ursprüngli­ch im 15. Jahrhunder­t von Benediktin­er-mönchen gegründet worden war, an Italien übergeben und nach 1945 schließlic­h an Jugoslawie­n. Danach bekam der Kurort wieder seinen alten ursprüngli­chen Namen Opatija und geriet etwas in Vergessenh­eit. Nach dem Balkankrie­g wurde die Stadt 1991 wieder Teil Kroatiens. Es folgten der Aufschwung und die Wiederbele­bung des Kurorts. Nun sollten nicht mehr nur Adelige und Kranke, sondern auch die ganz „normalen“Urlauber kommen. Und das tun sie auch.

Denn im heutigen Opatija kann man sich wohlfühlen – auch mit Blick auf die Geschichte. An vielen Ecken dieses mondänen 12 000-Einwohner-städtchens ist der Geist der K.-und-k.-zeit noch spürbar. Am deutlichst­en entlang des „Lungoma- haben:

Kurz informiert

„Fahren

Anreise Mit dem Auto über die A8, die österreich­ische A10 und die slo wenische E61, rund 590 Kilometer, Fahrtzeit ca. 6 Stunden. Mit dem Flugzeug ab München oder Stuttgart nach Rijeka mit Croatian Airlines bzw. Eurowings, Flugzeit ca. 1 Stunde 20 Minuten, ab 120 Euro. Mit dem Fernbus (Flixbus) ab München mit Um stieg in Ljubljana, Fahrtzeit ca. 10 Stunden 40 Minuten, ab 75 Euro. Mit dem Zug ab München nach Rijeka (Direktverb­indung), Fahrtzeit ca. 10 Stunden, ab 130 Euro.

Sehenswürd­igkeiten Die Uferpro menade „Lungomare“, die Parkan re“, der Küstenprom­enade des Seebads. Der zwölf Kilometer lange Weg führt Wanderer seit 1889 zwischen Villen im italienisc­hen Stil und dem dominanten Türkis des spiegelgla­tten Meeres durch subtropisc­he Vegetation am Ufer entlang, vorbei an alten Kirchen, nostalgisc­hen Grandhotel­s und prächtigen Parkanlage­n. So ähnlich sieht es auch am Lago Maggiore oder am Comer See aus, aber die Vielfalt der Natur hier ist wesentlich größer: Da wächst wilder Spargel, gedeihen Bananen und überrasche­n die Kamelien mit seltener Blütenprac­ht.

Über den kleinen Hafen wacht das Wahrzeiche­n Opatijas – die Statue des Mädchens mit der Möwe. Wie zu Sisis Zeiten werfen die Fischer auch heute ihre Netze aus: Seehechte, Goldbrasse und Rotbarsche aus der anliegende­n Kvarner Bucht gelten als kulinarisc­he Spezialitä­ten. Aber nicht nur Gourmets kommen in Opatija auf ihre Kosten. Mit einer Vielzahl an Villen im Stil des Historismu­s und des Jugendstil­s ist Opatija wohl das bedeutends­te Beispiel eines Seebades der ehemaligen österreich­ischen Riviera. Viele der oft herunterge­kommenen Villen wurden restaurier­t und sind heute im Besitz von reichen Investoren aus Russland und Österreich. Einige kann man für einen Urlaub mieten, für den kleinen Geldbeutel gibt es aber auch günstige Hotels und Campingplä­tze. Opatija hat wieder den besonderen Charme früherer Glanzzeite­n, allerdings ohne die Exklusivit­ät, die den Kurort vor 100 Jahren zum Refugium der Reichen und Schönen machte. Heute machen auch viele Rentner aus Deutschlan­d und Österreich Urlaub hier, ebenso junge Leute und Familien.

Das ruhige Opatija dient der Erholung, aber gleich nebenan, in der Hafenstadt Rijeka mit ihren 30000 Einwohnern zeigen die Kroaten, wie sie die Nacht durchfeier­n. An die Zeit, als Rijeka (damals Fiume) noch eine internatio­nal bedeutende Hafenstadt des Kaiserreic­hs war, erinnern nur noch verrostete Kähne. Hier ist man tatsächlic­he in einer ganz anderen Welt: Viele junge Menschen, umtriebige Bars, moderne Einkaufsze­ntren und hippe Diskotheke­n locken die feierfreud­ige Jugend auch aus Deutschlan­d.

Aber wer die Augen offen hält, sieht auch die Schattense­iten des „neuen Kroatien“: Die Armut und Hoffnungsl­osigkeit vor allem der älteren Menschen, die tristen Plattenbau­wohnungen, die jungen Menschen ohne Perspektiv­e. Der jugoslawis­che Bruderkrie­g hat seine Spuren hinterlass­en. Die Arbeitslos­igkeit beträgt in Rijeka rund elf Prozent. Umso wichtiger bleibt für die Region der Tourismus.

Die österreich­ische Hoteldirek­torin Bettina Tiefenbach­er betreibt etwas außerhalb von Rijeka das Grand-hotel Kvarner Palace. Sie freut sich von Jahr zu Jahr über immer mehr Gäste aus Deutschlan­d. „Die Unruhen im konkurrier­enden Nachbarlan­d Türkei und die Angst vor Terror bewegen immer mehr Deutsche dazu, bequem und sicher mit dem Auto in den Urlaub fahren zu wollen – und dafür ist Kroatien natürlich ideal“, sagt Tiefenbach­er. Von Deutschlan­d aus fahren sogar Fernbusse nach Rijeka und Opatija. Viele Urlauber nützen die Gegend als Zwischenst­opp, bevor sie auf die Inseln Krk, Cres und Losinj weiterfahr­en, die man von Opatija aus am Horizont erahnen kann.

Doch man kann auch einfach hier bleiben und die gute Luft und das Meer genießen – wie einst Sisi und Kaiser Franz oder wie heute die berühmte Tante von Tatort-kommissar Batic.

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