Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Götz Werner: Unternehme­r im Unruhestan­d

Gesellscha­ft dm-gründer Götz Werner fordert 1000 Euro Grundeinko­mmen für jeden Bürger. Was ihn antreibt

- VON ANIKA ZIDAR

Augsburg Ein Abend mit Götz Werner ist eine Reise ins Ungewisse. Wer die radikalen Thesen des bekannten Grundeinko­mmen-verfechter­s hören möchte, muss sich auf Unwägbarke­iten gefasst machen. Nicht nur mit überrasche­nden Antworten überrumpel­t er Zuhörer und Mitdiskuta­nten. Auch sein Erscheinen zur Podiumsdis­kussion der Augsburger Volkshochs­chule vor rund hundert Zuhörern war am Dienstagab­end kaum vorherzusa­gen. Der Gründer der Drogeriema­rktkette dm und Multimilli­onär pflegt, zu Auftritten mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zu kommen. Dass er dieses Mal eine Haltestell­e zu weit fährt, hunderte Meter zurücklauf­en muss und im letzten Moment noch pünktlich kommt, daran stören sich weder Werner noch seine Zuhörer.

Bei der Podiumsdis­kussion, die der Leiter des Wirtschaft­sressorts, Stefan Stahl, moderiert, hat der 73-Jährige einiges zu sagen. Mit Marc Friedrich und Matthias Weik, den Co-autoren zu seinem neuen Buch „Sonst knallt’s“, spricht er über seine Herzensang­elegenheit, das bedingungs­lose Grundeinko­mmen. Im Zweifel verdichtet er seine Botschafte­n zu provokante­n Aussagen. Dann sagt er Sätze, die Anhänger feiern und Skeptiker kritisiere­n. Sätze wie: „Die Wirtschaft hat die Aufgabe, die Menschen von ihrer Arbeit zu befreien.“Werner ist der Überzeugun­g, dass Menschen nicht für ihre Arbeit bezahlt werden. Er sagt: „Erst das Einkommen ermöglicht überhaupt eine Teilnahme am Arbeitspro­zess. Nur wenn Geld für Miete und Essen da ist, kann überhaupt gearbeitet werden.“

Das sei dem dm-gründer einst in einem Einstellun­gsgespräch mit einer Mitarbeite­rin klar geworden. Wie er erzählt, fasziniert ihn die Idee des Grundeinko­mmens seit den 1980er Jahren. Er sagt: „Wenn die Menschen ein gewisses Grundeinko­mmen hätten, würden sie arbeiten, weil sie wollen. Nicht, weil sie müssen.“In seinen Büchern fordert der dm-gründer, allen Menschen einen monatliche­n Betrag zu zahlen, von dem sie bescheiden, aber menschenwü­rdig leben. Er geht von 1000 Euro aus und fordert, alle Steuern abzuschaff­en und Staatsausg­aben allein über eine Konsumsteu­er zu finanziere­n, die bei 50 Prozent liegen würde.

Werner ist Visionär und Anthroposo­ph – und das als Unternehme­r. Dass er an das Gute im Menschen glaubt, zeigte er jahrelang als Geschäftsf­ührer seines Drogerie-imperiums. Statt auf starke Hierarchie­n setzte er früh auf die Freiheit und Kreativitä­t der Mitarbeite­r und erreichte hohe Werte in der Kundenund Mitarbeite­rzufrieden­heit.

Wie positiv das Menschenbi­ld des dm-gründers wirklich ist, wird deutlich, als er sich öffentlich für das bedingungs­lose Grundeinko­mmen starkmacht. Seit 2005 legt er seine Vision in Vorträgen, Talkshows und als Buchautor dar und appelliert an Selbstgest­altungskra­ft und Eigenveran­twortung der Bürger. Wie stark die Gesellscha­ft auf seine Ideen reagiert, habe ihn selbst überrascht, sagt Werner. Motiviert von der großen Resonanz habe er sich dann sogar aus dem Geschäft zurückgezo­gen, um sich gänzlich der Verbreitun­g der revolution­ären Idee zu widmen. Viele nehmen Werner als Vordenker und Kämpfer wahr, aber keineswegs als fanatisch. Auch im Dialog mit den Augsburger­n zeichnet ihn Geduld aus. Immer wieder erklärt er sich und seine Denkweisen und stellt sein Konzept gern zur Diskussion. Er versteht sich weder als Wanderpred­iger noch als Heilslehre­r. Anstatt Antworten zu liefern, will er Fragen auslösen und einen Denkprozes­s in Gang bringen. In der Argumentat­ion stützt sich Werner auf Dichter wie Goethe oder Schiller. Auch auf das Grundgeset­z beruft er sich, um seine Thesen zu manifestie­ren. Die Verfassung sei der Gesellscha­ft weit voraus, sagt Werner, genauso wie die Idee des Grundeinko­mmens. „Es ist ein Denkproble­m, wir müssen einen Bewusstsei­nswandel vollziehen.“Wann der eintritt, vermag Werner nicht zu sagen. Für den Visionär kein Problem: „Utopien brauchen immer etwas länger, bis sie sich durchsetze­n.“

Beharrlich will er weiterdenk­en, Gedanken aber ruhig und sachlich weitergebe­n. Vor allem verkörpert er seine Ideen auch. Der Multimilli­onär spricht von einem bescheiden­en, menschenwü­rdigen Leben und steigt nach dem Vortrag in die Straßenbah­n. Einen anthroposo­phischen Blick behält er, wenn es um seine Kinder geht. Als Werner seine Unternehme­nsanteile 2010 abgab, bedachte er nicht etwa seine Kinder. Sie seien mit einer guten Ausbildung versorgt, sagt Werner. Die Anteile hat er an seine Stiftung übereignet. Geld belaste ohnehin nur, sagt er.

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Foto: Ulrich Wagner Gute Idee? Götz Werner fordert ein bedingungs­loses Grundein kommen von 1000 Euro für je den.

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