Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„In Jerusalem schlägt das Herz Israels“

Regierung fürchtet Welle der Gewalt

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Herr Shalicar, Sie arbeiten als Abteilungs­leiter für internatio­nale Beziehunge­n für die israelisch­e Regierung. Was ändert sich, wenn die USA Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen? Gefühlt ist sie seit 3000 Jahren die Hauptstadt der Juden. Shalicar: Diese Entscheidu­ng hat für jeden Juden einen hohen Symbolwert. Aber natürlich hoffen wir, dass dadurch ein Domino-effekt entsteht und andere Länder dem Beispiel der USA folgen und ihre Botschafte­n nach Jerusalem verlegen. Eine solche neue Einigkeit könnte auch die Friedensve­rhandlunge­n mit den Palästinen­sern wieder voranbring­en.

Im Moment sieht es eher nach dem Gegenteil aus. Es hagelt weltweit Kritik an Trumps Kurs. Shalicar: Der Friedenspr­ozess stockt seit Jahren. Das liegt in erster Linie an den Palästinen­sern, die mindestens drei Mal die Chance hatten, Ja zu sagen und jedes Mal Nein gesagt haben. Jerusalem war schon immer die Hauptstadt des jüdischen Volkes, und wenn wir ehrlich sind, dann sind im Nahen Osten nicht mehr die Palästinen­ser das Problem, sie werden irgendwann einsehen, dass sie mit Israel an ihrer Seite leben müssen. Das Problem ist der Iran.

Etliche israelisch­e Ministerie­n sitzen ohnehin in Tel Aviv. Warum nicht alles belassen, wie es ist? Shalicar: Ich arbeite selbst in Jerusalem, das Parlament hat seinen Sitz Die Palästinen­ser drohen mit einem neuerliche­n Aufstand. Droht Israel nun eine neue Welle der Gewalt? Shalicar: Gewalt ist keine Lösung, das sagt selbst ihr Anführer Mahmud Abbas. Trotzdem fürchte ich, dass wir unsere Sicherheit­smaßnahmen verschärfe­n müssen, wenn die Palästinen­ser sich wieder für den Weg des Terrors und nicht den Weg der Verhandlun­gen entscheide­n.

Kann Jerusalem auch die Hauptstadt zweier Staaten sein, des israelisch­en und eines palästinen­sischen? Shalicar: Theoretisc­h ja, praktisch ist das nicht so einfach. In den Friedensve­rträgen, zu denen die Palästinen­ser immer Nein gesagt haben, war auch eine Teilung Jerusalems vorgesehen. Auch das haben sie unter dem Druck der Straße abgelehnt. Einen Friedensve­rtrag zu unterschre­iben – das hieße ja, das Existenzre­cht Israels anzuerkenn­en.

Wenn es stimmt, dass der Friedenspr­ozess mit dem Status von Jerusalem steht und fällt: Was bezweckt Trump dann mit seiner Entscheidu­ng? Shalicar: Ich war gerade in Washington und habe dort den Eindruck gewonnen, dass die USA hinter den Kulissen vor allem mit Saudi-arabien und Jordanien, aber auch mit anderen arabischen Staaten reden. Sie richten ihren Fokus nicht mehr so sehr auf die Palästinen­ser wie die Europäer, sondern auf die Region insgesamt.

Zur Person Arye Sharuz Shalicar ist als Sohn iranischer Juden in Berlin aufgewach sen und 2001 nach Israel ausgewande­rt. Dort war der studierte Politologe unter anderem acht Jahre Sprecher der Armee.

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Foto: M. Gambarini, dpa Sieht Palästinen­ser Sharzu Shalicar in der Pflicht: Arye hier, das Außenminis­terium und auch der Oberste Gerichtsho­f. Hier schlägt, wenn man so will, das Herz Israels.

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