Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auf Missionsku­rs

Hintergrun­d In Augsburg wurde ein Manifest für ein „Comeback der Kirche“präsentier­t. Wie genau das gelingen soll und was bereits getan wird, um junge Leute für den Glauben zu begeistern

- VON ALOIS KNOLLER UND DANIEL WIRSCHING

Augsburg Von Augsburg aus soll die Erneuerung der katholisch­en Kirche ausgehen. Angestoßen durch ein Manifest, gerade als Buch erschienen, mit zehn Thesen, die auf der ökumenisch­en „Mehr“-konferenz in Augsburg vorgestell­t wurden. Nach menschlich­em Ermessen werde, so heißt es im Manifest, die Kirche in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz „in wenigen Jahren kaum mehr eine gesellscha­ftlich wahrnehmba­re Rolle spielen“. Dem setzen die Initiatore­n entgegen: „Wir wollen, dass Mission Priorität Nummer eins wird.“

Das „Comeback der Kirche“soll gelingen durch „eine Welle des Gebets“, den Zusammensc­hluss verschiede­ner Initiative­n und Gruppen und eine Neuausrich­tung kirchliche­r Strukturen in der Seelsorge – diese müsse „missionari­scher“, „expansiver und offener“werden. Ohne indoktrini­eren zu wollen. Bis gestern haben 2151 Personen im Internet das Manifest unterzeich­net.

Wer steckt dahinter? Kann diese Initiative einen Beitrag gegen steigende Kirchenaus­trittszahl­en und sich leerende Gotteshäus­er leisten? Und: Stehen das Manifest und die nicht unumstritt­ene „Mehr“-konferenz für die Kirche der Zukunft?

Mehr als 11000 Menschen, überwiegen­d aus dem deutschspr­achigen Raum mit einem Altersdurc­hschnitt unter 40, nahmen an der Konferenz teil. Katholiken, Protestant­en aus Landes- und Freikirche­n, Nichtchris­ten. Ein Höhepunkt: die Vorstellun­g des Missions-manifests durch seine Initiatore­n Johannes Hartl, Gründer des Gebetshaus­es Augsburg und katholisch­er Theologe, sowie Bernhard Meuser. Der katholisch­e Publizist aus Friedberg arbeitete von 2011 bis 2013 als Geschäftsf­ührer der Mediengrup­pe Sankt Ulrich Verlag der Diözese.

Das Gebetshaus Augsburg, Veranstalt­er der Konferenz, lässt sich der „charismati­schen Erneuerung“

Die Menschen suchen die emotionale Ansprache

in der Kirche zurechnen – eine Bewegung, die das Wirken des Heiligen Geistes hervorhebt. Zum Programm gehörten Lobpreis, Konzerte, Vorträge wie „Jubeln für Anfänger“, Themen wie „Ein Leben frei von Pornografi­e ist möglich“.

Peter Zimmerling, protestant­ischer Theologie-professor an der Uni Leipzig, kritisiert, dass in charismati­schen Bewegungen Ansichten verbreitet sind wie diese: Krankheite­n könnten durch „Heilungsge­bete“besiegt werden oder seien der Wille Gottes. Zugleich sagt er: „Es würde der katholisch­en und evangelisc­hen Kirche guttun, Impulse der charismati­schen Bewegungen zu übernehmen.“Er denke da an die emotionale­re Ansprache der Gläubigen, die Art des intensiven Betens oder der modernen Verkündigu­ng über soziale Netzwerke.

Im Bistum Augsburg spielt dies eine immer größere Rolle. Wenn nur noch 13 Prozent der 1,3 Millionen Katholiken zum Gottesdien­st kommen, sollte die Kirche die 87 Prozent anders aufsuchen, denkt man. Und so streben das Institut für Neuevangel­isierung der Diözese und der Diözesanju­gendpfarre­r Florian Markter auch mit unkonventi­onelleren und innovative­n Mitteln eine „einladende“Kirche an.

Bei neuartigen Veranstalt­ungsformat­en wie „Nightfever“, das über die päpstliche­n Weltjugend­tage ins Bistum kam, funktionie­rt es. Über tausend Besucher zähle man an solchen Abenden im Augsburger Dom; viele von ihnen Passanten, die anderes im Sinn gehabt hätten, als samstagnac­hts in eine Kirche zu gehen, berichtet Markter. Junge Leute schenken ihnen eine Kerze und laden sie ein, diese im Dom für ein Herzensanl­iegen am Altar anzuzünden. „Es ist erstaunlic­h, was so eine kleine Geste erreichen kann“, sagt Markter. Verblüffen­des kann sich bei Kerzenlich­t, meditative­r Musik, Weihrauchd­uft und einer irgendwie heiligen Atmosphäre ergeben. Manche Besucher würden sich spontan bei den anwesenden Priestern ausspreche­n, manche sogar beichten.

Inzwischen gibt es im Bistum auch den „Abend der Versöhnung“, die „Nacht der Lichter“, zentrale Jugendgott­esdienste. Jugendpfar­rer Markter sagt, solche Veranstalt­ungen könnten der Beginn für ein Glaubensle­ben sein. Weil sie eine Beziehung zu Jesus Christus stiften. „Das hat Relevanz für mein Leben: Den ich da erlebe, der will mir Gutes, der liebt mich, so wie ich bin.“

Sogar von Haus zu Haus ziehen junge Katholiken inzwischen während der jährlichen Missionari­schen Woche. Katharina Weiß vom Institut für Neuevangel­isierung hört von ergreifend­en Erfahrunge­n. „Gibt es etwas, wofür wir für Sie beten können?“, fragten Missionare einen Mann, der eben noch ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen wollte. „Es kamen ihm die Tränen und es folgte ein Gespräch über eine Stunde.“

„Niederschw­ellig“sollen die Angebote einer missionari­schen Kirche sein, viele richten sich an junge Menschen. Wie das Whatsapp-gebetsnetz­werk „Einfach gemeinsam beten“. Oder credo-online.de, eine Plattform des Bistums Augsburg. Auf der ist Raphael Schadt mit „Psalmobeat­s“vertreten – Videos mit gesungenen und gerappten Bibeltexte­n, die in sozialen Netzwerken tausendfac­h aufgerufen werden.

Schadt engagierte sich im Gebetshaus Augsburg. Jetzt arbeitet er als Blog-koordinato­r und Medienassi­stent für credo-online.de. Er zählt zu den Erstunterz­eichnern der „Mission Manifest“. Zwischen den einzelnen missionari­schen Angeboten, Initiative­n und Jugendbewe­gungen bestehen zahlreiche Überschnei­dungen – inhaltlich wie personell.

J. Hartl, K. Wallner, B. Meuser (Hrsg.): Mission Manifest: Die Thesen für das Comeback der Kirche. Verlag Herder, 240 Seiten, 20 Euro

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Lobpreis und Konzerte: Mehr als 11 000 Menschen nahmen nach Veranstalt­erangaben kürzlich an der ökumenisch­en „Mehr“Konferenz in Augsburg teil. 2011 waren es rund 900. Höhepunkt der Veranstalt­ung: die Präsentati­on eines Manifests. In dem wird gefordert,...
Foto: Silvio Wyszengrad Lobpreis und Konzerte: Mehr als 11 000 Menschen nahmen nach Veranstalt­erangaben kürzlich an der ökumenisch­en „Mehr“Konferenz in Augsburg teil. 2011 waren es rund 900. Höhepunkt der Veranstalt­ung: die Präsentati­on eines Manifests. In dem wird gefordert,...

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