Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Heimatmuseum geht mit der Zeit
Heimat Wenn im Herbst in Friedberg das sanierte Wittelsbacher Schloss wieder öffnet, werden die Besucher die Vergangenheit ganz neu erleben – modern und digital. Die Leiterin erklärt, warum Originale und Objekte dennoch unverzichtbar sind
Frau Arnold-becker, was sind die Hauptaufgaben des Friedberger Museums? Alice Arnold Becker: Es geht darum, Objekte, die für die Vergangenheit der Stadt Friedberg bedeutsam sind, zu sammeln, ihre Geschichte zu vermitteln und sie für kommende Generationen zu bewahren.
Und damit auch ein Stück Heimat zu bewahren? Arnold Becker: Auf jeden Fall. Wir haben zwar keinen Picasso oder Dalí an der Wand hängen, aber dafür verraten uns die Exponate wichtige Dinge über das Leben in der Stadt über die Jahrhunderte hinweg.
Wie viel Heimat steckt im Museum? Arnold Becker: Das Museum wurde 1886 als (Kunst-)historisches Museum gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es Heimatmuseum genannt. Seit etwa 15 Jahren heißt es Museum im Wittelsbacher Schloss. Auch wenn Heimat nicht mehr im Namen steckt, kann der Besucher viel darüber erfahren. Letztlich entspricht die Sammlung aber nicht dem klassischen Heimatmuseum, da Friedberg im wesentlichen eine Gewerbestadt war.
Welches Gewerbe hat die Stadt besonders geprägt? Arnold Becker: Die Uhrmacher waren über Jahrhunderte sehr bedeutend für Friedberg. Dass sich gerade Friedberg zu einem Zentrum der Feinmechanik entwickelte, ist durchaus bemerkenswert. Sicher lag es an der Nähe zu Augsburg und daran, dass Friedberg eine Grenzstadt war. In Augsburg arbeiteten nicht nur berühmte Goldschmiede, sondern auch Uhrmacher. Diese lockte man zum Teil über die Grenze nach Friedberg.
Arnold Becker: Heimat ist für mich einerseits Stuttgart, wo ich aufgewachsen bin, aber mindestens ebenso fühle ich mich hier zu Hause. Meine Familie wohnt hier, mein Sohn ist hier geboren. Die hügelige Landschaft und der Kulturraum spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Sollte ein Heimatmuseum vor allem Einheimische oder auch ein größeres Publikum ansprechen? Arnold Becker: Natürlich sind die Friedberger unser erstes Zielpublikum, aber ebenso möchten wir allen anderen Besuchern die Geschichte der Stadt näherbringen. Im Museum können sie ja auch viele allgemein interessante Dinge erfahren. Neh- men wir nochmals das Uhrmacherhandwerk: Da wären einerseits die technischen Errungenschaften, dann die sozialgeschichtlichen Aspekte, auch Frauen waren am Handwerk beteiligt, oder aber das Thema Aufstieg und Fall eines Metiers. Die Friedberger Uhrmacher haben über Jahrhunderte sehr erfolgreich gearbeitet, doch dann kam es zum dramatischen Niedergang – von einst 80 in der Stadt tätigen Uhrmachern blieben im 19. Jahrhundert gerade mal eine Handvoll übrig. Solche Entwicklungen gibt es auch heute noch überall.
Wie können gerade kleinere Museen es schaffen, Besucher anzulocken? Arnold Becker: Das würde wohl jeder Museumsleiter gerne wissen, vor allem, wenn es darum geht, die Nichtbesucher fürs Museum zu begeistern. Wir haben festgestellt, dass man über Sonderausstellungen viel bewirken kann. Bei der neuen Sammlungspräsentation hoffe ich, über eine eigene Kinderlinie, Mitmachstationen und thematische Vielfalt ein breites Publikum zu gewinnen. Noch ist das Museum wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Aber das neue Konzept steht. Was hat sich im Verlauf der Jahrzehnte im Museum verändert? Arnold Becker: Wenn man Fotos um die Jahrhundertwende von unserem Museum anschaut, sieht man, dass damals einfach alles ausgestellt wurde, was man gesammelt hatte. Es gab kein Depot, und es war auch noch nicht professionalisiert, sondern von Ehrenamtlichen getragen. Meine Vorgängerin war die erste wissenschaftliche Kraft. Sie hat ab 1976 zu vielen wichtigen Friedberger Themen geforscht. In den 1980er Jahren wurde beim Sammeln das Augenmerk auf die Alltagskultur gelegt. Man interessierte sich nicht mehr nur für die Fürsten und Adeligen, sondern sammelte das, was der einfache Mann besessen hat. Über das Jahrhundert betrachtet, ging es im Museum immer mehr in Richtung Strukturierung, Reduktion der ausgestellten Exponate und hin zur Vermittlung. Arnold Becker: Ich denke, langfristig punkten Museen vor allem mit ihren Originalen. Wir zeigen echte Zeitzeugen der Vergangenheit. Der Besucher steht Objekten gegenüber, die, denken wir etwa an die archäologische Abteilung, Menschen vor bald 2000 Jahren gefertigt haben. Freilich verschließen wir uns nicht den digitalen Angeboten, denn sie bieten tolle Möglichkeiten, um Informationen zu vermitteln. Aber sie veralten auch sehr schnell und für die Aktualisierung fehlt dann oft das Budget. Außerdem ist heutzutage gerade für Jugendliche und Kinder der Umgang mit digitalen Medien selbstverständlich. Für sie ist es nach unserer Erfahrung tatsächlich reizvoller, dem Original nahe zu kommen.
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von der in einem großen Museum? Arnold Becker: In einem großen Museum teilt sich die Arbeit auf viele Experten auf. Hier bin ich für alle Bereiche zuständig, aber genau deshalb liebe ich meine Arbeit. Die Forschung kommt leider zu kurz, aber die Vielfalt macht Spaß. Was bedeutet Ihnen Kunst? Arnold Becker: Kunst ist enorm wichtig. Sie bereichert unser Leben, eröffnet neue Welten und lädt zum Innehalten ein. Ich kann mir mein Büro nicht ohne ein Bild vorstellen. Eine Welt ohne Kunst wäre eine traurige Welt. In der heutigen Architektur vermisse ich oft das Künstlerische. Die historischen Fassaden und alten Platzanlagen in Friedberg und Augsburg empfinde ich als viel lebendiger, lebensfroher und individueller. Sie prägen unsere Heimat bis heute ganz entscheidend. Ohne sie wäre alles nur quadratisch und schmucklos und es würde sich wohl kaum ein Tourist aufmachen, unsere Städte zu besuchen.