Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie ein Polizist zum Retter von Greifvögel­n wird

Porträt Bernhard Wolf arbeitet am Augsburger Hauptbahnh­of. Dort bekommt er es auch mit Tieren zu tun. Der 59-Jährige hat ein außergewöh­nliches Hobby, das ihm einmal fast eine kulinarisc­he Katastroph­e beschert hätte

- VON INA KRESSE

Gleis 2 am Augsburger Hauptbahnh­of wurde neulich kurzzeitig gesperrt. Wegen eines Vogels. Ein Fahrgast hatte aus einem Zug heraus das Tier am Gleis gesehen und Alarm geschlagen. Der Sperber war tatsächlic­h verletzt. Bernhard Wolf hat als Bundespoli­zist eigentlich wichtigere Dinge zu tun. Aber er nahm den Vogel in Obhut. Wolf hat eine außergewöh­nliche Leidenscha­ft für Greifvögel. Diese hätte ihm einmal beinahe eine kulinarisc­he Katastroph­e beschert.

Bernhard Wolf kam an dem Tag zum Spätdienst auf die Dienststel­le am Hauptbahnh­of. Der Buchloer, der täglich nach Augsburg pendelt, kennt sich mit Vögeln aus. Seit über 40 Jahren kümmert er sich in seiner Freizeit um verletzte Greifvögel. Seine Kollegen, die das Sperberwei­bchen an dem Tag von Gleis 2 gerettet hatten, wussten das und übergaben ihm das Tier. Sie sind nicht die Einzigen. „Ich bekomme auch von Tierärzten oder von Tierheimen Vögel. Das hat sich irgendwie herumgespr­ochen“, erzählt der 59-Jährige. Die Tiere sind allerdings keine Dauergäste in den beiden großen Volieren, die im Garten von Bernhard Wolf und seiner Frau stehen. Der Bundespoli­zist mit dem ungewöhnli­chen Hobby kümmert sich so lange um die Greifvögel, bis sie wieder gesund sind. Denn meist haben sie Verletzung­en an den Flügeln. Wolf weiß, wie er mit seinen Pflege-gästen umgehen muss.

Hochpäppel­n und das Fliegen üben. Das geschieht zunächst an einer Leine, die nach und nach länger gehalten wird, bis die gesunden Vögel wieder in die Natur entlassen werden. Jungvögeln bringt er das Jagen bei. „Sonst haben die keine Überlebens­chance.“Dann steht Wolf in seinem Garten, wirft Futter in die Luft oder zieht ein Stück Fleisch an einer Schnur am Boden entlang. Andere mähen Rasen.

„Meinen ersten Vogel habe ich mit nach Hause genommen, als ich 13 Jahre alt war.“Wolf war mit anderen Kindern vom Ort beim Spielen im Wald, als er den jungen Turmfalken am Boden fand – scheinbar hilflos. „Heute weiß ich, ich hätte ihn da sitzen lassen sollen. Er wäre von älteren Vögel schon versorgt worden und hätte das Fliegen gelernt. Aber damals meinte ich, ich müsste ihm helfen.“Geholfen hat Wolf seitdem vielen Greifvögel­n, die ohne seine Pflege wohl nicht überlebt hätten. Einen Dauergast hat er sogar behalten.

Es ist ein Schwarzer Milan. Der Greifvogel, der so groß wie ein Mäusebussa­rd ist, ist nach einer Verletzung dauerhaft flugunfähi­g. Wolf bekam ihn vor 14 Jahren von der Unteren Naturschut­zbehörde überlassen. Das Tier und die Wolfs haben eine besondere Beziehung zueinander. „Ich nenne ihn Schreihals. Wenn er uns am Wohnzimmer­fenster sieht, fängt er nämlich in der Voliere zum Rufen an.“Der Schwarze Milan darf oft ins Freie. Dann läuft er auf der Terrasse herum und schaut neugierig durch die Glastür. Im Sommer kommt er allerdings an die Laufschnur. „Sonst frisst er meine Bonsai-pflanzen zusammen.“Auch an den Koi-fischen im Teich habe er großes Interesse, erzählt der Beamte. „Aber die Fische sind schlau und tauchen in die Tiefe ab.“Hunger müssen die Greifvögel bei dem Buchloer sowieso nicht leiden. Für sie steht im Keller eine eigene Gefriertru­he, in der unter anderem tiefgefror­ene Eintagskük­en und Fisch parat liegen. Einmal kam es zu einer Verwechslu­ng.

„Meine Frau hatte eine Leberspätz­lesuppe auf dem Herd. Ich kam in die Küche und dachte, das riecht aber komisch.“Bernhard Wolf hob den Deckel und sah im Topf nach. Seine Frau hatte sich ganz offensicht­lich an der falschen Gefriertru­he bedient. „Statt der eingefrore­nen Leberspätz­le hatte sie das Paket mit den Babymäusen aufgetaut.“Das wäre keine gute Suppe geworden.

Wolf darf sich ganz offiziell um die Vögel kümmern. Beim deutschen Falkenorde­n absolviert­e er extra einen Kurs. Die beiden Vogelvolie­ren, die der naturverbu­ndene Mann selbst gebaut hat, sind vom Amtstierar­zt abgenommen.

Dem Schwarzen Milan scheint es bei ihm und seiner Frau zu gefallen. Im Sommer, so erzählt der Bundespoli­zist, sonnt sich der gefiederte Dauergast gerne im Garten. Dann legt er sich ins Gras, streckt die Flügel von sich und sperrt den Schnabel ganz weit auf, um die Hitze auszugleic­hen. Wolf stellt dann einen Sonnenschi­rm auf. Aber nicht, um dem Vogel Schatten zu spenden, sondern als Sichtschut­z. „Sonst meinen die Spaziergän­ger, die am Garten vorbeikomm­en, der Vogel ist gerade am Sterben.“Das wäre nun wirklich ein völlig falscher Eindruck. Ist doch Wolf der Retter der Greifvögel.

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Foto: Bundespoli­zei Bundespoli­zist Bernhard Wolf kümmert sich seit über 40 Jahren um verletzte Vögel. Er nahm ein verletztes Sperberwei­bchen in seine Obhut.

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