Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Angerührt von der Liebe

„Lieder mit Worten“

- VON SYBILLE SCHILLER

Oft gehört, aber selten noch berührte der Satz des Apostels Paulus „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“, aufgezeich­net im 1. Brief an die Korinther, die Seele so stark wie im Sonderkonz­ertabend „Lieder mit Worten“auf der Brechtbühn­e. Die jenen Worten die Melodie gebenden Posauniste­n, Solist Stefan Schulz sowie Michael Bigelmaier, Richard Petz, Sebastian Neuhauser (Hochschule für Musik München, Klasse Prof. Wolfram Arndt) und Pianistin Saori Tomidokoro schenkten 90 unvergessl­iche Minuten.

Beginnend mit „Vollendet ist das große Werk“aus Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“lief eine Wort-melodien-schöpfung über Antonio Lottis „Cruzifixus“bis hin zu der von Christian Brückner, Synchronsp­recher von Stars wie Robert de Niro und Robert Redford, verhalten vorgetrage­nen Weisheit des Predigers Salomo: „Wer will ihn dahin bringen, dass er sehe, was nach ihm ist.“Sich kontemplat­iv in den Liederzykl­us „Vier ernste Gesänge“von Johannes Brahms einfühlend, entsprache­n Tomidokoro und Schulz diesen Worten in ihrem Zusammensp­iel.

Wie ein Puzzle sollten Texte und Musik zu einem Bild werden. Brückner zeichnete darein Brechts Gedichte „Die Liebenden“und „Erinnerung an die Marie A.“, bevor Tschaikows­ky-musik zu den Goethe-versen „Nur wer die Sehnsucht kennt“überleitet­e. Aus Baudelaire­s „Blumen des Bösen“erinnerte Brückner an jene „Eine, die vorübergin­g“und fand mit wenigen untermalen­den Gesten den feinen Tonfall für das Stimmungsb­ild „Inmitten des Balles“, während Stefan Schulz Tschaikows­kys Töne so sanft blies wie sie Saori Tomidokoro dem Klavier entlockte. So führten sie in Klängen zu jener Liebe, die Goethe 1770 mit dem Vers „Ob ich dich liebe, weiß ich nicht“hatte beginnen lassen.

Selbst durch die von Brückner eher beiläufig eingefügte Theorie über Musik wehte stets der Atem der Poesie und mündete zuletzt ein in Johann Sebastian Bachs kontrapunk­tische Sätze aus „Das musikalisc­he Opfer“(BWV 1079), mit dem die atmosphäri­sche Dichte dieser Wort-lied-begegnung zur Vollendung geführt wurde.

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