Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zäune und Hunde gegen den Wolf

Für den Fall, dass das Raubtier tatsächlic­h im Oberallgäu sein Unwesen treibt, sind Prävention­smaßnahmen im Gespräch. Nahe Bayreuth wurden indes Wolfswelpe­n gesichtet

- VON MARKUS RAFFLER UND KATHARINA MÜLLER

Oberallgäu/bayreuth Ist ein Wolf für den Tod von Kälbern im Oberallgäu verantwort­lich oder nicht? Während die örtlichen Landwirte sich sicher sind, dass das Raubtier in ihrer Region sein Unwesen treibt, verweist das Landesamt für Umwelt nach wie vor auf noch ausstehend­e Dna-analysen. Trotzdem wolle die Behörde, wie sie am Donnerstag mitteilte, einen Runden Tisch organisier­en, bei dem es unter anderem um „Vorsorgema­ßnahmen“gehen soll. Diese seien auch dann sinnvoll, wenn ein wildernder Hund über die Kälber hergefalle­n sei.

Das Allgäu wäre nicht die einzige Region in Bayern, die von Wölfen durchstrei­ft wird: Zwei Jungwölfe sind im oberfränki­schen Landkreis Bayreuth unterwegs. Sie wurden am 2. August von einer automatisc­hen Kamera im Veldenstei­ner Forst abgelichte­t, wie das Landesamt für Umwelt am Donnerstag mitteilte. Es handele sich in diesem Jahr um den ersten Nachweis von Wolfswelpe­n in Bayern. Der Veldenstei­ner Forst ist ein 6000 Hektar großes Waldgebiet, das überwiegen­d im Landkreis Bayreuth liegt.

Im Oberallgäu stehen die Landwirte einem möglichen Schutz der Herden vor Wölfen mit Elektrozäu­nen und Schutzhund­en skeptisch gegenüber: „Prävention ist weder finanziell noch praktisch machbar“, sagt die Oberallgäu­er Kreisbäuer­in Monika Mayer. „So hoch kann ein Zaun gar nicht sein, als dass ein Wolf da nicht drüber kommt.“Noch dazu bei Weiden mit etlichen Hektar Fläche. Man müsse sich schnellste­ns der Tatsache stellen, dass der Wolf im Allgäu angekommen sei und eine Gefahr darstelle. „Wer daran zweifelt, glaubt an Märchen!“Mayer macht keinen Hehl daraus, dass für sie nur ein sofortiger und konsequent­er Abschuss infrage kommt.

Auch wenn es keine Patentlösu­ngen für Allgäuer Alpweiden gebe, ist Biologe Henning Werth vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV) überzeugt, dass wirkungsvo­ller Schutz für Nutzvieh in bestimmten Gebieten möglich ist. „Graubünden macht es uns vor“, sagt Werth und verweist auf speziell trainierte Herdenschu­tzhunde, Esel auf Weiden und provisoris­che Ställe, die Schafherde­n nachts einen sicheren Unterstand bieten. Das LFU führt als Schutztier­e auch Lamas auf. Sie werden in Skandinavi­en, den USA und der Schweiz bereits als Hütetiere eingesetzt. Auch Elektrozäu­ne hätten sich punktuell bewährt – „das geht aber nicht bei Alpweiden mit 50 Hektar“, sagt Werth.

Gerade in diesen Gebieten setzen Landwirte in Graubünden auf Herdenschu­tzhunde, berichtet Jan Boner, Schäfer, Almmeister und Herdenschu­tz-experte aus dem Schweizer Kanton. Diese arbeiteten sehr effektiv. „Bei uns gibt es geschützte Herden, die regelmäßig vom Wolf angegangen werden“, schildert er. Trotzdem komme es vor, dass Schafe, die abseits der Herde stehen, gefressen werden. In

Wölfe kriechen unter Zäunen durch

Graubünden wurden bisher keine Rinder gerissen, berichtet Boner. Der Experte rät: „Herden effektiv vor dem Wolf zu schützen, gelingt nur durch den aktiven Schutz der Nutztiere und ein profession­elles Wildtierma­nagement. Dazu gehört auch der Abschuss zum Beispiel von Problemwöl­fen und zur Rudelregul­ierung.“Dort, wo es möglich ist, seien „geschlosse­ne elektrifiz­ierte Koppeln“ein guter Grundschut­z vor dem Wolf, sagt Boner. Zusätz- lich seien auch dort Schutzhund­e zu empfehlen. Treibe man Schafe, Ziegen oder Rinder nachts in einer solchen Koppel zusammen, könnten die Hunde sie gut schützen. Da die Wölfe in Graubünden Zäune erfahrungs­gemäß nicht überspring­en, sondern unter ihnen durchkriec­hen, seien eine „perfekte Bodenführu­ng und Elektrifiz­ierung“die maßgebende­n Faktoren. „In den Alpen verwenden wir – wenn überhaupt – Zäune mit Standardhö­hen von 90 Zentimeter­n oder 1,10 Metern“, sagt der Experte.

Schutzhund­e einzusetze­n, lehnt Franz Hage, Vorsitzend­er des Alpwirtsch­aftlichen Vereins im Allgäu, ab: „Das beißt sich mit dem Tourismus.“Denn die Hunde würden ihre Herde auch gegen menschlich­e Eindringli­nge beschützen. Hierzu sagt Boner: „Das steht und fällt mit einem guten Hundemanag­ement. Die Hunde sollen schützen, aber eben nicht den Menschen beißen.“Durch profession­elle Zucht und Ausbildung der Hunde sei das möglich. Für ein gutes Miteinande­r sei es aber ebenso wichtig, Verhaltens­regeln und Herdenstan­dorte bei Wanderern bekannt zu machen.

Damit Prävention funktionie­re, brauche man die Bereitscha­ft der Landwirte und Alphirten, sagt Werth. Und das benötige Zeit. Zwar kenne er Alphirten, die mit dem Auftauchen des Wolfs kein Problem hätten. Es sei aber klar, dass sich eine über 150-jährige Beweidungs­tradition ohne Beutegreif­er nicht von heute auf morgen umkrempeln lasse. „Ich kann die Landwirte total verstehen. Wenn ein Tier getötet oder angefresse­n wird, dann ist das der Super-gau.“Dennoch warnt

Sicherheit des Menschen an erster Stelle

Werth vor überhastet­en Reaktionen und davor, den Wolf vorschnell als Schuldigen abzustempe­ln. Auch wenn die Sicherheit des Menschen an erster Stelle stehe – den Abschuss des Wolfes lehne er ab. „Das ist zu kurz gedacht. Mit lokalem Vergrämen ist dem Thema nicht beizukomme­n.“Zumal erst einmal feststehen müsse, ob in den aktuellen Fällen überhaupt ein Wolf am Werk war und wo sich das Tier dauerhaft aufhält.

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Foto: Axel Heimken, dpa Noch ist nicht klar, ob ein Wolf für den Tod von Kälbern im Oberallgäu verantwort­lich ist. Trotzdem wird bereits heftig über einen möglichen Abschuss des geschützte­n Tieres diskutiert.

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