Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Macht und Prominenz verändern die Menschen“

Patricia Riekel war 20 Jahre lang Chefredakt­eurin der Boulevard-zeitschrif­t „Bunte“– und ganz nah dran an Schauspiel­ern, Politikern und „Großkopfer­ten“, wie sie selbst sagt. Sie weiß, dass vieles in deren Welt nur schöner Schein ist

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Frau Riekel, Sie beraten eine Produktion­sfirma für eine neue Tv-serie, die im Münchner Herzogpark spielen soll. Gibt es schon Näheres zu vermelden?

Es geht um mehrere starke, interessan­te Frauen, die ganz unterschie­dliche Biografien haben.

Sie leben selbst im Herzogpark, nah an der Isar und dem Englischen Garten. Was ist das Besondere an der Gegend?

Das ist so ein spezieller Mikrokosmo­s, glamouröse Fassaden, doch dahinter sieht es oft ganz anders aus.

Jetzt wird es spannend. Erzählen Sie.

Das ist ein Ort, wo Sein auf Schein trifft – echtes Geld auf falsches Geld, echte Gefühle auf falsche Gefühle. Und davon wird diese Serie leben. Der Herzogpark ist wahrschein­lich das teuerste Viertel Münchens. Thomas Mann lebte hier, auch Herr Porsche hat eine Villa gehabt. Aber solider Reichtum oder alter Adel ziehen auch Menschen an, die das nicht haben, aber es haben wollen. Manche täuschen nur vor, sie könnten mithalten. In diesem Viertel werden die größten Feste Münchens gefeiert, aber der Caterer wartet manchmal jahrelang darauf, dass die Rechnung bezahlt wird.

Sie müssen den Stoff fürs Fernsehen nicht erfinden, sagten Sie in einem Interview. Die Wirklichke­it übertreffe jede Fantasie. Ist das wirklich wahr?

Das ist wirklich etwas, was ich in meinen 20 Jahren als Chefredakt­eurin der erlebt habe und ich erlebe es heute noch. Ich bekomme immer noch viele solcher Geschichte­n von Leuten zugetragen, die nach Ruhm, Öffentlich­keit und Prominenz gieren. Wie Macht und Prominenz Menschen verändern, übersteigt die Fantasie.

Warum besteht bei den Leuten so ein starkes Interesse am Privatlebe­n von Stars oder Politikern?

Sie haben zwar die gleichen Gefühle wie alle anderen auch. Es geht immer um Liebe, Hass, Eifersucht, Trauer, Verlust. Aber es ist ein Unterschie­d, ob ich in einer Einzimmer-wohnung über den Verlust eines geliebten Menschen trauere oder in einer Villa. Da reicht dann der Butler das Taschentuc­h. Prominente werden beneidet, weil das Publikum glaubt, sie hätten ein leichteres Leben. Was natürlich nicht stimmt. Tränen bleiben Tränen, ob ich sie nun in ein Baumwoll- oder Seidenkiss­en weine. Trotzdem beneiden wir Menschen, die es geschafft haben, die zu Geld und Ruhm gekommen sind. Und so wird ein Fußballer zum Idol von Millionen junger Männer. Sie lassen sich tätowieren wie ihr Fußballgot­t oder wollen ein ähnliches Automodell. Man möchte halt ein bisschen so leben wie die, von denen man glaubt, dass sie glückliche­r leben. Was aber Unsinn ist, oder?

Klar. Die Unzufriede­nheit und das Unglück sind gerecht verteilt – egal, ob einer Millionär ist oder Hartz-iv-empfänger. Trotzdem sind diese Menschen Vorbilder. So ist auch das Interesse an Politikern extrem gewachsen. Wenn ein Politiker Bescheiden­heit, Anstand und Moral predigt, dann will man wissen, ob er das privat auch hinbekommt.

Da gäbe es sicher das ein oder andere…

Ja, das ist ein wichtiger Punkt, vor allem in Bayern vor der Landtagswa­hl. Derzeit schauen alle Boulevard-, aber auch Politmagaz­ine ganz genau auf die Politiker und die Großkopfer­ten.

Sie selbst haben in München die „Bunte“groß gemacht. Nach welchen Regeln funktionie­rt so eine Zeitschrif­t?

Ich bin der festen Überzeugun­g, dass eine Zeitschrif­t einen Charakter, eine Persönlich­keit besitzen sollte. Die Leser müssen sich in ihr wiederfind­en, sich mit der Zeitschrif­t identifizi­eren können. Früher waren oder Zeitschrif­ten, in denen die ganze Welt abgebildet wurde. Aber durch den Medienwand­el, das Privatfern­sehen, das Internet hat sich die Berichters­tattung verändert. Darum hat sich die zu einem Fachblatt für die gesellscha­ftlichen Aufund Abstiegspr­ozesse entwickelt. Ein People-magazin, das über Menschen berichtet, die im Scheinwerf­erlicht stehen oder dorthin wollen.

„Bunte“-käufer wollten zuverlässi­ge Promis, die dürften auch nicht zu schlicht sein: Das sagten Sie mal in einem Interview.

In meiner Zeit bei ging es darum, dass wir uns auf die deutsche Gesellscha­ft fokussiert­en: Wer, was, mit wem, wie lange und warum nicht mehr? Nehmen wir Karltheodo­r zu Guttenberg. Seinen Aufstieg hat atemlos mitverfolg­t. Der war für unsere Leserinnen und Leser ein Star, eine Ausnahme- erscheinun­g. Dem hat man alles zugetraut. Der hatte zu allem Überfluss auch noch perfekte Familienve­rhältnisse und eine schöne Frau. Und dann der Absturz.

Sein Krisenmana­gement war schlecht. Riekel: Ja, der hätte das alles überstehen können. Aber er ist auch so immer noch eine Figur, die interessie­rt. Genauso wie Michael Schumacher.

Wie geht es ihm?

Es gibt vieles, was wir wissen, aber die Familie wünscht, dass das nicht bekannt wird. Das verstehe ich in diesem speziellen Fall auch. Ich verstehe aber auch das Interesse der Leser, denn jahrelang haben sie mit ihm mitgefiebe­rt. Das Publikum hat auch ein Anrecht zu wissen, wie es dem Held geht. Aber manchmal ist auch im Boulevardj­ournalismu­s mehr Zurückhalt­ung notwendig, als man glaubt.

Riekel: A-promis? Weiß ich nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, wer für die auf dem Titel spannend ist. Darunter sind erstaunlic­h viele Sportler – Boris Becker beispielsw­eise oder Bastian Schweinste­iger, Beckenbaue­r oder Löw. Bei den Schauspiel­ern ist es schwierige­r. Denn wir haben ein komplizier­tes Verhältnis zu denen. Aber Veronica Ferres, Uschi Glas, Christine Neubauer würde ich dazu zählen. Und dann kommt da noch der komplette royale Bereich. Der ist ganz wichtig. Kronprinze­ssin Victoria von Schweden, Maxima der Niederland­e, die komplette englische Royal-family – das sind Superstars. Wenn sich da jemand verliebt, verlobt oder verheirate­t, dann verspricht das eine gute Auflage. Der Rest der Gesellscha­ft ist eher was fürs Innere des Blattes.

Wenn Sie nun die Wahl hätten zwischen einer Homestory mit Til Schweiger oder Horst Seehofer – welche würden Sie wählen?

Unbedingt die mit Horst Seehofer. Ich würde gerne tiefer in sein Herz hineinscha­uen, seine Motivation kennen, die Dinge so anzugehen, wie er es tut. Der Seehofer ist als Person, in seiner politische­n Bedeutung, sehr viel interessan­ter als Til Schweiger, obwohl ich den gerne mag. Wie geht Seehofer mit Krisen um? Wie lebt er wirklich? Er ist schwer zu knacken, denn Seehofer ist ein gewiefter Politiker.

Der Horst Seehofer gilt ja auch als ein bisserl beratungsr­esistent.

Ich glaube, der hat einen ganz eigenen inneren Kompass, dem er folgt. Natürlich sollte man auch Ratschläge anhören. Aber zu viele können einen auch verwirren.

Ihr Mann, Ex-„focus“-chef Helmut Markwort, tritt bei der Landtagswa­hl für die FDP an. Unterstütz­en Sie ihn?

Natürlich! Größere eigene Projekte von mir werden verschoben bis nach der Landtagswa­hl. Ich fahre ihn zu seinen Terminen und freue mich, dass er auf so viel Zustimmung stößt.

Riekel: Das werde ich öfter gefragt und kann nur sagen: ja. Ich habe in den letzten Wochen sehr viele neue Menschen und auch Probleme kennengele­rnt. Das finde ich spannend. Ich bin Journalist­in mit Leib und Seele. Da interessie­re ich mich nicht nur für die, die auf dem roten Teppich stehen. Mich interessie­ren Menschen grundsätzl­ich.

 ?? Foto: Hannes Magerstaed­t, Getty Images ?? Vor zwei Jahren hat Patricia Riekel – hier bei einem Termin in München – die Chefredakt­ion der „Bunten“abgegeben. „Das muss man sich vorstellen wie bei einer Mutter, bei der alle Kinder aus dem Haus sind“, sagte sie. „Da fällt man aus einem strukturie­rten Rahmen raus.“Aber sie genieße die Freiheit.
Foto: Hannes Magerstaed­t, Getty Images Vor zwei Jahren hat Patricia Riekel – hier bei einem Termin in München – die Chefredakt­ion der „Bunten“abgegeben. „Das muss man sich vorstellen wie bei einer Mutter, bei der alle Kinder aus dem Haus sind“, sagte sie. „Da fällt man aus einem strukturie­rten Rahmen raus.“Aber sie genieße die Freiheit.

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