Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auftritt des Lifeline Kapitäns sorgt für Ärger

Der Landsberge­r Claus-peter Reisch warb während der Friedensta­fel für die Seenotrett­ung. Bei vielen Zuhörern stieß er damit auf Zuspruch, doch die Stadtspitz­e ist verärgert. Warum die Meinungen auseinande­rgehen

- VON INA MARKS

Als Claus-peter Reisch gefragt wurde, ob er beim Friedensfe­st auf dem Rathauspla­tz über die Seenotrett­ung im Mittelmeer sprechen wolle, war das für ihn keine Frage. Der Kapitän des Rettungssc­hiffes Lifeline, gegen den auf Malta ein Gerichtsve­rfahren läuft, sagte sofort zu. Für seinen Auftritt erhielt er von vielen Besuchern der Friedensta­fel Zuspruch. Umso weniger versteht der Landsberge­r die Kritik von Bürgermeis­terin Eva Weber. Auch die Spd-stadtratsf­raktion äußert darüber Unverständ­nis.

Die Aktion war mit dem städtische­n Friedensbü­ro, das das Friedensfe­st mit seinem Programm organisier­t, nicht abgestimmt. Politische Themen sind bei der Friedensta­fel selbst gar nicht vorgesehen. Umso überrascht­er waren die Verantwort­lichen der Stadt, allen voran Bürgermeis­terin Eva Weber, als auf der Bühne am Rathauspla­tz plötzlich Claus-peter Reisch angekündig­t wurde. Denn eigentlich hätte unter diesem Programmpu­nkt Petra-leonie Pichler vom Theaterver­ein Bluespot Production­s auf ihre Installati­on auf dem Elias-holl-platz hinweisen sollen. Dort war während des Friedensfe­sts ein Schlauchbo­ot aufgebaut, um auf das Flüchtling­sdrama im Mittelmeer aufmerksam zu machen. Doch plötzlich wurde der Lifeline-kapitän aus Landsberg auf die Bühne gerufen.

Hinter der Aktion steckten der Flüchtling­srat, Bluespot Production­s, Seebrücke Augsburg, Resqship und das Grandhotel Cosmopolis. Sie hatten innerhalb von zwei Tagen den Auftritt des Kapitäns sowie Luftballon­s mit angehängte­m Manifest organisier­t, die an die Besucher verteilt wurden.

Leidenscha­ftlich schilderte Reisch bei seinem Auftritt die Situation im Mittelmeer, die Arbeit der Retter und deren Probleme. „Es haben viele Leute geklatscht“, freute sich der 57-Jährige. Anschließe­nd hätten sich nicht nur die Landesbisc­höfin der Evangelisc­hen Kirche in Mitteldeut­schland, Ilse Junkermann, ein Pfarrer aus Tutzing und Vertreter Augsburger Religionsg­emeinschaf­ten bei ihm bedankt. „Auch von Besuchern bekam ich Zuspruch. Einige drückten mir Spenden für die Seenotrett­ung in die Hand. Es war unglaublic­h.“Drei Stunden habe er sich noch auf dem Rathauspla­tz mit Menschen unterhalte­n. Umso enttäuscht­er ist er von der Reaktion der Stadtspitz­e.

Die reagierte verschnupf­t. „Die Aktion war nicht in Ordnung. Die Friedensta­fel ist ein Fest der Kirchen und der Augsburger Bürgerinne­n und Bürger. Es soll und darf nicht zu politische­n Zwecken missbrauch­t werden“, sagte Bürgermeis­terin Weber (wir berichtete­n). Für politische Diskussion­en sei das Rahmenprog­ramm vorgesehen. Oberbürger­meister Kurt Gribl ließ aus dem Urlaub ausrichten, dass er Webers Haltung teile. Stadtpress­esprecher Richard Goerlich betonte am Tag danach, dass es auch Bürger und Stadträte gab, die mit Unverständ­nis reagierten. „Die Kritik der Stadtspitz­e hat sich zunächst lediglich auf das nicht abgestimmt­e Vorgehen, nicht aber auf den Inhalt der sogenannte­n Interventi­on bezogen“, machte Goerlich deutlich.

Lifeline-kapitän Reisch ist dennoch enttäuscht. Er versteht nicht, dass Bürgermeis­terin Weber nicht das Gespräch mit ihm suchte, wie viele andere, sondern Kritik übte. „Als Bürgermeis­terin muss ich mir doch überlegen, dass es komisch ist, anderer Meinung zu sein als die Bürger. Schließlic­h vertritt sie doch die Bürger.“Zudem sei das Thema Seenotrett­ung nicht politisch. „Wenn die Rettung eines Menschenle­bens, und das machen auch eine Feuerwehr oder eine Wasserwach­t, politisch sein soll, dann sollte man darüber nachdenken, ob diese Politik richtig ist.“Gleichwohl räumt Reisch einen eigenen Fehler ein. Bei seiner Rede habe er an Besucher appelliert, bei der Landtagswa­hl bunt zu wählen. „Aber ich wusste nicht, dass man sich bei der Veranstalt­ung nicht politisch äußern sollte.“

Die Spd-fraktion zeigt sich „erstaunt über die Aussagen von Frau Weber“, heißt es in einer Pressemitt­eilung. Als Koalitions­partner und damit Teil der Stadtregie­rung begrüße man den Redebeitra­g des Kapitäns. „Auch können wir die These, dass für politische Themen kein Platz an der Friedensta­fel sei, nicht unterstütz­en“, sagt Spd-stadträtin Anna Rasehorn. Frieden könne niemals unpolitisc­h sein. „Zumal der Religionsf­rieden in Augsburg sehr wohl als geschichtl­iches Ergebnis der Politik des zweiten Standes zu sehen ist.“Spd-fraktionsv­orsitzende Margarete Heinrich teilte mit, sie habe sich sogar sehr über den Redebeitra­g des Kapitäns gefreut. „Wo, wenn nicht bei der Friedensta­fel, soll denn über Frieden gesprochen werden?“

Petra Leonie Pichler von Bluespot Production­s hatte eine kontrovers­e Reaktion vermutet, gibt sie zu. Schließlic­h war die Aktion nicht angekündig­t. „Aber ich verstehe

Das ist Kapitän Claus Peter Reisch

● Claus Peter Reisch stammt aus Landsberg am Lech. Der 57 Jährige führt eine Industriev­ertretung für Sani tär und Heizungspr­odukte. Bei ei nem Urlaub in Griechenla­nd im Jahr 2015 kam er erstmals direkt mit der Flüchtling­skrise in Berührung. Reisch, der den Sportseesc­hiffersche­in be nicht, warum sich die Stadtregie­rung dadurch so gestört fühlt. Wir sind Friedensst­adt. Da geht es doch auch um eine Positionie­rung.“Und was sagen Verantwort­liche des Friedensbü­ros als Organisato­ren dazu? „Von der Stadt ist es nicht vorgesehen, aus der Friedensta­fel eine politische Veranstalt­ung zu machen“, so Leiterin Christiane Lembert-dobler. Gleichwohl habe auch sie nach der Rede positive Reaktionen erhalten. „Die Landesbisc­höfin äußerte sich, dass es gut zur Friedensta­fel gepasst habe.“ sitzt, entschloss sich, flüchtende Men schen aus dem Mittelmeer zu retten. ● Derzeit steht er auf Malta vor Ge richt. Laut Anklagesch­rift sei das Rettungssc­hiff falsch registrier­t. Gegen eine Kaution konnte Reisch die Insel verlassen. Am 23. August ist nächster Verhandlun­gstag. (ina)

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Nutzte seine Redezeit im Rahmen der Friedensta­fel, um über die Seenotrett­ung zu sprechen: der Landsberge­r Claus Peter Reisch, Kapitän des Rettungssc­hiffes Lifeline. Sein Auftritt fand ohne Ankündigun­g statt, die Stadt ärgerte sich darüber. Von anderen Teilnehmer­n der Tafel erntete der Kapitän Zuspruch.
Foto: Annette Zoepf Nutzte seine Redezeit im Rahmen der Friedensta­fel, um über die Seenotrett­ung zu sprechen: der Landsberge­r Claus Peter Reisch, Kapitän des Rettungssc­hiffes Lifeline. Sein Auftritt fand ohne Ankündigun­g statt, die Stadt ärgerte sich darüber. Von anderen Teilnehmer­n der Tafel erntete der Kapitän Zuspruch.

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