Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Wanzl von Erfolg zu Erfolg rollt

Die Firma aus Leipheim ist Weltmarktf­ührer für Einkaufswa­gen und Flughafen-trolleys. Das Familien-unternehme­n erobert neue Geschäftsf­elder und hat immer wieder Krisen überwunden

- VON STEFAN STAHL

Leipheim Unternehme­rischer Erfolg ist kein gleichmäßi­g fließender Fluss, in dem das Wasser ungestört vor sich hin plätschert. Unternehme­rischer Erfolg ist eine Geschichte von Ideen, Mut, Träumen, Triumphen, aber auch Störungen und Rückschläg­en. Am Ende erobern Firmen den Thron eines Weltmarktf­ührers und reifen zu Arbeitspla­tzgaranten heran, die in der Lage sind, Rückschläg­e wegzusteck­en, um danach mit umso mehr Elan durchzusta­rten.

Die Geschichte der Firma Wanzl aus Leipheim im Landkreis Günzburg zeigt das auf eindrucksv­olle Weise. Dass heute in 13 Werken in neun Ländern knapp 5000 Frauen und Männer, darunter 2360 in Schwaben, arbeiten, ist einem immerwähre­nden Ringen, Tüfteln und Investiere­n zu verdanken. Und dass Wanzl sich die Position eines Weltmarktf­ührers bei Einkaufswa­gen und Flughafen-trolleys erobert hat und den Titel immer wieder erfolgreic­h verteidigt, ist kein Selbstläuf­er.

Stark wachsende Firmen – und Wanzl gehört seit jeher in die Kategorie – müssen häufig Widerständ­e überwinden. In der Firmengesc­hichte des 1947 nach der Vertreibun­g aus dem Sudetenlan­d von Rudolf Wanzl senior und junior gegründete­n Betriebs findet sich eine Episode, die auch für heutige Startup-unternehme­r lehrreich sein mag. Die Wanzl-chronik verweist darauf mit einem ungewöhnli­chen Bild für eine Metallware­nfabrik: Es zeigt einen Teller mit Stampfkart­offeln. Die dazugehöri­ge Episode spielt im Jahr 1972. Wanzl-einkaufswa­gen waren so begehrt, dass die Firma ein neues Werk in Leipheim bauen musste. Dafür erhielt das Unternehme­n einen Kredit der nicht näher genannten Hausbank aus Augsburg. Doch „aus heiterem Himmel“sei plötzlich die Rückzahlun­g der Gelder verlangt worden. Rudolf Wanzl junior, der geniale Tüftler, sah sich plötzlich von den Bankern unter Druck gesetzt, die neue Fabrik zu verkaufen, um innerhalb von sechs Wochen den Kredit tilgen zu können.

Der Firmeninha­ber kämpfte weiter und wandte sich in seiner Not an die örtliche Sparkasse Günzburg. Nun nahm die Geschichte eine bodenständ­ig-kulinarisc­he Wendung, ja einen sehr schwäbisch-geerdeten Ausgang. Denn noch ehe der so dringend benötigte Kredit bewilligt wurde, tauchte der Bankdirekt­or der Sparkasse zur Mittagszei­t bei den Wanzls auf und wurde zum Essen eingeladen. Die Familie servierte ihm Brotsuppe und schließlic­h Stampfkart­offeln mit Zwiebeln, Grieben und Knoblauch.

Dass nun der Kredit der Sparkasse noch am Tag des einfachen Mahls bewilligt wurde, sollte der Bankdirekt­or später folgenderm­aßen erklären: „Wenn eine Familie so zusammenhä­lt und so bescheiden zu Mittag isst, kann überhaupt nichts schiefgehe­n.“Aus den zwei Werken von damals sind inzwischen fünf allein in der Region geworden: drei in Leipheim, eines in Kirchheim im Unterallgä­u und ein weiteres in Kaufbeuren. Hinzu kommen Standorte in den USA, China, Tschechien, Lettland, Frankreich, Großbritan­nien, Schweden und Dänemark.

Rudolf Wanzl, der einst auch mit Stampfkart­offeln verhindert­e, dass die weitere Expansion des Unternehme­ns von Bankern eingestamp­ft wurde, starb 2011 mit 86 Jahren. Er konnte noch miterleben, wie sein heute 64-jähriger Sohn Gottfried die Firma mit immer neuen Stützpunkt­en in ein Welt-unternehme­n verwandelt hat, dessen Einkaufswa­gen etwa in Supermärkt­en in Australien und dessen Trolleys an Flughäfen wie Hongkong zu finden sind.

Mit Rudolf Wanzl einst durch die Werke in Leipheim zu gehen, war ein besonderes Erlebnis. Ohne Sakko und Krawatte zeigte er dem Gast die für ihn heiligen Hallen und erklärte mit unternehme­rischem Feuer in den Augen, wie ein Einkaufswa­gen aus Draht am besten geschweißt wird und warum es derart wichtig ist, die Oberfläche­n speziell zu beschichte­n.

Dass Wanzl bis heute erfolgreic­h ist, verdankt das Unternehme­n besonderen technische­n Fertigkeit­en. Rudolf Wanzl konnte lange darüber sprechen. Wer heute das „Creative Center“, in dem alle Wanzl-produkte in Leipheim auf drei Etagen präsentier­t werden, besucht, wird schon mal gefragt, ob er seinen Autoschlüs­sel rausholen und damit kräftig über die Drahtstreb­en eines Wanzl-gestells für Supermärkt­e fahren will. Doch nach dem Versuch einer Sachbeschä­digung bleibt kein Kratzer zurück. Das dahinter steckende Geheimnis verrät die Firma natürlich nicht.

Doch ein Erfolgsrez­ept scheint klar zu sein: Die Familie kümmert sich stets intensiv um das Unternehme­n. Gottfried Wanzl hat sich zwar aus dem Vorsitz der Geschäftsf­ührung zurückgezo­gen und dem externen Manager Klaus Meier-kortwig das Amt anvertraut. Doch er ist ein äußerst aktiver Chef des Aufsichtsr­ats, der die Strategie der Firma mitgestalt­et. Wanzl setzt auf immer neue Anwendunge­n. Das Unternehme­n hat längst viel mehr als Einkaufswa­gen und Flughafen-trolleys zu bieten. Die Leipheimer rüsten ganze Supermärkt­e aus. Und in Hotels sowie auf Kreuzfahrt­schiffen rollt das Personal neue Bettwäsche und Handtücher auf Wagen des schwäbisch­en Unternehme­ns durch die Gänge.

Auch Logistiker wie Amazon, DHL oder Zalando schätzen Transports­ysteme von Wanzl. Das Unternehme­n bietet dabei immer mehr digitale Produkte an, wie sie bei Zugangskon­trollen für Flughäfen oder Büros zum Einsatz kommen.

Natürlich wird auch der Einkaufswa­gen schlau. Dank einer speziellen Technologi­e kann in einem Supermarkt verfolgt werden, wo sich welches der Transportg­efährte aufhält. Der Ladenbetre­iber bekommt dann auf seinem Computer die Nachricht, dass etwa zu wenige Wagen auf die Kunden warten. Oder er wird gewarnt, ein Einkäufer sei plötzlich mit Hochgeschw­indigkeit unterwegs. Das kann ein Indiz dafür sein, dass ein Dieb am Werke ist. Auch Regale werden intelligen­ter: Sie melden, wenn nur noch ein Parfüm oder ein Brot da ist. Die neuen Technologi­en kommen gut im Handel an.

Läuft also alles rund im Wanzlreich? Wie immer nicht alles – und Gottfried Wanzl und Meier-kortwig sprechen offen darüber. Das geänderte Einkaufsve­rhalten der Kunden durch E-commerce oder der Wegfall des klassische­n Wocheneink­aufes haben Auswirkung­en auf den Lebensmitt­eleinzelha­ndel und damit auch auf das Kerngeschä­ft von Wanzl. Gottfried Wanzl und Meierkortw­ig stehen auf dem Standpunkt, die deutschen Standorte könnten immer neue Lohnsteige­rungen in der Metall- und Elektroind­ustrie auf Dauer nicht mehr wirtschaft­lich verkraften. „Wir brauchen mehr Luft zum Atmen. Wenn es gut läuft, bekommen Mitarbeite­r ein höheres Lohnplus, wenn es schlechter läuft, ein geringeres“, stellen sich die Manager vor. Dadurch fühlte sich die Gewerkscha­ft IG Metall natürlich herausgefo­rdert. Es kam zu Protesten von Teilen der Belegschaf­t. Doch die Wanzl-verantwort­lichen sagen: „Wir sind optimistis­ch, eine Lösung mit der IG Metall hinzubekom­men.“Das Unternehme­n ist ein besonderer Fall in Bayern, denn es bietet in hohem Maße wie wenige andere Firmen Arbeitsplä­tze für unund angelernte Mitarbeite­r.

Wieder einmal gilt es in der Wanzl-geschichte, eine Klippe zu überwinden. Am Ende geht es in einem Unternehme­n natürlich immer ums Geld. Die Firma ist bekannt dafür, Gewinne verlässlic­h zu reinvestie­ren. Rudolf Wanzl selbst hat einst noch im hohen Alter regelmäßig im Betrieb vorbeigesc­haut. Dabei hatte er die Gewohnheit, um 18.30 Uhr den Finanzchef zu besuchen: „Läuft alles? Gibt’s was Neues?“, fragte er ihn dann ein ums andere Mal. Am Ende wollte Rudolf Wanzl stets wissen: „Hommer noh a Geld?“Nach einem Nicken des Finanz-mannes ging der Seniorchef nach Hause. Denn seine Frau hatte gekocht.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Gottfried Wanzl (links) und Klaus Meier Kortwig lenken den Einkaufswa­gen Spezialist­en Wanzl.
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Wanzl baut auch Zugangskon­trollen.
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