Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Allgäuer Bordellche­fs vor Gericht

Ehepaar soll Steuern hinterzoge­n haben

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Lange galt das Kleinwalse­rtal im Allgäu als Steuerpara­dies – gehört es doch eigentlich zu Österreich, liegt aber vom Mutterland durch Berge getrennt quasi in Bayern. Über Jahrzehnte hinweg sollen Deutsche mehrere Milliarden Euro in dem Sacktal „gebunkert“haben. Bis Österreich 2015 beschloss, aktiv gegen den Schwarzgel­dtourismus vorzugehen.

Dass es im Kleinwalse­rtal aber offenbar auch der ein oder andere Einheimisc­he mit der Steuererkl­ärung nicht ganz so genau nahm, legt seit Freitag ein Prozess vor dem Augsburger Schöffenge­richt nahe. Hauptangek­lagter ist ein österreich­ischer Geschäftsm­ann, der ein großes Hotel führte und sich zudem einen Namen im Rotlichtmi­lieu machte. In mehreren Etablissem­ents in Kempten sowie in München galt der 63-Jährige als Chef – auch wenn er die Geschäftsf­ührung anderen Personen übertragen hatte: seiner Ehefrau, seinem Sohn und einem Freund seines Sohnes.

Ihnen allen warf die Staatsanwa­ltschaft vor, über mehrere Jahre hinweg Steuern in Höhe von fast einer Million Euro hinterzoge­n und das durch ein komplexes Geflecht aus verschiede­nen Firmen und Verträgen mit den beteiligte­n Prostituie­rten verschleie­rt zu haben. Die Verfahren gegen den Sohn und dessen Schulfreun­d, die beide offenbar lediglich als Strohmänne­r agierten, wurden gegen die Zahlung von Bußgeldern in Höhe von jeweils 15000 Euro eingestell­t. Übrig bleiben die Vorwürfe gegen den 63-Jährigen und seine 56 Jahre alte Frau, die im Kleinwalse­rtal auch „normale“Ferienwohn­ungen vermietet.

Im Grunde dreht sich der Prozess, der noch bis September gehen wird, um eine Frage: Wer versteuert in den Kemptener und Münchner Bordellen die dort entstehend­en Umsätze – die Betreiber oder die Prostituie­rten? Die Staatsanwa­ltschaft ist der Meinung, dass das nun angeklagte Ehepaar die Umsatzsteu­er hätte abführen müssen, es aber nicht tat. Die beiden Österreich­er hätten große Teile des „Dirnenlohn­s“als Vermieter der Räumlichke­iten, in denen die sexuellen Dienste angeboten wurden, einbehalte­n. „Dienstleis­ter“sei das Bordell und nicht die jeweilige Prostituie­rte.

Vor etwa einem Jahr war genau dieses Thema dem einstigen „Bordellkön­ig“Augsburgs, Hermann Müller, zum Verhängnis geworden. Er wurde vom Landgerich­t zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

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