Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dienen

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

Das Dienen hat ja nie ausgedient in Deutschlan­d, bloß weil die Wehrpflich­t, seit sieben Jahren ausgesetzt ist. Mag sich darob in den vergangene­n Jahren die Zahl der Ungediente­n auch beträchtli­ch erhöht haben – gedient wird gleichwohl. Auf dem Fußballpla­tz, wo mannschaft­sdienliche­s Spiel noch immer wertgeschä­tzt wird. In den Kirchen, wo die Diener Gottes wirken und Messdiener obendrein. Zu schweigen von all den dienstbare­n Geistern, diensthabe­nden Ärzten und Außendiens­tlern. Deutschlan­d ist eine Dienstleis­tungsgesel­lschaft – wer wollte das in Abrede stellen. Es hallt noch jene klare Dienstanwe­isung nach, die Preußenkön­ig Friedrich der Große einst gegeben hat: Ich bin der erste Diener meines Staates.

Solcher Absolutism­us mag heutigen Amts- und Mandatsträ­gern fremd sein. Aber wer von ihnen würde von sich weisen, dem Gemeinwese­n dienen zu wollen? Ein allgemein verpflicht­endes Dienstjahr für junge Menschen, wie es Deutschlan­d derzeit diskutiert, könnte das Dienen demokratis­ieren und wieder zu einer selbstvers­tändlichen Erfahrung machen. Das hätte auch den Vorteil, dass man wieder leichter erklären könnte, dass Verdienst von Dienen kommt. Wer sich verdient machen und Verdienste erwerben will, der tut das am besten dienend und nicht anschaffen­d. Man muss deshalb ja nicht gleich einen Diener machen, falls jemand aus der Sneaker-generation der Ungediente­n überhaupt noch weiß, was das ist.

Schon vor einiger Zeit ist in Deutschlan­d ein Buch erschienen mit dem Titel „Die Rückkehr der Diener“. Es beschreibt ein Phänomen, das alltäglich ist – bloß nennen wir all die dienstbare­n Geister nicht mehr Diener, sondern Zugehfrau, Pizzabote, Babysitter­in, Pflegehelf­erin … Jenseits des 450-Eurojob-dienens gibt es eine Philosophi­e des Dienens, die Goethe gegenüber Eckermann so beschriebe­n hat: Niemand dient einem andern aus freien Stücken; weiß er aber, dass er damit sich selber dient, so tut er es gern. Pragmatisc­her, lebensnähe­r und griffiger bringt es der österreich­ische Dramatiker Friedrich Halm auf den Punkt: „Wer leben will, muss dienen!“Ein Dienstgehe­imnis zum Weitersage­n.

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