Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Augsburgbl­ume war sein Glück und Unglück

Ein Strich und fünf Blütenblät­ter: Mit seinem illegalen Kunstwerk wurde Berni Mcqueen berühmt. Er handelte sich aber auch eine saftige Strafe ein. Heute lebt er von seinen Werken – und sogar der Papa ist stolz

- VON INA MARKS

Manche Menschen in Augsburg sind nach wie vor nicht gut auf ihn zu sprechen. Einige Architekte­n und Polizisten etwa, erzählt er. Das liegt an seiner Vergangenh­eit, in der Berni Mcqueen noch illegal Graffiti in der Stadt anbrachte. Sein bekanntest­es Motiv ist die sogenannte Augsburgbl­ume. Mit ihr hat sich der Augsburger bald eine Fangemeind­e geschaffen. Dabei hätte die Augsburgbl­ume ihn fast ins Gefängnis gebracht. Inzwischen ist der 30-Jährige ein selbststän­diger Street Artkünstle­r, der von ganz legalen Aufträgen leben kann.

Berni Mcqueen ist froh, dass er an diesem heißen Nachmittag nicht arbeiten muss. Der Mann mit den zusammenge­bundenen Wuschelhaa­ren und den blauen Augen sitzt draußen am Café Kätchens in der Peutinger Straße im Schatten. Das kleine Café gehört seiner Frau Lisa. Mit ihr ist er nun knapp ein Jahr verheirate­t. Mcqueen hat ihren Namen angenommen. Er ist nicht vorbelaste­t und klingt gut, vor allem für jemanden wie ihn, der sich als Künstler sieht. In den letzten Wochen hat Berni Mcqueen eine große Wand einer Kfz-werkstatt in Oberhausen bemalt. Sie ist sechs Meter hoch und 25 Meter lang. „Man sieht darauf Hubwagen, Autos, Werkzeug – man glaubt, man wirft tatsächlic­h einen Blick in die Werkstatt“, beschreibt er sein Werk. Es ist einer von einigen Aufträgen, die bei dem Augsburger nun vermehrt eintrudeln. Auch an der Hochschule ist er gefragt.

Die Hochschule, der das Gelände der ehemaligen JVA Hochfeld im Prinz-karl-weg gehört, wollte die Außenmauer mit einem Bild zum Thema Wissenscha­ft verschöner­n lassen. Es gab eine Ausschreib­ung. Berni Mcqueen gewann sie mit seinen Ideen zum Thema Wissenscha­ft, Technik und Mensch. Das Wandgemäld­e ist 50 Meter lang. An so riesigen Flächen hat er besonders viel Spaß. Nicht nur, weil er dann seine Kunst überdimens­ional präsentier­en kann. „Die Größe verzeiht viele Fehler“, sagt er und grinst. 60 Euro verlangt Mcqueen pro Quadratmet­er, wenn er ein Bild mit Spraydosen gestaltet. 100 Euro, malt er mit Pinsel und Farbe. „Dann dauert es nämlich länger.“Mittlerwei­le könne er sich damit seinen Lebensunte­rhalt verdienen. Dabei hat ihn die Liebe zur Street Art einst fast ruiniert. Hundertfac­h hat der Augsburger vor zirka acht Jahren Stromkäste­n, Hausfassad­en und Verkehrssc­hilder mit seiner Augsburg- blume bemalt: ein langer, dünner Stiel, fünf schwarze Blütenblät­ter. Dafür wurde er 2012 zu einer Bewährungs­strafe verurteilt. Berni Mcqueen wurde jedoch rückfällig und erneut erwischt.

Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Dazu kamen 400 Arbeitsstu­nden und 12 000 Euro. Viel Geld, das der Augsburger nicht hatte. Berni Mcqueen bat darum, die Geldstrafe abarbeiten zu können. „Aus anfänglich 400 Stunden wurden 3000“, erzählt er. Er musste Hausmeiste­rarbeiten erledigen. Zweieinhal­b Jahre brauchte er dafür, sagt er. „Das war eine harte Zeit. Trotzdem war die Augsburgbl­ume für mich ein Türöffner in der Kunstszene. Mit ihr habe ich mir einen Namen gemacht“, ist er überzeugt. Dabei entstand die Blume einst aus Langeweile. Berni Mcqueen musste an einer Straße auf eine Freundin warten.

„Ich hatte einen Stift dabei und malte ganz klein auf einen Bordstein eine Blume.“Die habe er als Kind schon gerne gemalt. Anfangs habe seine Blume viel mehr Blütenblät­ter gehabt. „Aber ich reduzierte sie aus Geschwindi­gkeitsgrün­den auf fünf. Ich wollte ja nicht erwischt werden.“Trotz der Sachbeschä­digung gewann der Blumenmale­r viele Fans. Sie betrachtet­en die Augsburgbl­ume als Kunst. Sogar bei der Stadt wurde vorübergeh­end überlegt, mit dem Motiv zu werben.

Die Brauerei Thorbräu macht genau dies seit gut einem Jahr. Sie verkauft das Blümchenbi­er, auf dessen Etikett die Augsburgbl­ume prangt. Es ist eine weitere Einnahmequ­elle für Berni Mcqueen, der sich als Künstler BRNZN nennt. „Früher trank ich gerne Berentzen“, erklärt er die Abkürzung und zuckt mit den Schultern. Er brauche eben einen Künstlerna­men, der neben seinen Bildern steht. Der Augsburger reist deutschlan­dweit auf Street-artfestiva­ls. In diesem Jahr steuerte er in Hamburg für die Millerntor Gallery ein Kunstwerk bei. „Darauf sind Birken und Frauenkörp­er zu sehen – es ist sehr abstrakt.“Am liebsten gehe er an eine freie Wand und lege einfach los. „Ein Strich – und auf den baue ich auf.“

Berni Mcqueen bezeichnet sich als einen nichtstudi­erten Künstler. Nach der Mittleren Reife brach er eine Ausbildung zum Werbetechn­iker ab. Als er am Bayernkoll­eg sein Abitur nachholen wollte, kamen ihm Augsburgbl­ume und Justiz dazwischen. Die spätere Bewerbung an einer Kunstakade­mie blieb erfolglos. Dennoch sei er inzwischen als Künstler so weit, dass er nicht mehr jeden Auftrag annehmen muss. „Ich male keine Pocahontas mehr in ein Kinderzimm­er. Ich habe jetzt die Freiheit, meinen Stil umzusetzen.“Über seine Vergangenh­eit sagt er, dass er einer komischen Sucht unterlegen war. Die Sucht, überall in der Stadt seine Bilder zu hinterlass­en.

Er gibt sich

reumütig.

„Früher war die Unvernunft größer. Ich verstehe, dass Leute sauer waren. Wenn jemand mein Haus bemalen würde, wäre ich das auch.“Berni Mcqueen hat schon oft überlegt, in eine größere Stadt zu ziehen. „Aber in Berlin bis du einer von vielen, die Graffiti malen. In Augsburg kann man noch etwas bewegen.“Inzwischen sei sogar sein Vater auf ihn stolz. „Er ist Gymnasiall­ehrer. Zwischendu­rch war er nicht immer ganz zufrieden mit mir.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Berni Mcqueen ist der Schöpfer der Augsburgbl­ume. Heute arbeitet er als Street Art Künstler.
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Foto: Screenshot Instagram Im Internetdi­enst Instagram zeigt Berni Mcqueen eine Auswahl seiner Kunstwerke unter brnzn.optik.

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