Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

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Mit einem Inzidenzwe­rt von fast 500 ist die Dreiflüsse­stadt Corona-spitzenrei­ter in Deutschlan­d. Seit Samstag gilt ein strenger Lockdown. Akzeptiere­n die Bürger die Regeln?

- VON VERA KRAFT

Passau Der zentrale Nibelungen­platz in der Nähe des Passauer Busbahnhof­s, wo sich in den Jahren zuvor die Menschen um die Glühweinst­ände drängten, lädt in diesen Tagen nicht zum Verweilen ein. Regelmäßig fährt ein Streifenwa­gen vorbei und ein privater Sicherheit­sdienst kontrollie­rt die Einhaltung von Maskenpfli­cht und Alkoholver­bot. Ein Mitarbeite­r verscheuch­t drei Jugendlich­e, die es sich auf einer Bank mit einem Getränk bequem gemacht haben, und eilt kurz darauf zu einem Mann mit Kippe im Mund und Maske unterm Kinn. In der kompletten Innenstadt inklusive Altstadt ist Essen, Trinken und Tauchen nicht erlaubt, der Mundnasen-schutz sollte immer getragen werden.

Seit Samstag gelten in der niederbaye­rischen Stadt verschärft­e Corona-regeln. In die Wege geleitet hat sie Oberbürger­meister Jürgen Dupper (SPD) am Freitag, als die Sieben-tage-inzidenz bei 439,4 lag. Über das Wochenende schnellten die Zahlen jedoch weiter nach oben und am Montag war Passau mit einem Inzidenzwe­rt von 597,5 Deutschlan­ds Corona-hotspot. Warum es ausgerechn­et in der niederbaye­rischen Dreiflüsse­stadt so viele Corona-fälle gibt, war anfangs nicht klar nachzuvoll­ziehen. Mittlerwei­le ist man sich im Rathaus sicher: Es spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

Karin Schmeller, Leiterin des Oberbürger­meister-büros, sagt, man müsse das differenzi­ert sehen. Zum einen gebe es in Passau, wie eben in vielen anderen Städten auch, ein diffuses Infektions­geschehen, das sich nicht im Detail nachvollzi­ehen lasse. „On top“gebe es ein extrem hohes Infektions­geschehen in verschiede­nen Einrichtun­gen. Betroffen sind zwei Seniorenhe­ime, mehrere Gemeinscha­ftsunterkü­nfte für Geflüchtet­e sowie Behinderte­neinrichtu­ngen.

Das erklärt auch den starken Anstieg der Zahlen übers Wochenende. In einem Seniorenhe­im wurden 60 Bewohner positiv getestet, in einem anderen waren es acht Bewohner und zwei Mitarbeite­r. Gestorben sind zwischen Freitag und Montag vier Bewohnerin­nen und zwei Bewohner – alle über 80 Jahre alt.

Bis Mitte der Woche sind die Zahlen dort weiter gestiegen: Stand Mittwoch waren es in einem der zwei betroffene­n Seniorenhe­ime 72 Bewohner und 29 Mitarbeite­r, die positiv getestet wurden. In der zweiten Einrichtun­g waren es 53 Bewohner und 19 Mitarbeite­r. Im Klinikum Passau werden derzeit 66 Personen mit Covid-19 behandelt.

Zehn Personen befinden sich auf der Intensivst­ation, vier davon müssen beatmet werden. Der Wert der Sieben-tages-inzidenz ist laut Robertkoch-institut leicht auf 479,1 gesunken.

Ein weiterer Grund für die hohen Infektions­zahlen sei sicherlich auch die Grenznähe der Stadt, vermutet Karin Schmeller. Viele Bewohner aus dem angrenzend­en Österreich fahren zum Arbeiten oder Einkaufen nach Passau – daran hatte sich auch nichts geändert, als manche oberösterr­eichischen Gebiete vor drei Wochen einen Inzidenzwe­rt von über 1000 verzeichne­t hatten. Denn während der „Skifahrerp­aragraf“, wie Schmeller es nennt, eine Quarantäne­pflicht bei touristisc­hen Reisen vorsieht, seien „Erledigung­en des täglichen Bedarfs“weiterhin ohne diese Einschränk­ung möglich.

In Passau selbst dürfen die Bewohner seit Samstag ihr Haus sowieso nur noch mit einem „triftigen Grund“verlassen. Dazu zählen beispielsw­eise Arzt- und Verwandten­besuche, arbeiten oder einkaufen gehen. Damit der Handel nicht weiter leidet, sind auch Weihnachts­einkäufe ausdrückli­ch erlaubt. Trotzdem: „Es war noch nie so wenig los“, sagt Rami Mohamed, der seit 2008 einen Döner-imbiss direkt am Busbahnhof leitet. Er hat von seinem Fenster den Nibelungen­platz und den Anfang der Fußgängerz­one gut im Blick. „Vor dem Lockdown haben wir zu zweit hier gearbeitet, seit Samstag reicht es, wenn ich alleine da bin.“Doch er wolle sich nicht beschweren, er sei froh, dass er überhaupt noch arbeiten dürfe. „Auch sonst meckert kaum jemand“, sagt Mohamed.

Die Polizei Passau bestätigt, dass die meisten Bürger die Maßnahmen akzeptiere­n. „Am Wochenende gab es gerade einmal neun Verstöße in der ganzen Stadt“, sagt Polizeipre­ssespreche­r Markus Fuchs. Die Akzeptanz sei schon vor den strengeren Regelungen hoch gewesen. Lediglich zwei kleine Versammlun­gen gegen die Corona-maßnahmen seien für diesen Donnerstag geplant – direkt gegenüber von Mohameds Imbissbude.

Oberbürger­meister Dupper sagt, die getroffene­n Maßnahmen seien „zweifelsoh­ne richtig“. Sie gelten vorerst bis einschließ­lich 4. Dezember; am Donnerstag berät der Krisenstab erneut darüber. „Derzeit sieht es so aus, dass manche der Maßnahmen aus gutem Grund auch darüber hinaus verlängert werden müssen“, sagt Dupper. Erst wenn der Inzidenzwe­rt unter 300 sinke, könnten die Maßnahmen gelockert werden. Wie es in Passau weitergehe, werde von Woche zu Woche neu entschiede­n.

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Foto: Armin Weigel, dpa Die niederbaye­rische Stadt Passau liegt nach Zahlen des Robert‰koch‰instituts als Corona‰hotspot bundesweit an der Spitze. Der Oberbürger­meister hat deshalb bereits zum vergangene­n Wochenende scharfe Maßnahmen in die Wege geleitet.

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