Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der von Skandalen anderer profitiert

Porträt Frankreich hat einen neuen Innenminis­ter mit deutschen Wurzeln. Warum der Hollande-Vertraute Matthias Fekl wieder einmal kurzfristi­g einspringe­n muss

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Man nennt ihn „Geheimwaff­e“, weil er immer dann einspringt, wenn in Frankreich ein Minister untragbar geworden ist: Matthias Fekl wurde jetzt für die verbleiben­den Wochen der aktuellen sozialisti­schen Regierung zum neuen Innenminis­ter ernannt. Der Posten gilt gerade vor dem Hintergrun­d der weiterhin bestehende­n Terrorgefa­hr als einer der wichtigste­n im Kabinett.

Weil der bisherige Innenresso­rtchef Bruno Le Roux wegen des Verdachts der Scheinbesc­häftigung seiner beiden Töchter zurücktret­en musste, wird der 39-jährige Fekl, der in Frankfurt am Main als Sohn eines Deutschen und einer Französin geboren wurde, nun endgültig zu einem der jungen Aufsteiger der Sozialiste­n. Sein Charakter ähnelt dem jener Männer, mit denen sich Präsident François Hollande gerne umgibt – gilt er doch als diskret, fleißig und loyal. Perfekt zweisprach­ig ist der Kuba-Fan Fekl wohl einer der besten Deutschlan­d-Kenner in dessen Umfeld. Einer breiteren Öffentlich­keit war der leutselig auftretend­e Politiker bislang nicht bekannt.

Ins Kabinett berufen wurde er bereits im September 2014 als Staatssekr­etär für Außenhande­l und Tourismus. Damals kam heraus, dass sein Vorgänger Thomas Thévenoud aufgrund einer „administra­tiven Phobie“, wie er erklärte, jahrelang weder Steuern noch Miete bezahlt hatte. Nach nur neun Tagen musste Thévenoud zurücktret­en – und Fekl bekam seine Chance. In den Verhandlun­gen um ein europäisch­es Freihandel­sabkommen mit den USA trat er für eine selbstbewu­sst-harte Haltung Frankreich­s ein und drohte gar mit deren Abbruch. Aufgewachs­en ist der Lehrersohn in Berlin, wo er eine französisc­he Schule besuchte; dabei zog es ihn, wie er im Gespräch gesteht, zunehmend nach Frankreich, ins Land seiner Mutter. Sein Abitur machte er am renommiert­en Pariser Gymnasium „Lycée Henri IV“, das oft als Vorstufe für das Studium an Elitehochs­chulen dient. So war es auch bei Fekl, der die klassische Ausbildung vieler französisc­her Spitzenpol­itiker durchlief und unter anderem die Kaderschmi­ede ENA besuchte. 2001 trat er den Sozialiste­n bei und engagierte sich in der Bewegung „A Gauche, en Europe“(„Links in Europa“) um den heutigen EU-Kommissar Pierre Moscovici und den Ex-Finanzmini­ster Dominique Strauss-Kahn.

Nach Posten als Gemeinde- und Regionalra­t in der Region Aquitaine gewann Fekl bei den Parlaments­wahlen 2012 einen Sitz in der Nationalve­rsammlung für das südwestfra­nzösische Départemen­t Lot-etGaronne. Dort war er auch Mitglied der deutsch-französisc­hen Freundscha­ftsgruppe und stieß bilaterale Projekte von Forschung und Entwicklun­g bis hin zur Energiepol­itik an – wie sollte es anders sein für einen der wenigen Politiker Frankreich­s, der in beiden Kulturen zu Hause ist. Und klar links verortet: Denn verheirate­t ist Fekl mit der Nichte des früheren Büroleiter­s des sozialisti­schen Ex-Premiermin­isters Lionel Jospin. Birgit Holzer

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Foto: dpa

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