Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trumps unangenehm­e Begegnung mit der Realität

USA Nach dem Aus für die Gesundheit­sreform stehen weitere zentrale Wahlverspr­echen auf der Kippe. Scheitert der Präsident an seiner Partei?

- VON THOMAS SEIBERT

Donald Trump hat Rekorde versproche­n und geliefert – allerdings andere, als er erhofft hat. Schon vor der traditione­ll als Messlatte herangezog­enen 100-TageMarke fällt die Bilanz über die Regierung des neuen US-Präsidente­n glanzlos aus: Gesundheit­sreform geplatzt, Muslim-Bann gescheiter­t, Regierungs­partei zerstritte­n. Auch in der Außenpolit­ik wächst der Druck auf den Präsidente­n.

Der Tod von bis zu 200 Zivilisten bei einem US-Luftangrif­f in der irakischen Stadt Mossul untergräbt die Glaubwürdi­gkeit der Supermacht im Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat. Erst vor wenigen Tagen hatte Außenminis­ter Rex Tillerson die Stabilisie­rung befreiter Gebiete in Syrien und Irak versproche­n, um den Einfluss des IS auf die dortige Bevölkerun­g zu reduzieren. Jetzt müssen sich die USA dem Vor- wurf stellen, unschuldig­e Frauen und Kinder getötet zu haben.

Im Inland ist das Scheitern des Versuchs, das Gesundheit­ssystem Obamacare mithilfe der republikan­ischen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus abzuschaff­en, mehr als ein Betriebsun­fall für den Präsidente­n. Trump will in den kommenden Monaten den Kongress zur Finanzieru­ng mehrerer Großprojek­te bewegen, die Teil eines riesigen Konjunktur­pakets sein sollen. Doch die Erfahrung aus der ObamacareS­chlappe sät Zweifel, ob Trumps nächstes Hauptproje­kt gelingt.

Auf Sparsamkei­t bedachte Haushaltsp­olitiker der Republikan­er äußern seit Wochen Bedenken gegen Trumps versproche­ne Infrastruk­tur-Initiative zur Modernisie­rung von Straßen, Brücken und Flughäfen, die eine Billion Dollar kosten soll. Streit ums Geld droht auch an anderer Stelle. Die Schuldenob­ergrenze der USA wurde Mitte März auf knapp 20 Billionen Dollar festgelegt. Laut Experten hat Washington damit Geld bis zum Herbst – danach wird es eng für alle Ausgaben.

So ist auch Trumps schillernd­stes Projekt – der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko – wegen Finanzieru­ngsfragen fraglich. Und sogar bei der von vielen Republikan­ern unabhängig von Trump geforderte­n Steuerrefo­rm wächst die Skepsis, weil die Partei tief zerstritte­n ist. Inzwischen stelle sich die Frage nach der Regierungs­fähigkeit der Partei, sagte der konservati­ve Republikan­er-Berater Doug Heye desillusio­niert der Washington Post.

Trump unternimmt bislang nichts, um die Risse in der eigenen Partei zu kitten und die Republikan­er mit Blick auf die kommenden Aufgaben zu einen. Auf Twitter attackiert­e er am Sonntag die rechtskons­ervativen Mitglieder der Republikan­er-Fraktion im Repräsenta­ntenhaus, die den Plan zur Abschaffun­g von Obamacare abgelehnt hatte. Ein ernsthafte­s Zugehen auf die opposition­ellen Demokraten mit dem Ziel einer Konsenssuc­he ist bei Trump ebenfalls nicht erkennbar.

Er ließ die Amerikaner per Twitter wissen, sie sollten sich keine Sorgen machen, denn nach der erwarteten „Explosion“von Obamacare werde es ein „großartige­s“neues Gesundheit­ssystem geben. Wie dieses angesichts der tiefen ideologisc­hen Gräben innerhalb der Republikan­er aussehen soll, sagte Trump ähnlich wie im Wahlkampf nicht.

Der schon unter Ronald Reagan tätige Ex-Präsidente­nberater David Gergen sagte, Trump werde möglicherw­eise „die schlechtes­ten ersten hundert Tage aller Präsidente­n“abliefern. Bei Republikan­ern heißt es ernüchtert, dass Trump bislang weder viel Wissen noch viel Interesse bei schwierige­n Themen offenbare.

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Foto: Ngan, afp US Präsident Donald Trump: Bei den tief zerstritte­nen Republikan­ern werden die Zweifel an der Finanzierb­arkeit der Wahlverspr­echen immer lauter.

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