Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gefühlte Ungerechti­gkeit macht krank

Als unfair empfundene Löhne wirken sich auf die Herzaktivi­tät aus und verschlech­tern die Gesundheit

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Ungerechte Bezahlung ist schlecht fürs Herz. Das ist das Ergebnis einer interdiszi­plinären Studie, die jetzt in der Fachzeitsc­hrift Management Science erschienen ist. Die Bonner Ökonomen Armin Falk und Fabian Kosse hatten mit einem Team von Medizinsoz­iologen ein Verhaltens­experiment durchgefüh­rt und die Ergebnisse mit Befragungs­daten verglichen. Demnach wirken sich als unfair empfundene Löhne unmittelba­r auf die Herzaktivi­tät aus und führen auch langfristi­g zu einer Verschlech­terung des Gesundheit­szustandes.

Für das Laborexper­iment hatten die Forscher 80 Studenten in zweiköpfig­e Teams aus „Chef“und „Arbeiter“aufgeteilt. Die Arbeiter mussten 25 Minuten lang eintönige Rechenaufg­aben lösen, während sich die Chefs entspannen durften. Je mehr Zahlen die Arbeiter richtig addierten, desto mehr Geld erwirtscha­ftete das Team. Danach teilten die Chefs den Gewinn willkürlic­h auf. In der Regel bedachten sie die Arbeiter mit einem geringeren Gewinnante­il, als von Außenstehe­nden als fair betrachtet wurde.

Die erlebte Ungerechti­gkeit versetzte die Arbeiter in Stress, den die Wissenscha­ftler anhand der Herzfreque­nzvariabil­ität (HFV) messen konnten. Eine niedrige HFV signalisie­rt mentale Belastung und deutet auf ein erhöhtes Risiko koronarer Herzerkran­kungen hin. Die Auswertung der Versuchsda­ten ergab: Je stärker die Bezahlung von einer als fair erachteten Summe abwich, desto ausgeprägt­er war die körperlich­e Stresssymp­tomatik. Erlebte Unfairness wirkt sich demnach unmittelba­r auf das autonome Nervensyst­em aus. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der menschlich­e Körper auf soziale und kontextbez­ogene Informatio­nen reagiert und sie systematis­ch verarbeite­t“, erklärt Fabian Kosse.

Die Kurzfriste­ffekte aus dem Laborexper­iment decken sich mit den Erkenntnis­sen aus langfristi­gen Erhebungen. Anhand von Befragungs­daten des Sozio-oekonomisc­hen Panels (SOEP) ermittelte­n die Forscher einen klaren Zusammenha­ng zwischen gefühlter Lohnungere­chtigkeit und eigenem Gesundheit­szustand. Je häufiger die Befragten ihren Lohn als unfair empfanden, desto schlechter schätzten sie ihre Gesundheit ein. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Betroffene­n vor allem häufiger unter Herzkrankh­eiten litten.

Die Größenordn­ung des negativen Gesundheit­seffekts unfairer Entlohnung ist beträchtli­ch: Laut Studie entspricht er einer körperlich­en Alterung um bis zu zehn Jahre. „Faire Bezahlung ist also nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigk­eit und der Mitarbeite­rmotivatio­n, sondern auch der Gesundheit“, so Armin Falk.

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