Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Im Kampf gegen den Goliath Stadtregierung
Serie Die Opposition im Rathaus hat es schwer. Das liegt nicht nur an der Übermacht von CSU, SPD und Grünen: Die kleinen Gruppierungen und Parteien sind auch stark mit sich selbst beschäftigt. Eine Gemeinschaft überrascht
Volker Schafitel gehört zu den Wortführern im Stadtrat, die von Natur aus die Tätigkeit der Stadtregierung kritisch beäugen. Der Mann aus Reihen der Freien Wähler gehört zur Rathausopposition. Im Mai 2014 ist Schafitel erstmals in den Stadtrat gezogen. Zur Halbzeit der Periode zieht der Kommunalpolitiker eine aus seiner Sicht ernüchternde Bilanz. Er komme sich als Oppositionspolitiker wie eine „aussterbende Rasse“vor. Und er fügt an: „Es ist doch bei den an der Stadtregierung beteiligten Parteien so, dass ein paar Personen den Ton angeben und der Rest die Hand hebt. Der Stadtrat ist kein Diskussionsgremium mehr, sondern eine Abstimmungsversammlung.“Im Kampf David (Opposition) gegen Goliath (Regierung) hat die Opposition ohnehin schlechte Karten, weil sie sich selbst wiederholt geschwächt hat. Personalien in den eigenen Reihen überlagerten wiederholt die politischen Inhalte.
Die Dominanz des Bündnisses von CSU, SPD und Grünen lässt sich zweifellos in Zahlen festmachen. Rechnet man die Stimme von FDP-Stadtrat Markus Arnold hinzu, kommt das Regierungslager auf 48 von 61 Stimmen. 13 Stadträte gehören der Opposition gegenwärtig an. Es handelt sich um eine Ansammlung höchst unterschiedlicher Charaktere. Ihr politischer Gestaltungsspielraum ist beschränkt. Dies ist dadurch zu begründen, weil die Mitarbeit in Ausschüssen, den vorberatenden Gremien des Stadtrats, kaum mehr vorhanden ist. Die Opposition hat sich selbst ausmanövriert. Bemerkenswert ist zudem, dass bereits drei Stadträte ins Regierungslager übergelaufen sind. Marc Zander (vormals AfD) sowie Rolf Rieblinger und Dimitrios Tsantilas (beide CSM) sind jetzt Mitglieder der CSU-Fraktion. Waren es anfangs 16 Mitglieder der Opposition, sind es jetzt noch 13. Diese 13 Politiker verteilen sich auf insgesamt acht (!) Gruppierungen und Parteien. Auch deshalb geht schnell mal der Überblick verloren, wo der politische Gegner der Regierenden sitzt und was er wirklich möchte.
Die Rathausopposition war in den ersten drei Jahren meist mehr mit sich selbst beschäftigt, als mit der Kontrolle der Stadtregierung. Es gab Auflösungserscheinungen durch interne Reibereien und Streitigkeiten, die den Stellenwert der Opposi- tion automatisch verringerten. Um im politischen Prozess mitzumischen, ist ein Sitz in den Ausschüs- den vorberatenden Gremien des Stadtrats, von Vorteil. Grundbedingung für einen Ausschusssitz ist Fraktionsstärke. Mindestens drei Stadträte werden zur Bildung einer Fraktion benötigt. Einen Aussen, schusssitz erhält zudem eine Ausschussgemeinschaft mit ebenfalls mindestens drei Stadträten. Diese Gemeinschaft kann von mehreren Gruppierungen gebildet werden. Wie geschwächt die Opposition zwischenzeitlich aufgestellt ist, zeigt die Ausgangssituation.
Nach der Kommunalwahl im Frühjahr 2014 gab es drei Oppositionsfraktionen und eine Ausschussgemeinschaft, die Oppositionsarbeit betrieben. Diese Sechser-Ausschussgemeinschaft von Freien Wählern, Linkspartei, ÖDP, PolitWG hat durchgehalten. Das Team steht in der gleichen Aufstellung da wie zu Beginn. Die AfD-Fraktion gibt es dagegen nicht mehr, ebenso die CSM-Fraktion. Abgänge einzelner Stadträte sprengten die Fraktion. Pro Augsburg hat den Status einer Fraktion behalten, wobei es hier einen personellen Wechsel gab. Thomas Lis (vormals AfD) kam, während der einstige Kultur- und Sportreferent Peter Grab die Bürgervereinigung verließ. Grab macht als Einzelstadtrat weiter, er hat mit Mitstreitern die Gruppierung „Wir sind Augsburg“(WSA) gegründet.
In der ersten Hälfte der Periode gab es manche Kapriole in der Opposition, die nur dem Umstand geschuldet war, einen Ausschusssitz zu ergattern. So bildete Grab (WSA) für kurze Zeit eine Ausschussgemeinschaft mit den beiden verbliebenen AfD-Stadträten Markus Bayerbach und Thorsten Kunze. Die Trennung folgte bald, zu groß waren die politischen Differenzen.
Bemerkenswert ist für politische Beobachter vor allem, dass sich die Sechser-Gemeinschaft nicht nur personell unverändert gehalten hat, sondern dass diese Mannschaft am ehesten dem Anspruch von Opposition gerecht wird. Es wird nachgefragt und kritisiert. Dabei liegen die vier Gruppierungen und Parteien mitunter gar nicht gemeinsam auf Kurs, weil es teils höchst unterschiedliche Gesichtspunkte bei Freien Wählern, Linkspartei, ÖDP und Polit-WG gibt. Das Agieren gegen die Stadtregierung schweißt aber zusammen.
Der Sechser-Club in der Ausschussgemeinschaft deckt unterschiedliche Aspekte unter einem Dach ab und thematisiert sie in den politischen Debatten. Die Linkspartei setzt auf soziale Themen und widmet sich stark dem Wohnungsmarkt in Augsburg. Die Freien Wähler sehen ihre Schwerpunkte in der Verkehrspolitik und in der Stadtentwicklung. ÖDP-Stadtrat Christian Pettinger hakt bei Umweltthemen nach, während Oliver Nowak (Polit-WG) seine Akzente in der Kulturpolitik setzt.
Eine Ansammlung von vielen Charakteren