Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mordanklag­e 25 Jahre nach der Tat

Justiz Im September 1993 wurde die Prostituie­rte Angelika Baron umgebracht. Nun soll einem 50-Jährigen der Prozess gemacht werden. Einen vergleichb­aren Fall gab es in Augsburg noch nie

- VON JAN KANDZORA

Fast ein Vierteljah­rhundert nach dem Mord an der Prostituie­rten Angelika Baron hat die Staatsanwa­ltschaft Anklage gegen einen Mann erhoben, der die Frau umgebracht haben soll. Stefan E. soll der Prozess vor der Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­tes gemacht werden.

Angelika Baron, die damals in Pfersee in der Nähe der Ackermann-Brücke am Straßenstr­ich stand, war in der Nacht zum 25. September 1993 getötet worden. Ein Spaziergän­ger fand die Leiche der 36-Jährigen am Mittag darauf in einem Straßengra­ben im Ortsbereic­h Gessertsha­usens. Die Staatsanwa­ltschaft sieht nach Informatio­nen unserer Zeitung zwei Mordmerkma­le verwirklic­ht: Demnach soll Stefan E. die Prostituie­rte aus Habgier und zur Befriedigu­ng des Geschlecht­striebes getötet haben. Wie berichtet, war er im November des vergangene­n Jahres festgenomm­en worden und in Untersuchu­ngshaft gekommen. Mehrere neue Spuren, darunter DNA-Spuren, hatten nach damaliger Auskunft der Staatsanwa­ltschaft den Tatverdach­t des Mordes gegen den heute 50-Jährigen begründet. Bis dahin hatte er in einer kleinen Wohnung eines Mietshause­s in der Jakobervor­stadt gelebt.

Dort hatten sich auch die Ermittler der Kriminalpo­lizei umgesehen; die Wohnungstü­r war später mit einem Polizeisie­gel verschloss­en. Stefan E. soll bereits in der Vergangenh­eit durch Drogendeli­kte aufgefalle­n sein und musste auch schon Haftstrafe­n absitzen. Aus diesem Grund hatte die Polizei die DNA des Mannes gespeicher­t. Stefan E. soll in den 1990ern öfter zu Prostituie­rten gegangen sein, auch zu jenen, die zu der Zeit an der Ackermann-Straße standen. Sein Verteidige­r Klaus Rödl sagte im vergangene­n Jahr, sein Mandant bestreite aber vehement, die Frau getötet zu haben. Daran hat sich nichts geändert.

Die 8. Strafkamme­r muss nun darüber entscheide­n, ob die Anklage zugelassen wird. Dass die Eröffnung des Hauptverfa­hrens abgelehnt wird, ist allerdings die Ausnahme. Am Landgerich­t könnte also möglicherw­eise noch dieses Jahr ein Indizienpr­ozess verhandelt werden, wie es ihn in Augsburg noch nicht gab. In anderen Teilen Deutschlan­ds ist es in den letzten Jahren zu Prozessen gekommen, in denen Menschen Jahrzehnte nach einem Mord der Prozess gemacht wurde, oft aufgrund einer ausgefeilt­eren DNA- Analyse. 2017 wurde etwa ein Frührentne­r in Zwickau (Sachsen) für den 30 Jahre zurücklieg­enden Mord an einer 18-Jährigen zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt. Im Zuständigk­eitsbereic­h der Augsburger Kripo gibt es zwar seit 1963 insgesamt 27 ungeklärte Mordfälle, die meisten davon fallen jedoch in den Zeitraum bis 1979. Je weiter ein Mord zurücklieg­t, desto unwahrsche­inlicher ist, dass mutmaßlich­e Täter noch vor Gericht gebracht werden können. Sei es, weil die Spurenlage zu dünn ist, sei es, weil mögliche Täter inzwischen gestorben sind. In den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n hat die Augsburger Kripo jeden Mord aufgeklärt. Der Fall Angelika Baron dürfte tatsächlic­h der jüngste Mord in der Stadt sein, der ungeklärt blieb.

Einzelheit­en zum Gewaltverb­rechen nannte die Staatsanwa­ltschaft zunächst nicht. Die Prostituie­rte wurde nach Informatio­nen unserer Zeitung beim Todeskampf gewürgt, möglicherw­eise auch erwürgt. In Zeitungsar­tikeln aus der damaligen Zeit hieß es, die 36-Jährige sei erschlagen worden. Bei der Leiche war ein hölzerner Möbelfuß gefunden worden. Der Täter, hieß es, habe mit erhebliche­r Wucht auf sein Opfer eingeschla­gen. Ob der Möbelfuß bei den aktuellen Ermittlung­en eine Rolle spielte, ist bislang nicht bekannt.

Neben dem Mord an Angelika Baron wirft die Staatsanwa­ltschaft dem Angeschuld­igten noch ein weiteres Verbrechen vor: Vergewalti­gung. Diese Tat steht mit dem Mord 1993 nicht in direktem Zusammenha­ng. Auf den Fall stießen die Ermittler offenbar, als sie sich in der Süchtigens­zene umhörten. Dort machten Vergewalti­gungsgerüc­hte

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Fotos: Marcus Merk, Bernd Hohlen An dieser Bahnunterf­ührung in Gessertsha­usen fand man vor 25 Jahren die Leiche von Angelika Baron. Jetzt soll der Prozess ge gen den Mann beginnen, der sie umgebracht haben soll.
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Angelika Baron

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