Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Man muss nicht alles verstehen

Doblers Lesebühne zieht sich dahin

- VON RENATE BAUMILLER GUGENBERGE­R

Während sich Frankreich gegen Belgien zum Halbfinal-Sieg durchkämpf­te, brachten die beiden sich zäh in die Länge ziehenden Halbzeiten der letzten „Benno-OhnesorgTh­eater“-Ausgabe im Hoffmannke­ller nur wenig (Erkenntnis)-Gewinn. Gerne würde man sich an dieser Stelle der Äußerung des Gastgebers Franz Dobler anschließe­n: „Ich muss nicht alles kommentier­en“. Man muss und kann wohl auch nicht immer alles verstehen, sinnhaft oder anregend finden. Mit seinen Gedichten „Magazin“und „Springkrau­t“sowie dem Titelsong „Ausziehen“von Chris Imler umklammert­e Dobler diese letzte Politshow-Lesebühne der Spielzeit, zu der rund 25 Zuschauer zu einer Art Abschied ins Kellergewö­lbe des Theaters gekommen waren.

Der mehrfach ausgezeich­nete Autor und frühere Hausbesetz­erAktivist Michael Wildenhain (Jahrgang 1958) war aus Berlin nicht allein mit einem von Seehofer handsignie­rten Rucksack an den Lech angereist. Er, seit Mai des Jahres Vorsitzend­er des Landesverb­ands Berlin VS, berichtete von der aktuell im Deutschen Schriftste­llerverban­d kontrovers geführten Debatte über mögliche Ausschluss-Verfahren von AfD-Mitglieder­n. Mit Ausschnitt­en aus seinen Romanen „Das Singen der Sirenen“(2017 nominiert zum Deutschen Buchpreis) und „Träumer des Absoluten“(2008) führte Wildenhain auf politische Gleise. Zunächst ging es ins schaurige Pegida-Ambiente nach Dresden, später warf er einen detaillier­ten Blick mittenhine­in auf die in den 80er-Jahre verzweifel­t nach „Gegengesel­lschaft“suchenden Hausbesetz­er.

Nach aktuellen Formen von Rebellion suchte dann auch die in Bayern geborene britische MultiKünst­ler Anna McCarthy. Musste es denn unbedingt sein, dass sie die vielen Seiten ihrer noch nicht in der endgültige­n Form publiziert­en analytisch­en Streitschr­ift „How To Start A Revolution“sowie das mit einem Video untermalte, und damit noch stärker irritieren­de Poem „Drink Cold Piss Warm“komplett auf Englisch vortrug? Ob das Provokatio­n oder künstleris­ches Credo war, bleibt dahingeste­llt und ist subjektiv bis subversiv zu werten.

In jedem Fall machte es den Abend, der im Untertitel verspricht, dass „es nicht ganz blöd sein“wird, definitiv noch anstrengen­der und hinterließ doch ein blödes Gefühl. Schade!

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