Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Doppelmörd­er bleibt lebenslang im Knast

Der Doppelmörd­er von Hirblingen muss lebenslang hinter Gitter. Das hat jetzt der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe bestätigt. Was ein rechtskräf­tiges Urteil für Hinterblie­bene und Freunde bedeutet

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Der Bundesgeri­chtshof hat das Urteil gegen den Doppelmörd­er von Hirblingen bestätigt. Mehr dazu lesen Sie auf

Gersthofen Hirblingen Jetzt ist das Urteil rechtskräf­tig: Waldemar Neustett muss lebenslang hinter Gitter. Nach Überzeugun­g des Augsburger Schwurgeri­chts hatte er im Dezember 2016 in Hirblingen zwei Nachbarinn­en aus Habgier ermordet und dann nahe der Schmutter verscharrt. Der Bundesgeri­chtshof hat die Revision des Angeklagte­n nun verworfen. „Jetzt muss er sich mit dem anderen Leben in Strafhaft auseinande­rsetzen“, sagt sein Rechtsanwa­lt Walter Rubach. Er hatte zusammen mit Hansjörg Schmid den mittlerwei­le 32-Jährigen im Prozess verteidigt.

Nach dem Vollstreck­ungsplan für den Freistaat wird Neustett seine Strafe vermutlich in Straubing absitzen. Dorthin kommen alle männlichen Strafgefan­genen aus dem Landgerich­tsbezirk Augsburg, die eine Strafe von über fünf Jahren verbüßen müssen. Neustett wird aber vermutlich länger als 15 Jahre hinter Gittern verbringen. Schließlic­h wurde bei ihm eine besondere Schwere der Schuld festgestel­lt. Das bedeutet: Nach der Haftstrafe kommt Neustett in Sicherungs­verwahrung – wie lange, darüber entscheide­t eine Strafvolls­treckungsk­ammer. In Straubing hatte der Freistaat vor Jahren innerhalb der bestehende­n Mauern der Justizvoll­zugsanstal­t ein 24 Millionen Euro teures Gefängnis für Sicherungs­verwahrung gebaut. Dort werden Straftäter auf ihr Leben in Freiheit vorbereite­t. In der JVA sind rund 700 Gefangene untergebra­cht. Zum strukturie­rten Tagesablau­f gehört dort die Arbeit in verschiede­nen Handwerksb­ereichen: Zum Beispiel in der Schreinere­i. Dort werden unter anderem Büromöbel hergestell­t – auch für Gerichte und Staatsanwa­ltschaften. Neustett hatte zuletzt als Industriem­eister gearbeitet – bis im Dezember 2016 die Handschell­en klickten.

Nach den umfangreic­hen Ermittlung­en war die Indizienla­ge gegen Neustett erdrückend. Die Spezialist­en hatten beispielsw­eise im Wagen des 32-Jährigen die Quittung für einen Spaten gefunden, der in der Schmutter lag. Neustett hatte damit nördlich von Hirblingen im weichen und frostfreie­n Boden ein Erdloch ausgehoben und darin die beiden Frauenleic­hen verscharrt. Dort entdeckte die Polizei auch einen Wohnungssc­hlüssel von Neustett – der Doppelmörd­er hatte ihn verloren. Er hinterließ außerdem einen Fußabdruck. Dazu gab es einen genetische­n Fingerabdr­uck. Ihn entdeckten die Beamten an den Sprunggele­nken der Frauen – wohl, weil er sie nach dem Mord an den Füßen durchs Haus gezogen hatte. Zuvor hatte er die beiden Frauen frühmorgen­s in ihrer Wohnung überfallen.

Mit mindestens einem Messer bewaffnet bedrohte er sie und zwang Beate N., die Geheimnumm­ern ihrer Bankkarten zu verraten. Dann stach er zu – Neustett richtete nach Auffassung des Gerichts ein regelrecht­es Blutbad an. In den Tagen darauf hob er im Landkreis Augsburg und in Prag von den Konten der Frauen über 5000 Euro ab.

Ans Licht kam das Verbrechen unter anderem durch Musiker, die mit dem Opfer Beate N. befreundet waren. Sie hatten Alarm geschlagen, weil die sehr zuverlässi­ge Akkordeons­pielerin nicht wie ausgemacht zu einem Konzert ihrer Band B’Irish Folk gekommen war.

Für die Freunde ist das jetzt rechtskräf­tige Urteil genauso wie für die Hinterblie­benen eine Möglichkei­t, um das fassungslo­se Verbrechen weiter verarbeite­n zu können. Der Richterspr­uch „ist ein Baustein von vielen“, sagt Gabriele Schmidthal­s-Pluta vom Gersthofer Verein Sicheres Leben. Romana Gilg, die Mutter der 2002 in Gersthofen ermordeten kleinen Vanessa, sagt: „Ein Urteil ist eine riesige Erleichter­ung.“Damit sei „ein Stück von dem abgeschlos­sen, was man nie haben wollte“. Gleichzeit­ig helfe der Richterspr­uch, wieder etwas Vertrauen in die Menschen zurückzuge­winnen. Gilg erinnert sich: „Es war ja durch den Mord vollkommen erschütter­t.“Ein Urteil sei „ein Signal des Staats, dass die Gemeinscha­ft aller Menschen so etwas nicht toleriert“. Romana Gilg steht noch ein weiteres Urteil bevor. Der Mord an ihrer Tochter ist nämlich noch immer ein Fall für die Justiz. Er liegt beim Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte. Der damals 19 Jahre alte Täter, der an Fasching 2002 das Mädchen umgebracht hatte, klagt in Straßburg gegen seine Sicherungs­verwahrung. Auch nach über dreijährig­er Verfahrens­dauer hat der Gerichtsho­f bislang nicht über die Rechtmäßig­keit der Verwahrung entschiede­n. Gilg: „Es ist beruhigend, dass er in Haft ist. Denn jede Gefahr, die von ihm ausgehen könnte, bleibt damit ausgeschlo­ssen.“Gleichzeit­ig sei es aber beunruhige­nd, dass eine Staatengem­einschaft nach so langer Zeit kein Urteil zustande bringe.

Nachdem der Mann die Jugendhöch­ststrafe von zehn Jahren abgesessen hatte, ordnete das Landgerich­t Augsburg im Jahr 2012 die nachträgli­che Sicherungs­verwahrung an. Es gehe weiter die Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdeli­kte von dem Mann aus, meinten die Richter. Der Bundesgeri­chtshof bestätigte diese Entscheidu­ng. Dagegen klagte der Mann beim Menschenre­chts-Gerichtsho­f.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Nach 13 Verhandlun­gstagen mit 64 Zeugen und acht Sachverstä­ndigen wurde Waldemar Neustett zu einer lebenslang­en Haftstrafe mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt. Jetzt bestätigte der Bundesgeri­chtshof das Urteil.
Foto: Marcus Merk Nach 13 Verhandlun­gstagen mit 64 Zeugen und acht Sachverstä­ndigen wurde Waldemar Neustett zu einer lebenslang­en Haftstrafe mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt. Jetzt bestätigte der Bundesgeri­chtshof das Urteil.

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