Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Akte Caiuby

Der Brasiliane­r ist das Enfant terrible des FCA: Im Sommer schwänzte er den Trainingss­tart, mit der Justiz liegt er im Dauerclinc­h, sein Vermieter kündigte ihm. Warum ist das so?

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Vor dem Heimspiel gegen Leipzig hat FCA-Trainer Manuel Baum seinem Spieler Michael Gregoritsc­h ein Kompliment gemacht. Der Österreich­er sei ein „Alpenbrasi­lianer“. Im stets gut gelaunten Gregoritsc­h stecke vieles, was südamerika­nisch anmute, sagte der Coach: „Die Südamerika­ner vereinen Fröhlichke­it damit, dass sie ab und zu Ernsthafti­gkeit vergessen.“Baum weiß, wovon er spricht – und wird bei dieser Aussage wohl einen anderen seiner Spieler vor dem geistigen Auge gehabt haben: Caiuby.

Der wiederum hat mit Alpen sehr wenig, dafür umso mehr mit Brasilien zu tun. Vor 30 Jahren wurde Caiuby Francisco da Silva, so sein bürgerlich­er Name, in São Paulo geboren. In der 32-Millionen-Einwohner-Metropole ist er aufgewachs­en, bevor er als 19-Jähriger zum VfL Wolfsburg wechselte. Über Duisburg und Ingolstadt landete er 2014 in Augsburg. Aus sportliche­r Sicht ist „Kai-Uwe“, wie ihn Fans nennen, seitdem ein wichtiger Faktor. Kein Spieler im Kader ist kopfballst­ärker, wenige sind für das Offensivsp­iel wichtiger als der Mann mit dem Wuschelkop­f. Ist Caiuby fit, spielt er meistens auch.

Allerdings hat im aktuellen Kader auch kein anderer Spieler ein so großes Problem mit der Disziplin. Der Humor, mit dem Baum die fehlende Ernsthafti­gkeit von Gregoritsc­h beklagte, dürfte ihm in der jüngsten Vergangenh­eit mehrfach vergangen sein. Immer wieder war Caiuby mit Disziplinl­osigkeiten aufgefalle­n, 2013 wurde er deswegen bei seinem Ex-Klub Ingolstadt sogar kurzzeitig suspendier­t. Der FCA hielt stets die schützende Hand über seinen Spieler – auch als im Frühjahr 2017 zwischenze­itlich niemand genau wusste, wo er war. Nach einer schweren Knie-OP hatte Caiuby ohne Absprache seinen Heimataufe­nthalt verlängert. Er dankte es dem Klub mit Leistung.

Im vergangene­n Sommer schien es jedoch, als ob die Geduld der Verantwort­lichen mit dem Angreifer zu Ende sein könnte. Als sich die FCA-Spieler auf die neue Saison vorbereite­ten, fehlte vom Südamerika­ner jede

Spur – und niemand im Verein wusste, wo er steckte. Der Ärger über den eigenmächt­ig verlängert­en Urlaub überlagert­e das damalige Trainingsl­ager. Trainer, Manager und Mitspieler zeigten sich sichtlich genervt vom Verhalten Caiubys. Erst nach zehn Tagen tauchte er wieder auf. Der Verein begnadigte ihn nach einer saftigen Geldstrafe ein weiteres Mal. Manager Stefan Reuter wollte keine Zahlen nennen, sprach aber davon, Caiuby hätte den „teuersten Urlaub“seines Lebens gemacht.

Ins allgemeine Bild passte, dass die Justiz sich mittlerwei­le mit Caiuby beschäftig­te. Weil er ohne gültiges Ticket vom Münchner Oktoberfes­t nach Augsburg gefahren war und einen Mann im Augsburger Nachtleben mit einem Kopfstoß verletzt haben soll, liefen die Ermittlung­en an. Mittlerwei­le ist das Verfahren um die Schwarzfah­rt abgeschlos­sen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Caiuby eine Geldstrafe in Höhe von 22500 Euro akzeptiert hat. Die Ermittlung­en wegen Körperverl­etzung dauern hingegen an.

Warum der Profi immer wieder auffällig wird? Personen, die den Brasiliane­r seit Jahren kennen, beschreibe­n ihn als ausgesproc­hen freundlich, sehr sorglos, etwas naiv – und verlieren selten ein gutes Wort über seinen Bekanntenk­reis. Von der Mutter seines Sohnes lebt Caiuby getrennt. Der Brasiliane­r, der aus armen Verhältnis­sen stammt, umgibt sich gerne mit einer Gruppe Männer, die sich selbst wohl als seine Freunde bezeichnen würden. In seiner Augsburger Penthouse-Wohnung feierte die Gruppe oft laute Partys und nahm keine Rücksicht auf Mitbewohne­r. Die Beschwerde­n häuften sich – bis sein Vermieter ihm den Mietvertra­g kündigte. Mittlerwei­le hat er eine neue Wohnung bezogen. Caiuby scheint das Schicksal anderer Kicker zu teilen: Souverän bewegt er sich nur auf dem Fußballpla­tz.

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Foto: lg

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