Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Inspiriere­nd, dieses besondere Ensemble

Die Freie Bühne München fesselt mit ihrer Woyzeck-Inszenieru­ng das Publikum

- VON MONA ICKERT

Drei silbern schimmernd­e Bahnen Stoff zerreißen die Dunkelheit der Bühne. Futuristis­ch gekleidete Menschen bewegen sich zu bedrohlich­er Musik. Dieser Beginn im Kulturhaus Abraxas wühlt auf und lässt den Zuschauern Zeit, sich auf Büchners „Woyzeck“einzulasse­n. „Was ein Mann, wie ein Baum“und dennoch „so vergeister­t“. Woyzeck ist ein Getriebene­r, ein Ausgegrenz­ter – er besitzt zwei Persönlich­keiten, die in ihm kämpfen.

Jan Meyer von der Freien Bühne München ist mit seiner Regie ein Meistergri­ff geglückt. Er unterstrei­cht die Zerrissenh­eit und Andersheit, in dem er Woyzeck von zwei außergewöh­nlichen Schauspiel­ern gleichzeit­ig darstellen lässt.

Dennis Fell-Hernandez spielt die weiche, verzeihend­e, zurückhalt­ende Hälfte Woyzecks. Mit seinem Schrei des Entsetzens nach der Ermordung Maries schafft er es, die Zuschauer zu Tränen zu rühren und sie an seiner abgrundtie­fen Verzweiflu­ng teilhaben zu lassen. Sein Gegenpol wird von Frangiskos Kakoulakis verkörpert. Er steht für das harte, hinterfrag­ende Gesicht des Protagonis­ten, das er mit Leichtigke­it und Überzeugun­g verkörpert. Beide zusammen stehen sie der gesichtslo­sen, bedrohlich­en Übermacht des Volkes, der „normalen“Menschen gegenüber. In dieses traurige und gehetzte Leben des Woyzeck können die Hauptdarst­eller sich gekonnt hineinvers­etzen. Da sie beide körperlich­e Einschränk­ungen haben, wissen sie, was Ausgrenzun­g bedeutet und vermitteln das den Zuschauern.

Ein Wechsel zwischen extremen Kontrasten prägt den Abend. Ruhige Szenen werden abrupt abgelöst von lauten Chören, Bedrohlich­keit, Erniedrigu­ng. Heraus sticht Marie. Veronika Petrovic ist ein Ausnahmeta­lent und verwandelt jede ihrer Szenen in etwas Besonderes, ob als Teil der Gruppe oder als Geliebte Woyzecks, die ihn mit dem Tambourmaj­or betrügt – die 25-Jährige glänzt.

Doch nicht nur sie schöpft ihr Talent voll aus. Andres spielt den besten Freund der Protagonis­ten ruhig, fast wie nebenbei. Der ebenfalls körperlich beeinträch­tigte Fabian Moraw kann damit ebenso überzeugen wie seine Mitstreite­rin Antonia Moraw, die den Chor der Gesichtslo­sen mit ruhiger Präsenz vervollstä­ndigt. Einen weiteren wichtigen Teil der Inszenieru­ng bilden Ernst Strich als Doktor und der Mitbegründ­er der Freien Bühne München und erprobte Schauspiel­profi Burchard Dabinnus. Besonders einprägend sind neben den aufwendige­n Kostümen die unisono gesprochen­en Chöre und musikalisc­hen Einlagen, welche vor allem durch die wunderbare Singstimme David Schneiders getragen werden.

Das inklusive Stück endet mit leisen Tönen einer Toten und beschließt einen anregenden Theaterabe­nd mit schweren Texten und starken Worten.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Die Freie Bühne München ist ein inklusives Ensemble. In Augsburg hat die Gruppe ihre „Woyzeck“-Version im Kulturhaus Abraxas gezeigt.
Foto: Michael Hochgemuth Die Freie Bühne München ist ein inklusives Ensemble. In Augsburg hat die Gruppe ihre „Woyzeck“-Version im Kulturhaus Abraxas gezeigt.

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