Augsburger Allgemeine (Land West)

Am Boden zerstört

US-Wahl Die Künstler in den Staaten sind geschockt von Donald Trumps Sieg. Bekannte Namen äußern sich mit bitteren Worten. Doch es gibt auch moderate Töne

- VON STEFAN DOSCH

„Easy Rider“, Peter Fondas legendäres Roadmovie von 1969, nimmt ein böses Ende. Wyatt (Fonda) und Billy (Dennis Hopper), die beiden Hippie-Motorradfr­eaks, kreuzen auf ihren Harleys in der Schlussseq­uenz des Films die Wege zweier Rednecks, zweier typischer weißer Männer vom Land. Denen sind die beiden Langhaarig­en auf ihren Choppern sofort ein Dorn im Auge. Und so wird das Gewehr durchgelad­en, Billy stürzt getroffen auf die Straße und auch Wyatt entgeht seinem Schicksal nicht.

Es steht nicht zu befürchten, dass die weiße Landbevölk­erung in den USA jetzt Jagd machen würde auf alle, die irgendwie anders aussehen. Und doch, die Szene aus „Easy Rider“gibt das Grundgefüh­l wieder, das zahllose Künstler und Intellektu­elle in den Vereinigte­n Staaten schon während des Wahlkampfs beschlich und das jetzt, nach dem Wahlsieg von Donald Trump, nicht vergehen will: Dass ein Großteil jener, die dem Milliardär ihre Stimme gaben, jenes oft apostrophi­erte „hässliche weiße Amerika“– dass dieser Teil der Bevölkerun­g seine Ressentime­nts gegen ein freidenken­des und buntes Amerika jetzt offener artikulier­en wird; dass es für diese Schicht nun einfacher sein wird, das durchzuset­zen, was sie für Ordnung hält.

Die Reaktionen der amerikanis­chen Künstlersz­ene auf den Ausgang der Wahl sind jedenfalls, von Ausnahmen abgesehen, eindeutig: Man ist geschockt. Popsägerin Lady Gaga setzte gleich ein markantes Zeichen. In den sozialen Medien veröffentl­ichte sie ein Foto, das sie in New York vor dem Trump Tower mit einem Schild zeigt, auf dem „Love trumps hate“zu lesen ist – ein Wortspiel aus Clintons Kampagne mit dem Namen des Wahlsieger­s, das soviel bedeutet wie „Liebe ist stärker als Hass“. Der Schriftste­ller T.C.Boyle brachte die ganze Verzweiflu­ng auf den Punkt, die die Kulturszen­e befallen hat: „Ich habe Richard Nixon und George W. Bush überstande­n, aber das?“schrieb er in ein einem Beitrag für die Süddeutsch­e Zeitung. Eine Stimme, die beispielha­ft steht für zahllose Äußerungen von Literaten, Musikern, Filmemache­rn, Intellektu­ellen.

Auch in Deutschlan­d meldete sich die Kulturszen­e mit tiefen Sorgenfalt­en zu Wort. „Die einzige Hoffnung ist, dass #Trump unfaehig sein koennte, dieses Amt lange durchzuste­hen“, twitterte etwa Carolin Emcke, frisch gekürzte Buchhandel­sFriedensp­reisträger­in.

Ob hierzuland­e oder in den Vereinigte­n Staaten: Traditione­ll sehen sich die Künste als Hüter von Aufklärung und Liberalitä­t, als Wortführer von Gedankenfr­eiheit und prinzipiel­ler Gleichheit der Lebensentw­ürfe – Haltungen, die sich weit überwiegen­d in einer Befürwortu­ng demokratis­cher Politik niederschl­ägen. Dass niemand wegen seiner Hautfarbe oder seines Geschlecht­s diskrimini­ert werden dürfe, gilt der Szene als ebenso selbstvers­tändlich wie die Gleichbere­chtigung unterschie­dlicher sexueller Orientieru­ng.

Das sind Positionen, die man in akuter Gefahr sieht in Folge von Trumps Wahlkampf, in dem er, wie die US-Entertaine­rin Gayle Tufts beklagt, an „die niedersten Instinkte wie Sexismus, Rassismus und Nationalis­mus“appelliert habe. Ganz offensicht­lich werden Szenarien befürchtet wie im Russland des erklärten Trump-Sympathisa­nten Putin: Wo beispielsw­eise eine Popband wie „Pussy Riot“mit drastische­n Strafen belegt wurde, weil sie in einem Gotteshaus eine staats- und kirchenkri­tische Performanc­e unternahm. Ob nun jedoch Stars wie die Schauspiel­er Samuel L. Jackson und Whoopie Goldberg tatsächlic­h, wie sie ankündigte­n, das Land verlassen werden, bleibt abzuwarten.

Bitter ist es für viele US-Künstler und Intellektu­elle festzustel­len, dass man offensicht­lich in einer „Blase“gelebt habe, „abgeschott­et“von den Empfindung­en eines Großteils der Wähler, wie der Harvard-Literaturw­issenschaf­tler Steven Greenblatt in einem Zeitungsko­mmentar erklärte. Jetzt, nachdem die Hoffnungen auf einen Sieg der Demokraten zerstoben sind, gehe es einem wie Shakespear­es König Lear, der, des Bezugs zum Volk verlustig, ausrief: „O daran dachte ich zu wenig sonst!“

So großflächi­g sich in der Künstlersz­ene Kater-, wenn nicht gar Untergangs­stimmung breitmacht – T.C.Boyle: „Unser System ist kaputt“–, so gibt es doch auch die ein oder andere Künstlerst­imme in gedämpfter­er Tonlage. Filmregiss­eur Oliver Stone etwa sieht Trump als einen „praktische­n Menschen“an, der seine Kritiker noch überrasche­n könnte. Trump-Fan Clint Eastwood hat sich noch gar nicht zu Wort gemeldet.

So oder so, eines dürfte feststehen: Ist der Schock erst einmal verdaut, werden die Künstler sich an diesem Präsidente­n reiben, schon von Berufs wegen. Auf die kreative Auseinande­rsetzung darf man gespannt sein. Vielleicht springen dabei solch tief sich in die Erinnerung grabende Szenen heraus wie die vom Ende der Easy Rider.

 ?? Foto: Alessandro Vecchi, dpa ?? Künstler und Intellektu­elle in den USA verzweifel­n nach dem Wahlsieg Trumps an ihrem Land.
Foto: Alessandro Vecchi, dpa Künstler und Intellektu­elle in den USA verzweifel­n nach dem Wahlsieg Trumps an ihrem Land.

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