Augsburger Allgemeine (Land West)
Am Boden zerstört
US-Wahl Die Künstler in den Staaten sind geschockt von Donald Trumps Sieg. Bekannte Namen äußern sich mit bitteren Worten. Doch es gibt auch moderate Töne
„Easy Rider“, Peter Fondas legendäres Roadmovie von 1969, nimmt ein böses Ende. Wyatt (Fonda) und Billy (Dennis Hopper), die beiden Hippie-Motorradfreaks, kreuzen auf ihren Harleys in der Schlusssequenz des Films die Wege zweier Rednecks, zweier typischer weißer Männer vom Land. Denen sind die beiden Langhaarigen auf ihren Choppern sofort ein Dorn im Auge. Und so wird das Gewehr durchgeladen, Billy stürzt getroffen auf die Straße und auch Wyatt entgeht seinem Schicksal nicht.
Es steht nicht zu befürchten, dass die weiße Landbevölkerung in den USA jetzt Jagd machen würde auf alle, die irgendwie anders aussehen. Und doch, die Szene aus „Easy Rider“gibt das Grundgefühl wieder, das zahllose Künstler und Intellektuelle in den Vereinigten Staaten schon während des Wahlkampfs beschlich und das jetzt, nach dem Wahlsieg von Donald Trump, nicht vergehen will: Dass ein Großteil jener, die dem Milliardär ihre Stimme gaben, jenes oft apostrophierte „hässliche weiße Amerika“– dass dieser Teil der Bevölkerung seine Ressentiments gegen ein freidenkendes und buntes Amerika jetzt offener artikulieren wird; dass es für diese Schicht nun einfacher sein wird, das durchzusetzen, was sie für Ordnung hält.
Die Reaktionen der amerikanischen Künstlerszene auf den Ausgang der Wahl sind jedenfalls, von Ausnahmen abgesehen, eindeutig: Man ist geschockt. Popsägerin Lady Gaga setzte gleich ein markantes Zeichen. In den sozialen Medien veröffentlichte sie ein Foto, das sie in New York vor dem Trump Tower mit einem Schild zeigt, auf dem „Love trumps hate“zu lesen ist – ein Wortspiel aus Clintons Kampagne mit dem Namen des Wahlsiegers, das soviel bedeutet wie „Liebe ist stärker als Hass“. Der Schriftsteller T.C.Boyle brachte die ganze Verzweiflung auf den Punkt, die die Kulturszene befallen hat: „Ich habe Richard Nixon und George W. Bush überstanden, aber das?“schrieb er in ein einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung. Eine Stimme, die beispielhaft steht für zahllose Äußerungen von Literaten, Musikern, Filmemachern, Intellektuellen.
Auch in Deutschland meldete sich die Kulturszene mit tiefen Sorgenfalten zu Wort. „Die einzige Hoffnung ist, dass #Trump unfaehig sein koennte, dieses Amt lange durchzustehen“, twitterte etwa Carolin Emcke, frisch gekürzte BuchhandelsFriedenspreisträgerin.
Ob hierzulande oder in den Vereinigten Staaten: Traditionell sehen sich die Künste als Hüter von Aufklärung und Liberalität, als Wortführer von Gedankenfreiheit und prinzipieller Gleichheit der Lebensentwürfe – Haltungen, die sich weit überwiegend in einer Befürwortung demokratischer Politik niederschlägen. Dass niemand wegen seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts diskriminiert werden dürfe, gilt der Szene als ebenso selbstverständlich wie die Gleichberechtigung unterschiedlicher sexueller Orientierung.
Das sind Positionen, die man in akuter Gefahr sieht in Folge von Trumps Wahlkampf, in dem er, wie die US-Entertainerin Gayle Tufts beklagt, an „die niedersten Instinkte wie Sexismus, Rassismus und Nationalismus“appelliert habe. Ganz offensichtlich werden Szenarien befürchtet wie im Russland des erklärten Trump-Sympathisanten Putin: Wo beispielsweise eine Popband wie „Pussy Riot“mit drastischen Strafen belegt wurde, weil sie in einem Gotteshaus eine staats- und kirchenkritische Performance unternahm. Ob nun jedoch Stars wie die Schauspieler Samuel L. Jackson und Whoopie Goldberg tatsächlich, wie sie ankündigten, das Land verlassen werden, bleibt abzuwarten.
Bitter ist es für viele US-Künstler und Intellektuelle festzustellen, dass man offensichtlich in einer „Blase“gelebt habe, „abgeschottet“von den Empfindungen eines Großteils der Wähler, wie der Harvard-Literaturwissenschaftler Steven Greenblatt in einem Zeitungskommentar erklärte. Jetzt, nachdem die Hoffnungen auf einen Sieg der Demokraten zerstoben sind, gehe es einem wie Shakespeares König Lear, der, des Bezugs zum Volk verlustig, ausrief: „O daran dachte ich zu wenig sonst!“
So großflächig sich in der Künstlerszene Kater-, wenn nicht gar Untergangsstimmung breitmacht – T.C.Boyle: „Unser System ist kaputt“–, so gibt es doch auch die ein oder andere Künstlerstimme in gedämpfterer Tonlage. Filmregisseur Oliver Stone etwa sieht Trump als einen „praktischen Menschen“an, der seine Kritiker noch überraschen könnte. Trump-Fan Clint Eastwood hat sich noch gar nicht zu Wort gemeldet.
So oder so, eines dürfte feststehen: Ist der Schock erst einmal verdaut, werden die Künstler sich an diesem Präsidenten reiben, schon von Berufs wegen. Auf die kreative Auseinandersetzung darf man gespannt sein. Vielleicht springen dabei solch tief sich in die Erinnerung grabende Szenen heraus wie die vom Ende der Easy Rider.